Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Unstreitig ist zunächst von einem Sachmangel nach § 633 BGB
auszugehen.
Grundsätzlich beträgt die Verjährungsfrist für Ansprüche auf Nacherfüllung, Mangelbeseitigung/Ersatz erforderlicher Aufwendungen sowie Schadensersatz/Ersatz vergeblicher Aufwendungen nach § 634 a Absatz 2 BGB
5 Jahre und beginnt mit der Abnahme.
Danach wären etwaige Ansprüche gegen den Bauträger verjährt.
Wenn der Unternehmer allerdings den Mangel arglistig verschwiegen hat, gilt nach § 634a Absatz 3 BGB
die regelmäßige Verjährungsfrist nach den §§ 195
, 199 BGB
.
Auf der Grundlage der Vorschrift des § 199 BGB
beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.
Ich gehe davon aus, dass der Mangel entweder in diesem oder im letzten Jahr offenbar geworden ist.
Verjährungsfrist bei Kenntnis in 2019: Ablauf der Verjährung mit Ablauf des 31.12.2022
Verjährungsfrist bei Kenntnis in 2020: Ablauf der Verjährung mit Ablauf des 31.12.2023.
Wenn dem Bauträger die Verletzung eines sog. Organisationsverschulden zur Last gelegt werden kann, würde dies nach der Rechtsprechung einer Arglist gleichgesetzt werden.
Nach Ihrem Sachvortrag ist davon auszugehen, dass der Bauträger bei der Abnahme von den jetzt ersichtlichen Mängeln keine positive Kenntnis hatte, weil die in Rede stehenden Arbeiten von einem von dem Bauträger beauftragten Subunternehmer ausgeführt worden sind und der Bauträger die mangelhafte Ausführung nicht bemerkt hat.
Vor diesem Hintergrund scheidet ein arglistiges Handeln des Bauträgers allerdings aus.
Nach dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.05.2011 (Az. I - 23 U 106/10
) gilt aber Folgendes:
"bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Unternehmer so behandelt, als sei er arglistig, wenn er seine Organisationspflichten bei der Herstellung und Abnahme des Bauwerks verletzt hat und infolge dieser Verletzung ein Mangel nicht erkannt worden ist (BGH, Urt. v. 12.3.1992, VII ZR 5/91
, BGHZ 117, 318
; Urt. v. 30.11.2004, X ZR 43/03
, BauR 2005, 550
; BGH Urt. v. 11.10.2007, VII ZR 99/06
, BGHZ 174, 32
= BauR 2008, 60; BGH Urt. v. 27.11.2008, VII ZR 206/06
, BGHZ 179, 55
= BauR 2009, 515
).
Der Werkunternehmer, der ein Bauwerk arbeitsteilig herstellen lässt, muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob dieses bei Ablieferung mangelfrei ist. Unterlässt er dies, verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 195
, 199 BGB
, wenn der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre. Denn der Besteller ist dann so zu stellen, als wäre der Mangel dem Unternehmer bei Ablieferung des Werkes bekannt gewesen.
Anknüpfungspunkt für die Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriften ist die Verletzung der Organisationspflicht des mit der Herstellung beauftragten Unternehmers.
Dieser kann sich seiner vertraglichen Offenbarungspflicht bei Ablieferung des fertigen Werkes nicht dadurch entziehen, dass er sich unwissend hält oder sich keiner Gehilfen bei der Erfüllung dieser Pflicht bedient.
Er ist daher gehalten, den Herstellungsprozess angemessen zu überwachen und das Werk vor Abnahme auf Mangelfreiheit zu überprüfen.
Er muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das fertiggestellte Werk bei Ablieferung den vertraglichen Vereinbarungen entspricht und keine Fehler aufweist.
Die aufgezeigte Gleichsetzung der Haftung wegen der Verletzung von Organisationspflichten mit der Arglisthaftung ist nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn dem Unternehmer vorgeworfen werden kann, er habe eine Überwachung der ausgeführten Arbeiten nicht vorgenommen, um die Arglisthaftung wissentlich zu vermeiden oder er habe jedenfalls die Augen davor verschlossen, dass er durch seine Organisation keinen Repräsentanten hat, dessen Wissen er sich zurechnen lassen muss (BGH, Urt. v. 22.7.2010, VII ZR 77/08
, BauR 2010, 1959
)..."
Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann ich seriöserweise nicht verbindlich feststellen. Wenn der Bauträger die Bauleistung des Generalunternehmers weder selbst überwacht hat noch durch Dritte entsprechend organisiert hat (hier hat sich offenbar der Generalunternehmer selbst überwacht), kommt nach meiner Rechtsauffassung allerdings eine Haftung des Bauträgers in Betracht mit der Folge, dass noch keine Verjährung eingetreten ist.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Einer positiven Bewertung sehe ich entgehen.
Gerne höre ich von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz Roth
- Rechtsanwalt und zertifizierter Testamentsvollstrecker -
Antwort
vonRechtsanwalt Karlheinz Roth
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Rechtsanwalt Karlheinz Roth
Sehr geehrter Herr Roth,
vielen Dank für Ihre allgemeinen Ausführungen, die meinem bisherigen Rechtsverständnis entsprechen. Auf einige Details der Sachverhaltsschilderung und Fragestellung sind Sie aber leider nicht eingegangenen. Vielleicht hatte ich den Kern meiner Frage auch einfach noch nicht richtig herausgestellt, was ich im Folgenden noch einmal versuchen werde.
Mir war und ist bewusst, dass eine Verletzung von Organisationspflichten des Bauträgers vorliegen muss, damit noch keine Verjährung eingetreten ist. Ich gehe auch fest davon aus, DASS eine Verletzung von Organisationspflichten des Bauträgers vorlag. Nur befürchte ich stark, dass ich diese Verletzung von Organisationspflichten in einem Rechtsstreit leider nicht beweisen könnte.
DAHER war der KERN MEINER FRAGE: Kann hier die Anzahl (>20) der Häuser helfen, an denen überall derselbe Mangel besteht? Mich würde es nicht überraschen, wenn es Rechtsprechung gäbe, die sinngemäß besagt, dass beim Vorliegen einer großen Anzahl gleichermaßen mängelbehafteter Häuser automatisch auf ein Organisationsverschulden geschlossen werden kann oder zumindest, dass beim Vorliegen einer großen Anzahl gleichermaßen mängelbehafteter Häuser die Beweislast für eine ordnungsgemäße Organisation beim Bauträger liegt (Beweislastumkehr). Kennen Sie solche Rechtsprechung?
Vielen Dank vorab für Ihre Beschäftigung mit der Nachfrage.
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihren Nachtrag.
Rechtsprechung zu Beweiserleichterungen gibt es.
Eine Beweislastumkehr kommt danach immer dann in Betracht, wenn es sich um einen besonders leicht erkennbaren Mangel handelt oder um einen folgenschweren Mangel an einer bedeutsamen Bauleistung.
Arbeiten am Dach gehören jedenfalls zu bedeutsamen Bauleistungen eines Gesamtbaus.
Bspw. das Urteil des OLG Naumburg vom 9. Mai 2005 (Aktenzeichen 4 U 2/05
).
Mit freundlichen Grüßen
RA K. Roth