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Muss ich die betriebliche Altervorsorge (bAV) beim Versorgungsträger anzeigen?

9. Oktober 2025 16:20 |
Preis: 50,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Guten Tag,

ich bin 57 J. alt, war 22 Jahre in einem Großunternehmen beschäftigt und habe eine unverfallbare Anwartschaft (Direktzusage) auf die bAV. Ich werde nach Auskunft der DRV rückwirkend ab dem 01.05.2025 eine befristete volle Erwerbsminderungsrente (EMR) erhalten. Laut Gesamtbetriebsverein-barung (GBV) zur bAV habe ich bei einer EMR Anspruch auf die bAV.

Meine Fragen:

1. Bin ich verpflichtet, dem Versorgungsträger anzuzeigen, dass der Leistungsfall eingetreten ist und ich Anspruch auf die bAV habe oder kann ich bis zu meiner Altersrente warten? Siehe Pflichten aus der GBV weiter unten.

2. Gibt es entsprechende andere gesetzliche Regelungen (BetrAVG usw.), dass ich zur Anzeige verpflichtet bin, um die bAV bereits jetzt in Anspruch zu nehmen?

Hintergrund meiner Frage ist, dass ich anscheinend kein Wahlrecht habe und eine Einmalzahlung erhalten würde, anders als zum Zeitpunkt der Altersrente. Somit würde die Einkommensteuer voll zuschlagen.

In der GBV zur bAV steht unter Pflichten (in meinem Fall wahrscheinlich insb. 5.6.3):

5.6.1 Die zum Abschluss von etwaigen Rückdeckungsversicherungen sowie die zur Weitergabe der von der Versicherungsgesellschaft benötigten Daten erforderliche Zustimmung gilt als erteilt, wenn der Beschäftigte nicht unverzüglich schriftlich widerspricht. Der Beschäftigte hat der Versicherungsgesellschaft die verlangten Auskünfte zu erteilen und sich einer etwa notwendigen ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

5.6.2 Vereinbarungen mit Dritten über die Abtretung, Verpfändung oder Beleihung eines
Anspruchs auf Leistungen nach dem Daimler Vorsorge Kapital (Versorgungsanspruch) sind dem Unternehmen gegenüber unwirksam.

5.6.3 Dem Unternehmen sind alle Angaben zu machen und Nachweise beizubringen, die
für die Prüfung eines Versorgungsanspruchs erforderlich sind. Im Fall der Invalidenleistung (auch EMR, meine Anm.) ist der Bescheid des Trägers der dt. gesetzlichen Rentenversicherung vorzulegen. Die Anspruchsvoraussetzungen gelten als nicht erfüllt, wenn die geforderten Angaben nicht gemacht oder die notwendigen Nachweise nicht beigebracht werden.

5.6.4 Wer einen Versorgungsanspruch erworben hat, muss dem Unternehmen für die Zahlung ein Bankkonto im Euro-Währungsraum benennen und die für die Vornahme gesetzlicher Abzüge erforderlichen Unterlagen aushändigen.

Aus 5.6.3 könnte ich schliessen, dass keine Verpflichtung zur Anzeige besteht.

Noch eine Frage:

Was könnte passieren, wenn ich verpflichtet wäre, den Eintritt des Leistungsfalles anzugeben, aber es nicht mache und bis zu meiner Altersrente warte?

Vielen Dank und viele Grüße

9. Oktober 2025 | 19:34

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:


1.

Besteht eine Verpflichtung, dem Versorgungsträger den Eintritt des Leistungsfalls (EMR) anzuzeigen?

Nach dem Wortlaut der von Ihnen zitierten GBV, insbesondere Ziffer 5.6.3, sind Sie verpflichtet, dem Unternehmen alle Angaben zu machen und Nachweise beizubringen, die für die Prüfung eines Versorgungsanspruchs erforderlich sind.

Im Fall der Invalidenleistung (also auch bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente) ist ausdrücklich der Bescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung vorzulegen. Weiter heißt es: Die Anspruchsvoraussetzungen gelten als nicht erfüllt, wenn die geforderten Angaben nicht gemacht oder die notwendigen Nachweise nicht beigebracht werden.

Das bedeutet: Sie sind nach der GBV verpflichtet, dem Unternehmen den Eintritt des Leistungsfalls (also die Bewilligung der EMR) anzuzeigen und den Rentenbescheid vorzulegen, wenn Sie die Invalidenleistung (bAV) in Anspruch nehmen möchten. Die Pflicht zur Anzeige besteht also dann, wenn Sie die Leistung beanspruchen wollen.

