Sehr geehrte/r Fragesteller/in,
bedauerlicherweise tendiert der Bundesgerichtshof hier eher dazu die laufenden Steuerzahlungen bei der Berechnung des pfändbaren Betrages lediglich zu berücksichtigen, wenn diese über die Lohnsteuer direkt abgeführt werden, siehe z.B. Beschluss vom 19.09.2019 - IX ZB 2/18:
Zitat:Diese Grundsätze erfassen auch Steuerschulden. Die Entstehung einer Steuerschuld, welche der Schuldner begleichen möchte, ist regelmäßig kein ausreichender Grund für die Anwendung von § 850f Abs. 1 lit. b ZPO, weil dies zur ungerechtfertigten Bevorzugung eines Gläubigers führen würde. In der Einzelzwangsvollstreckung würde ein Gläubiger, der nicht vorrangig gepfändet hat, dem Vollstreckungsgläubiger gegenüber privilegiert (vgl. Keller/Schrandt, aaO Rn. 828; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 850f Rn. 4). Im Insolvenzverfahren ginge eine Erhöhung des Freibetrags zu Lasten der Masse (§ 36 Abs. 1 InsO). Das Finanzamt würde im Ergebnis auf Kosten der Masse befriedigt und dadurch entgegen §§ 1, 38 InsO bevorzugt. Denn das Finanzamt ist für Steueransprüche, die vor Verfahrenseröffnung begründet wurden, Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO (BFHE 217, 14, 16). Für danach durch Handlungen des Schuldners begründete Steueransprüche ist es Neugläubiger, dem als Haftungsmasse nur das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners zur Verfügung steht (vgl. BFHE 232, 318 Rn. 16 ff). Im Gesetz ist eine solche Bevorzugung des Steuergläubigers nicht angelegt. § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO privilegiert zwar das Finanzamt, soweit die Vorschrift ihm die Lohnsteuer vorab zuweist. Dem Gesetz ist aber nicht zu entnehmen, dass die gesamte Einkommensteuer so zu behandeln wäre (vgl. BFHE 232, 318 Rn. 14; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 82).
Nach diesen Grundsätzen können Steuern zwar zu einer Erhöhung des unpfändbaren Betrags gemäß § 850f Abs. 1 lit. b ZPO, § 36 Abs. 1 InsO führen (vgl. BAGE 32, 159, 169; Hk-ZV/Meller-Hannich, 3. Aufl., § 850f ZPO Rn. 11), dies aber nur, soweit sie tatsächlich und für den Schuldner unvermeidlich abgeführt werden (vgl. etwa BAG, NJW 1986, 2208). Das ist hier nicht der Fall. Damit kann dahinstehen, ob für bereits ausgezahlte Einkommensbeträge nachträglich Schutz nach § 850f Abs. 1 ZPO gewährt werden kann (ablehnend Schmidt/Büteröwe, InsO, 19. Aufl., § 36 Rn. 13; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 850f Rn. 12).
d) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht es abgelehnt, Pfändungsschutz gemäß § 850i ZPO, § 36 Abs. 1 InsO zu gewähren. Einem Schuldner, der nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen oder sonstige Einkünfte erhält, die kein Arbeitseinkommen sind, hat das Gericht nach § 850i ZPO auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, wie ihm verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Dabei sind mehrere Vergütungsansprüche zusammenzurechnen und auch laufendes Einkommen ist heranzuziehen (BT-Drucks. 16/7615, S. 18). Das Beschwerdegericht hat unangegriffen festgestellt, dass dem Schuldner bereits aus dem laufenden Einkommen ein Betrag oberhalb der Pfändungsfreigrenze zufließt. Für eine Anordnung gemäß § 850i ZPO ist damit kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2016 - IX ZB 69/15, NZI 2016, 457 Rn. 14).
Ähnlich verhält es sich mit den Pfändungsfreigrenzen, auch hier stellt der Bundesgerichtshof (wenn auch nicht so lapidar wie Ihr Treuhänder) auf die deutschen Pfändungsfreigrenzen ab, siehe Beschluss vom 20. 7. 2017 – IX ZB 63/16:
Zitat:Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rentenberechtigten im Inland ist die Frage, ob eine ausländische Rente pfändbar ist und damit zur Masse gehört, nach dem (deutschen) Insolvenzstatut zu beurteilen.
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Nach § 335 InsO unterliegen das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Diese Vorschrift bildet die Grundnorm des deutschen Internationalen Insolvenzrechts. Sowohl für das Verfahrensrecht als auch für die materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzrechts gilt grundsätzlich das Recht desjenigen Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Dieser Ansatz liegt auch Art. 4 EuInsVO a. F. (seit dem 26. Juni 2017: Art. 7 EuInsVO) zugrunde. Der Gesetzgeber des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14. März 2003 (BGBl. I S. 345), mit welchem die Vorschrift des § 335 InsO in die Insolvenzordnung eingefügt wurde, hat im Interesse einer möglichst prägnanten Regelung davon abgesehen, die in Art. 4 EuInsVO a. F. genannten Beispiele in die Vorschrift des § 335 InsO aufzunehmen; als Interpretationshilfe sollen die Beispiele jedoch herangezogen werden können (BT-Drucks. 15/16, S. 18 zu § 335).
