Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Grundsätzlich könne Sie einen Pflichtverteidiger beantragen. Ihren Antrag wird die Staatsanwaltschaft dem Gericht vorlegen, §141 StPO
. Über den Antrag selbst (Bestellung) entscheidet das Gericht.
Das Gericht wird jedoch für den Beschuldigten einen Verteidiger nur bestellen lassen, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt. In anderen Fällen ist eine Pflichtverteidigung nicht vorgeschrieben und ein Antrag wird nicht bewilligt werden. Bitte beachten Sie zwingend, dass auch die Kosten eines Pflichtverteidigers von Ihnen zu tragen sind, der Staat schießt diese lediglich vor, verlangt diese aber dann von Ihnen ersetzt und die Gebühren sind etwas günstiger, als die eines Wahlverteidigers. nur im Falle des Freispruches brauchen Sie den Verteidiger nicht zu zahlen, dann trägt nämlich die Staatskasse die kosten.
Nun aber zudem , was eine notwendige Verteidigung ausmacht, dies ist in § 140 StPO
geregelt dieser lautet:
1) Die Mitwirkung eines Verteidigers ist notwendig, wenn
1. die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet;
2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3. das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4. gegen einen Beschuldigten Untersuchungshaft nach den §§ 112, 112a oder einstweilige Unterbringung nach § 126a oder § 275a Absatz 6 vollstreckt wird;
5. der Beschuldigte sich mindestens drei Monate auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird;
6. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7. ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8. der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9. dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.
(2) 1In anderen Fällen bestellt der Vorsitzende auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, daß sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. 2Dem Antrag eines hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten ist zu entsprechen.
(3) 1Die Bestellung eines Verteidigers nach Absatz 1 Nr. 5 kann aufgehoben werden, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. 2Die Bestellung des Verteidigers nach Absatz 1 Nr. 4 bleibt unter den in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten Voraussetzungen für das weitere Verfahren wirksam, wenn nicht ein anderer Verteidiger bestellt wird.
Sie werden des gemeinschaftlichen Betruges angeklagt, also wegen einer Tat, die nach dem StGB ( Erwachsenenstrafrecht) mit bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe bestraft wird. Sie sagen Sie verhandeln vor dem Jugendrichter also beim Amtsgericht, so dass Nr. 1 des § 140 StPO
nicht einschlägig ist.
Aber Ihnen wird auch kein Verbrechen nach § 140 Nr. 2 StPO
vorgeworfen, denn dieses liegt nur vor, wenn die angedrohte Mindeststrafe 1 Jahr nicht unterschreitet. Dies ist beim Betrug nicht der Fall, da der § ein Mindestmaß nicht nennt. Selbst ein schwerer Fall, für den ich keine Anhaltspunkte habe würde im Mindestmaß mit 6 Monaten bestraft werden, auch hier würde also ein Verbrechen nicht vorliegen. Nur beim besonders schweren Fall nach § 263 Abs. 5 ( gewerbsmäßiger Bandendiebstahl) würde ein Verbrechen vorliegen, da die Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis 10 Jahre beträgt. Hierfür habe ich jedoch keine Hinweise, da dafür mindestens 3 Täter sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden haben müssen, um diese gewerbsmäßig zu begehen. Dies ist bei nur 1 Mitangeklagten nicht indiziert.
Auch die Nummern 3- 7 sind wohl nicht einschlägig, zumindest habe ich hierfür keine Anhaltspunkte.
Nr. 8 liegt ebenfalls nicht vor, weil Sie noch keinen Verteidiger hatten.
Ob dem Verletzten ein Verteidiger beigeordnet wurde und dann die Nr. 9 des § 140 StPO
einschlägig wäre, kann ich mangels Informationen nicht beurteilen. Sollten Sie dies wissen, sollten Sie in Ihrer Anregung einen Pflichtverteidiger für Sie zu bestellen, dies auch zwingend erwähnen. Eine Verteidigung des Mitangeklagten reicht nicht zur Bejahung der Nr. 9.
Ihnen bleibt also hauptsächlich nach § 140 Abs. 2 StPO
zu argumentieren, Sie müssen also in der Antragsbegründung vortragen, dass wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder Sie sich nicht selbst verteidigen können.
Sie sollten also genau mitteilen, was an dem Fall besonders schwierig ist und warum Sie die Sach- und Rechtslage nicht überblicken. Dies kann aus tatsächlichen Gründen ( Tatermittlung - und Nachweis schwierig ) oder aus rechtlichen Gründen ( Besonderheiten des Falles, Vorstrafen die zur gesamtstrafenbildung führen können, Aufhebung einer Bewährung) der Fall sein.
Grundsätzlich ist es möglich einen Verteidiger zu wählen udn diesen die Pflichtverteidigung beantragen und begründen zu lassen, dies ist auch stets sinnvoll, wenn die Strafverteidigerbestellung auf § 140 Abs. 2 StPO
zu stützen ist, weil Absatz 1 ausscheidet. Achten Sie in diesem Fall drauf, dass Sie mit dem Wahlverteidiger genau absprechen, ob und zu welchen Konditionen der Anwalt auch tätig werden soll, wenn die Pflichtverteidigung abgelehnt wird, was ich in Ihrem Fall für leider recht wahrscheinlich halte, denn die Hürden für den Absatz 2 des § 140 StPO
sind grundsätzlich nicht ganz einfach zu nehmen. Am besten verschriftlichen Sie dies in einer Honorarabrede.
Fazit: Sie können einen Pflichtverteidiger beantragen, jedoch halte ich die Aussicht auf Bestellung für Recht gering, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Der Antrag muss ordentlich begründet sein und enthalten, warum Sie sich nicht selbst verteidigen können oder dass besonders schwere Konsequenzen drohen. Allein das ihr Mitangeklagter einen Wahlverteidiger hat genügt leider als Argument nicht, wenn hier nicht zu erwarten ist, dass Sie dadurch unheimlich belastet werden (dass sie z.B. als Alleintäter vom Anwalt dargestellt werden sollen und somit die Sachlage wiederum für Sie besonders schwierig wird). Bitte beachten Sie, dass Sie auch die Kosten eines Pflichtverteidigers tragen, wenn Sie nicht freigesprochen werden.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwältin Doreen Prochnow
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Vielen Dank für Ihre Antwort.
Kann ich den Antrag formlos bei Gericht stellen?
Lieber Fragesteller,
der Antrag bedarf keiner bestimmten Formm Der Antrag kann bei der Staatsanwaltschaft oder Gericht gestellt werden. Bei der Staatsanwaltschaft erfolgt der Antrag in der Regel schriftlich.
Beim Antrag zum Gericht ist die Schriftform möglich, aber es geht auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle. Bitte achten Sie darauf, den Antrag ( egal wo und wie) ausführlich zu begründen.
Mit freundlichen Grüßen
Doreen Prochnow