Ein generelles „Meldegebot" unmittelbar mit Eintritt des Leistungsfalls, unabhängig davon, ob Sie die Leistung tatsächlich beanspruchen, ergibt sich aus dem Wortlaut der GBV nicht.

Sie müssen also nicht zwingend sofort nach Erhalt des EMR-Bescheids aktiv werden, sondern erst, wenn Sie die bAV-Leistung tatsächlich geltend machen wollen.

Allerdings ist zu beachten, dass die Anspruchsvoraussetzungen als nicht erfüllt gelten, solange Sie die erforderlichen Angaben und Nachweise nicht vorlegen. Das bedeutet praktisch: Ohne Anzeige und Nachweis erhalten Sie keine bAV-Leistung.



2.

Gibt es gesetzliche Regelungen (z.B. im BetrAVG), die eine Anzeigepflicht begründen?

Das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) regelt die Voraussetzungen für den Anspruch auf betriebliche Altersversorgung, enthält aber keine ausdrückliche allgemeine Anzeigepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Versorgungsträger beim Eintritt des Versorgungsfalls. Die Anspruchsvoraussetzungen und das Verfahren zur Geltendmachung der Leistung richten sich in erster Linie nach der jeweiligen Versorgungsordnung bzw. – wie hier – nach der GBV.

Das BetrAVG sieht keine eigenständige Verpflichtung vor, den Eintritt des Leistungsfalls (z.B. EMR) dem Versorgungsträger anzuzeigen. Die Geltendmachung des Anspruchs und die Mitwirkungspflichten ergeben sich aus der Versorgungszusage bzw. den einschlägigen Regelungen (hier: GBV).



3.

Haben Sie ein Wahlrecht, den Leistungsfall erst später anzuzeigen, um z.B. steuerliche Nachteile zu vermeiden?

Nach der GBV besteht keine ausdrückliche Verpflichtung, den Eintritt des Leistungsfalls sofort anzuzeigen.

Sie können also grundsätzlich abwarten und den Anspruch auf die bAV erst zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. mit Eintritt in die Altersrente) geltend machen, sofern die GBV oder andere Regelungen keine Fristen für die Geltendmachung vorsehen. Sie sollten jedoch prüfen, ob in der GBV oder in anderen einschlägigen Dokumenten (Versorgungsordnung, Versicherungsbedingungen) Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs geregelt sind. Im Kontext ist eine solche Frist nicht genannt.

Beachten Sie aber: Wenn Sie den Anspruch auf die bAV-Leistung nicht geltend machen, erhalten Sie auch keine Leistung. Sie können also durch Nichtanzeige den Leistungsbezug aufschieben. Dies kann – wie von Ihnen angedacht – steuerlich sinnvoll sein, wenn Sie die Einmalzahlung erst im Rentenalter erhalten möchten.



4.

Was könnte passieren, wenn Sie verpflichtet wären, den Eintritt des Leistungsfalls anzugeben, dies aber nicht tun und bis zur Altersrente warten?

Wenn Sie entgegen einer bestehenden Verpflichtung (z.B. aus der GBV) den Eintritt des Leistungsfalls nicht anzeigen, hat dies in der Regel zur Folge, dass Sie die bAV-Leistung nicht erhalten, solange Sie die Anzeige und die erforderlichen Nachweise nicht erbringen. Die Anspruchsvoraussetzungen gelten als nicht erfüllt, solange Sie die Angaben nicht machen (vgl. 5.6.3 GBV). Eine Sanktion oder ein Verfall des Anspruchs ist im Kontext nicht geregelt, solange keine Ausschlussfristen bestehen.

Erst wenn Sie den Anspruch geltend machen und die Nachweise vorlegen, wird die bAV-Leistung geprüft und ggf. ausgezahlt. Sie riskieren also keine rechtlichen Nachteile, solange Sie keine Fristen versäumen. Steuerlich kann es – wie von Ihnen befürchtet – günstiger sein, die Auszahlung zu einem späteren Zeitpunkt zu beantragen.



5.