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Die Geltung des Insolvenzstatuts wird dem Sinn der Pfändungsschutzvorschriften einerseits, demjenigen des Insolvenzrechts andererseits am ehesten gerecht. Das deutsche Insolvenzrecht folgt dem Universalitätsprinzip.
[21] Es dient der gemeinsamen Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch Verwertung des Vermögens des Insolvenzschuldners (§ 1 Satz 1 InsO) und bestimmt daher auch die Grenzen, innerhalb derer sich die Verwertung zu bewegen hat.
[22] Diese Grenzen entsprechen im Wesentlichen denjenigen, welche die Zivilprozessordnung der Pfändung von Arbeitseinkommen setzt. Nach dem Schutzgedanken des Sozialstaatsprinzips muss dem Schuldner, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, mindestens ein Betrag verbleiben, der ihm und gegebenenfalls seiner Familie ein menschenwürdiges Leben ermöglicht (vgl. etwa die Begründung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 28. Juni 1977, BT-Drucks. 8/693, S. 45). In der Einzelwie in der Gesamtvollstreckung sind dem Vollstreckungs- oder Insolvenzschuldner und dessen Familie die Mittel für ein menschenwürdiges Leben zu belassen. Regelungstechnisch hat die Insolvenzordnung dieses Ziel durch eine Verweisung auf bestimmte (nicht alle) Pfändungsschutzvorschriften der Zivilprozessordnung verwirklicht (§ 36 InsO). Da das Insolvenzverfahren am Ort des allgemeinen Gerichtsstands des Schuldners (§ 3 InsO), gegebenenfalls am Ort des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen des Schuldners (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO a. F., Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO) eröffnet wird, wird dieses Ziel in der Regel auch erreicht. Der in Deutschland wohnhafte Schuldner genießt den Schutz der inländischen Pfändungsschutzvorschriften, die den hiesigen Verhältnissen Rechnung tragen (vgl. etwa LG Traunstein, NZI 2009, 818, 819; Hergenröder, DZWiR 2009, 309, 316 f; Mankowski, NZI 2009, 785, 787; Martini, jurisPR-InsR 16/2009, Anm. 4; Müller in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 21 EuInsVO 2017 Rn. 35).
Praktische Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens stellen sich unabhängig von der Frage des anwendbaren Rechts. Gegen die Geltung des Insolvenzstatuts wird insbesondere eingewandt, dass die Pfändung im Ausland nur nach den Vorschriften des Vollstreckungsstaates durchgeführt werden kann, dass der Verwalter also eine nach dem Recht des Vollstreckungsstaates unpfändbare Forderung rein tatsächlich gar nicht zur Masse ziehen kann. Dieser Einwand ist berechtigt. Er spricht aber nicht zwingend gegen die Geltung des Insolvenzstatuts, denn dem Verwalter bleibt jedenfalls die Möglichkeit, den Schuldner zur Auskehrung des nach dem Insolvenzstatut pfändbaren Teils der Forderung anzuhalten. Geht es nur um die Berechnung des pfändbaren Teils der Forderung, welcher im Vollstreckungsstaat von demjenigen des Eröffnungsstaates differieren kann, ist es Sache des Verwalters, dem ausländischen Drittschuldner die nach dem Insolvenzstatut pfändbaren Beträge mitzuteilen (LG Traunstein, NZI 2009, 818, 819). Darüber hinaus führte auch die Anwendung der jeweiligen lex loci executionis zu Problemen. Wäre das Recht des jeweiligen Vollstreckungsstaates anwendbar, müsste der Verwalter nämlich die Pfändungsschutzvorschriften sämtlicher Staaten prüfen, in welchem Vermögen des Insolvenzschuldners belegen ist (Mankowski, NZI 2009, 785, 787; Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., Kap. 20 Rn. 291).
Da allerdings die Pfändungsvorschriften der Zivilprozessordnung nach §§ 850ff. anwendbar bleiben, können Sie hier zumindest den einzelnen Nachweis führen, dass Sie aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten nur noch ein Einkommen haben, welches unterhalb des Exitenzminimums liegt, siehe "menschenwürdiges Leben". Hierbei kann dann allerdings auch das Einkommen der Ehefrau berücksichtigt werden, so dass ein solcher Antrag nur dann Erfolg haben wird, wenn Sie tatsächlich mit Ihrem Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegen, also gar nichts mehr abführen müssten. Bei den Steuern können Sie hier darauf verweisen, dass bei einem Rentner in Deutschland die Vorauszahlungen auch regelmäßig berücksichtigt werden, falls es in der Schweiz die Möglichkeit der Vorauszahlung gibt sollten Sie diese wahrnehmen, um die Zahlungen belegen zu können.
Ich hoffe damit Ihre Frage trotz der wohl nicht erhofften Antwort inhaltlich zufriedenstellend beantwortet zu haben und wünsche Ihnen in jedem Fall noch einen schönen Feiertag.
Mit freundlichen Grüßen,
RA Fabian Fricke