Sehr geehrter Herr S.,
eine abschließende Antwort auf Ihre Frage lässt sich, da haben die Kollegen natürlich völlig Recht, nur geben, wenn der Vertrag vorliegt und geprüft werden kann. Bei der im Rahmen einer Erstberatung möglichen Prüfung und Erläuterung ist eine erste Orientierung aber sehr wohl möglich und sicher auch eine erste Antwort auf Ihre Frage.
Beim Erbbaurecht gibt es einige Besonderheiten gegenüber dem normalen Kauf einer Immobilie zu beachten. Ein Erbbaurecht ist immer ein Erwerb auf Zeit. Sie erwerben von dem " Verkäufer " etwas, was sonst im deutschen Recht nicht geht, nämlich nur das Gebäude, nicht das Grundstück. Das Grundstück bleibt Eigentum der Stadt, des Erbbaurechtsgebers. Dem Verkäufer bezahlen Sie einen Preis für die Immobilie, das Gebäude. Zugleich müssen Sie einen Vertrag schließen, der Ihnen das Erbbaurecht überträgt. Dann können Sie später, wenn das Erbbaurecht ausläuft von dem Erbbaurechtsgeber, der Stadt, eine Entschädigung für die Übertragung des Gebäudes an den Eigentümer des Grundstücks, die Stadt, erhalten.
Dieser Vertrag, mit dem Ihnen das Erbbaurecht übertragen wird bedarf der Zustimmung der Stadt. Allerdings kann die Stadt die Zustimmung zur Übertragung des Erbbaurechts auf Sie nur unter engen Grenzen verweigern. Zum Beispiel ist manchmal der Personenkreis, dem ein Erbbaurecht übertragen werden darf, beschränkt. (Personen mit niedrigem Einkommen, junge Familien usw.)
Eine Zustimmung zur Übertragung kann von einer Erhöhung des Erbbauzinses nicht abhängig gemacht werden. Sie übernehmen grundsätzlich den Vertrag so, wie er mit dem Vorgänger geschlossen worden ist. Damit übernehmen Sie auch die Regelungen, die für eine mögliche Erhöhung des Erbbauzinses gelten. Diese Regelungen aus dem Vertrag müssen natürlich geprüft werden, um feststellen zu können, ob die Stadt zum Beispiel jetzt ein in der Vergangenheit vergessenes Erhöhungsverlangen geltend machen kann.
Allerdings ist bei Erbbaurechten die für Wohnzwecke bestellt worden sind vom Gesetz her eine Grenze für die Erhöhung vorgesehen. § 9a
Erbbaurechtsgesetz begrenzt die Möglichkeiten der Erhöhung auf die seit Vertragsabschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, letztlich also die Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Nicht berücksichtigt werden kann in diesen Fällen in denen es um Wohngebäude geht eine Entwicklung der Grundstückspreise. Alle drei Jahre darf erhöht werden.
Antwort
vonRechtsanwalt Jörg Klepsch
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Rechtsanwalt Jörg Klepsch
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Familienrecht
Vielen Dank für die Antwort.
Nun ist es ja so, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse im Laufe der letzten 50 Jahre schon beträchtlich verändert haben. Vor zwei Jahren hat die Stadt den Erbpachtzins auf 111 EUR/Jahr erhöht. Natürlich ist dieser Erbpachtzins verglichen mit anderen Grunstücken in der Gegend immernoch extrem niedrig nicht mehr zeitgemäß.
Heißt das auch, dass nach dieser Erhöhung nicht noch einmal mit der Begründung "Ändernug der wirtschaftlichen Verhältnisse in den vergangenen 50 Jahren" erhöht werden darf? Wie sieht es aus, wenn die Stadt keine Begründung für die Erhöhung genannt hat?
Vielen Dank & beste Grüße,
Sehr geehrter Herr S.,
Maßgeblich ist zunächst einmal, was in dem Vertrag den Sie übernehmen wollen und müssen, bezüglich der Möglichkeiten, den Erbbauzins zu erhöhen, vereinbart ist. Die darin getroffene Regelung ist Ausgangspunkt für alle Betrachtungen.
Begrenzt wird dies dadurch, dass der Gesetzgeber vorgesehen hat, dass bei einer Wohnbebauung die Entwicklung der Bodenrichtwerte nicht Maßstab für das Erhöhungsverlangen sein darf. (§ 9a
Erbbaurechtsgesetz) Begrenzt wird die Möglichkeit, den Erbbauzins zu erhöhen zusätzlich dadurch, dass die Erhöhung nicht über die Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten hinausgehen darf. Dazu muss auf die Indexwerte des Statistischen Bundesamtes zurückgegriffen werden.
Was also in der Umgebung bezahlt wird, ist nicht Maßstab. Schließlich kann im Rahmen der Vertragsfreiheit jeder einen anderen Preis aushandeln. Außerdem sind die Verträge möglicherweise zu unterschiedlichen Zeiten geschlossen und haben daher unterschiedliche Ausgangswerte, zum Beispiel auch bei den Bodenrichtwerten.
Welche Begründung die Stadt gegeben hat für ein Erhöhungsverlangen, ist uninteressant. Ob das Verlangen auf Erhöhung rechtmäßig war ergibt sich aus dem Vertrag bzw. den oben genannten Begrenzungen. Sie werden den Vertrag mit dem Erbbauzins übernehmen, wie er heute vorhanden ist. Für spätere Erhöhungsverlangen wird immer auf den Vergleich zwischen dem ursprünglichen Erbbauzins und dem ursprünglichen Preisniveau in Relation zu dem heutigen Niveau der Lebenshaltungskosten abzustellen sein. Höhere Steigerungsraten sind nicht zulässig. Eine vorgenommene Anpassung/Erhöhung wird sozusagen auf die Betrachtung "Entwicklung der Lebenshaltungskosten" angerechnet. Mehr als die Entwicklung der Lebenshaltungskosten kann nicht verlangt werden, wenn der Vertrag eine andere (günstigere) Regelung enthält, gilt diese. Wenn die Erhöhung vor zwei Jahren noch nicht die relative Entwicklung der Lebenshaltungskosten erreicht hat, darf erneut eine Anpassung verlangt werden, aber erst in einem Jahr.