Fazit:

Sie sind nach der GBV verpflichtet, die erforderlichen Angaben und Nachweise zu erbringen, wenn Sie die bAV-Leistung beanspruchen wollen. Eine gesetzliche Anzeigepflicht besteht nicht. Sie können den Leistungsbezug aufschieben, indem Sie den Eintritt des Leistungsfalls zunächst nicht anzeigen, sofern keine Ausschlussfristen bestehen. Erst mit Geltendmachung des Anspruchs und Vorlage der Nachweise wird die bAV-Leistung geprüft und ggf. ausgezahlt.



Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 9. Oktober 2025 | 21:37

Guten Abend Herr Raab,

vielen herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Zusammengefasst, so habe ich es verstanden, muss ich den Leistungsfall (Erwerbsminderungsrente/Invalidenleistung) nicht anzeigen, wenn ich die Leistung jetzt nicht beanspruchen möchte. Eine Frist ist übrigens in der GBV nicht enthalten.

Jedoch habe ich eine Nachfrage:

Nehmen wir an, es gebe noch in irgendeiner Regelung eine Ausschlussfrist (das werde ich noch erfragen), dann kann mir die bAV, wenn ich Altersrente mit 63 erhalte, nicht komplett verwehrt werden bzw. kann die bAV dann nicht ausgeschlossen werden, nur weil ich die bAV nicht mit dem jetzigen Leistungsfall (EMR) in Anspruch genommen habe, oder?

Ganz davon abgesehen, weiß der Versorgungsträger zum Zeitpunkt der Altersrente nicht, dass ich vorab die EMR erhalten habe.

Viele Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 10. Oktober 2025 | 09:44

Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:


1.

Wenn in einer einschlägigen Regelung (z.B. in der GBV, Versorgungsordnung oder anderen maßgeblichen Dokumenten) tatsächlich eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs auf die bAV-Leistung im Invaliditätsfall (also bei Eintritt der Erwerbsminderungsrente) enthalten wäre, hätte dies folgende Konsequenzen:

Eine solche Ausschlussfrist würde in der Regel bedeuten, dass Sie den Anspruch auf die Invalidenleistung (bAV wegen EMR) innerhalb einer bestimmten Frist nach Eintritt des Leistungsfalls (also nach Bewilligung der EMR) geltend machen müssen. Versäumen Sie diese Frist, könnte der Anspruch auf die Invalidenleistung (bAV wegen EMR) verfallen.

Das bedeutet aber nicht, dass Ihnen der Anspruch auf die Altersrente aus der bAV insgesamt verloren geht.

Die betriebliche Altersversorgung unterscheidet zwischen verschiedenen Versorgungsfällen: Invalidität (Erwerbsminderung) und Altersrente. Wenn Sie die Invalidenleistung nicht fristgerecht beantragen, verlieren Sie lediglich den Anspruch auf die bAV-Leistung im Invaliditätsfall. Sobald Sie das reguläre Rentenalter erreichen und die Voraussetzungen für die Altersrente erfüllen, können Sie die bAV-Leistung als Altersrente beanspruchen – vorausgesetzt, es gibt keine gesonderte Ausschlussfrist auch für diesen Fall.


2.

Mit anderen Worten: Eine Ausschlussfrist für die Invalidenleistung schließt nicht automatisch den späteren Bezug der bAV als Altersrente aus.

Sie verlieren lediglich das Recht, die bAV-Leistung bereits im Invaliditätsfall (also während des Bezugs der EMR) zu erhalten. Mit Eintritt in die Altersrente steht Ihnen die bAV-Leistung dann wieder zu, sofern die Voraussetzungen für die Altersrente erfüllt sind und keine gesonderte Ausschlussfrist für diesen Fall besteht.


3.

Dass der Versorgungsträger zum Zeitpunkt des Altersrentenbezugs nicht weiß, dass Sie zuvor eine EMR erhalten haben, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Entscheidend ist, dass Sie dann die Voraussetzungen für die Altersrente erfüllen und den Anspruch rechtzeitig geltend machen.


4.

Zusammengefasst:

Selbst wenn eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Invalidenleistung besteht und Sie diese Frist versäumen, bleibt Ihr Anspruch auf die bAV im Rahmen der Altersrente grundsätzlich erhalten. Sie können die bAV dann mit Eintritt in die Altersrente beanspruchen.

Eine vollständige Verwirkung oder ein Ausschluss der bAV-Leistung insgesamt ist nach den üblichen Regelungen nicht zu befürchten, solange Sie die Voraussetzungen für die Altersrente erfüllen und keine gesonderte Ausschlussfrist für diesen Fall besteht.



Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt

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