Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Sachverhaltsdarstellung und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworte:
Aufenthaltserlaubnisse werden nach dem Aufenthaltsgesetz immer nur zu einem bestimmten Zweck erteilt (z. B. Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit, des Studiums, des Familiennachzugs etc.). Im Falle Ihrer Freundin ist die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs, insbesondere zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft erteilt worden. Ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung, Verlängerung oder Bestimmung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden (§ 7 Abs. 2 AufenthG
). Die Beendigung der Lebensgemeinschaft eines Ausländers mit seinem im Bundesgebiet lebenden Ehegatten hat in der Regel auch zur Folge, dass die Voraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Sinne dieser Vorschrift entfällt, da die Voraussetzungen des Familiennachzugs nicht mehr vorliegen. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist aber nicht erst dann geändert, wenn die Ehe z. B. durch Scheidungsurteil aufgelöst wird, sondern bereits dann, wenn die Ehepartner zumindest nach dem Willen eines Partners auf Dauer getrennt leben, insbesondere also die Ehescheidung anstreben.
Wesentlich im Sinne des Gesetzes ist der Wegfall einer Voraussetzung für die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs andererseits nur dann, wenn sich nicht aus anderen Gründen eine gesetzliche Möglichkeit ergibt, den Aufenthaltstitel zu verlängern. Auf Grund Ihrer Angaben ist hier insbesondere zu prüfen, ob für Ihre Freundin die Voraussetzungen für ein eigenständiges (also nicht vom Familiennachzug abhängiges) Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 3
i. V. m. § 31 AufenthG
vorliegen.
Nach § 31 Abs. 1 AufenthG
wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft die Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Ehegatten als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Von dieser Zweijahresfrist kann nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem ausländischen Ehegatten den weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik zu ermöglichen (§ 31 Abs. 2 AufenthG
). Eine besonderen Härte liegt insbesondere dann vor, wenn dem ausländischen Ehegatten wegen der sich aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder ihm das weitere Festhalten an einer ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Ob dies im Falle Ihrer Freundin zutrifft, kann anhand Ihrer Angaben nicht abschließend beurteilt werden. Für das Opfer körperlicher Gewalt innerhalb einer Ehe ist es jedoch in der Regel unzumutbar, weiter an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten.
Sollte die zuständige Ausländerbehörde - etwa auf Veranlassung des Ehemannes Ihrer Freundin - in Erwägung ziehen, geht Bestehen der Aufenthaltserlaubnis nachträglich zu verkürzen, dann müsste sie, wie oben dargelegt, im Einzelnen prüfen, ob die Voraussetzungen für eine nachträgliche Verkürzung überhaupt vorliegen. Auf jeden Fall sollte dann Ihrer Freundin, insbesondere im Falle eines Scheidungsantrags, sofort die Verlängerung ihrer noch bestehenden Aufenthaltserlaubnis beantragen, allein schon der mit die so genannte Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG
eintritt. Nach dieser Vorschrift gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend.
Für den Fall, dass die Ausländerbehörde die Befristung für die bestehende Aufenthaltserlaubnis verkürzen sollte, noch folgende kurze Hinweise:
Die nachträgliche zeitliche Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis darf nicht rückwirkend verfügt werden. Sie kann frühestens auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe festgelegt werden. Erst nach diesem Zeitpunkt beginnt die Ausreisepflicht und dementsprechend darf auch eine Abschiebungsandrohung erst nach der zeitliche Verkürzung des Aufenthaltes beginnen.
Die nachträgliche zeitliche Verkürzung der Geltungsdauer der bestehenden Aufenthaltserlaubnis bedarf der Schriftform (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AufenthG
).
Gegen die nachträgliche zeitliche Verkürzung besteht die Möglichkeit des Widerspruchs und gegebenenfalls der Anfechtungsklage zum zuständigen Verwaltungsgericht. Sowohl Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO
).
Die aufschiebende Wirkung dieser Rechtsbehelfe bewirkt zwar nicht, dass die Ausreisepflicht entfällt, sie ist jedoch nicht vollziehbar. Sollte die Ausländerbehörde die sofortige Vollziehbarkeit anordnen, müsste auch gegen diese Anordnung gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden.
Allein die Tatsache, dass Sie und Ihre Freundin nach Auflösung der bestehenden Ehe heiraten wollen, ist zumindest derzeit keine Grundlage für eine neue Aufenthaltserlaubnis. Damit Ihre Freundin auch nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem derzeitigen Ehemann in der Bundesrepublik bleiben kann, hängt also wesentlich davon ab, ob die bestehenden Aufenthaltserlaubnis zumindest gem. § 31 AufenthG
verlängert werden kann. Erst im Anschluss daran könnte Ihre Heiratsabsicht Grundlage für eine neue Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung einer Familiengemeinschaft werden, vorausgesetzt, dass die bestehende Ehe dann rechtskräftig geschieden ist.
Ich hoffe, dass ich Ihnen eine erste rechtliche Orientierung geben konnte. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine abschließende rechtliche Bewertung Ihres Problems die Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes erfordert. Im Rahmen dieses Forums können sich die Ausführungen aber nur auf Ihre Schilderungen stützen, und somit nur eine erste anwaltliche Einschätzung darstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Huber-Sierk
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