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Gratifikation und Freiwilligkeitsvorbehalt

13. Januar 2010 20:01 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von


21:47

Guten Tag!
Ich bin seit 1.01.2009 (1 Jahr) als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem KMU von 9 (bald 10-11) Vollzeitmitarbeitern beschäftigt. Es wurde ein hoher variabler Gehaltsbestandteil vereinbart lt. Vertrag:
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1. „Der Angestellte erhält als Vergütung ein monatliches Gehalt von xxxx Euro brutto. Das Jahresgehalt wird zwölfmal jährlich unter Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge am Ende jeden Kalendermonats gezahlt.
Die Zahlung von etwaigen Sondervergütungen (Gratifikationen, Urlaubsgeld, Prämien) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.“

2. „Mit dem Angestellten wird ein variabler Gehaltsbestandteil (Gratifikation)vereinbart. Dieser wird zweimal jährlich im Zusammenhang mit einer im Einzelnen zu treffenden Zielvereinbarung festgelegt und bei 100 prozentiger Zielerreichung mit der Zahlung von jeweils einem weiteren monatlichen Gehalt, wie in 1. festgelegt vergütet.“

3. „Darüber hinaus nimmt der Angestellte einem (sic!) Bonussystem teil, das an die Unternehmensentwicklung gekoppelt ist“
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Es steht jedoch im Raum, dass mit Verweis auf die wirtschaftliche Situation für letztes Jahr keine Gratifikation nach Absatz 2 an die MA ausgezahlt wird. Dabei gibt es 2010 sogar Neueinstellungen. Obwohl es Sache des Arbeitgebers ist, kam es zu keiner Leistungsvereinbarung. Es ist also m.E. von 100% Leistung auszugehen, die ich auch erbracht habe.

1) Ist der Freiwilligkeitsvorbehalt in Abs. 1 in diesem Fall wirklich uneingeschränkt gültig und ich habe überhaupt keinen Anspruch auf die Gratifikation?
2) Verstoßen die Formulierungen im Vetrag u.U. gegen das Transparenzgebot?
3) Würde es sich im Zweifelsfall lohnen, die leistungsbezogene Gratifikation einzuklagen?
4) Kann ich zur Wahrung des Betriebsfriedens mit Protest und Klage auch 1 Jahr oder länger warten?
5) Ihr persönlicher Rat?

13. Januar 2010 | 20:54

Antwort

von


(1230)
Golmsdorfer Str. 11
07749 Jena
Tel: 036412692037
Web: https://www.jena-rechtsberatung.de
E-Mail:

Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),

die von Ihnen gestellten Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung des geschilderten Sachverhaltes sowie Ihres Einsatzes wie folgt:


1) Ist der Freiwilligkeitsvorbehalt in Abs. 1 in diesem Fall wirklich uneingeschränkt gültig und ich habe überhaupt keinen Anspruch auf die Gratifikation?

Ja, der Freiwilligkeitsvorbehalt in Punkt 1 Absatz 2 ist wirksam.

Der Arbeitgeber kann sich vorbehalten, ob er solche Gratifikationen zahlt oder nicht.

Hier behält sich der Arbeitgeber ausdrücklich vor, solche Zahlungen freiwillig zu leisten.


2) Verstoßen die Formulierungen im Vetrag u.U. gegen das Transparenzgebot?

Die Punkte 2 und 3 sind nicht eindeutig formuliert. Hier wird für den Arbeitnehmer nicht klar, in welcher Höhe der variable Gehaltsbestandteil und auch die Bonuszahlung bestehen.

Wird die Teilnahme an einem Bonussystem vertraglich zugesagt, so können nicht gleichzeitig Freiwilligkeits- und Stichtagsklauseln Anwendung finden; diese sind wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.

Hier ist aber kein Freiwilligkeitsvorbehalt eingeräumt. Lediglich die genaue Höhe der Zahlungen ist nicht eindeutig gerklärt.

Der Arbeitgeber kann bei Sonderzahlungen - anders als bei laufendem Arbeitsentgelt - grundsätzlich einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung für künftige Bezugszeiträume ausschließen. Er kann sich die Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er künftig Sonderzahlungen gewährt. Der Vorbehalt ist auch dann wirksam, wenn der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich honoriert. Der Arbeitgeber muss auch nicht jede einzelne Sonderzahlung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbinden. Es genügt ein entsprechender Hinweis im Arbeitsvertrag, dass sämtliche Sonderzahlungen dem Freiwilligkeitsvorbehalt unterliegen.

Ein solcher Hinweis muss allerdings dem gesetzlichen Transparenzgebot gerecht werden, das heißt, er muss deutlich und unmissverständlich sein. Dies trifft aber nicht zu, wenn - wie im vorliegenden Fall - im Arbeitsvertrag ein Weihnachtsgeld ausdrücklich zugesagt wird, an einer anderen Stelle des Formularvertrags jedoch geregelt ist, dass ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation nicht besteht und dass dies eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers darstellt. Derartige Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Das Bundesarbeitsgericht sprach dem klagenden Arbeitnehmer daher einen Anspruch auf Zahlung der Gratifikation zu.


3) Würde es sich im Zweifelsfall lohnen, die leistungsbezogene Gratifikation einzuklagen?

Nach Nr. 1 besteht kein Rechtsanspruch.

Nach Nr. 2 und 3 besteht ein Anspruch auf Zahlung dieser Sonderzahlungen. Diese sind notfalls auch einklagbar.


4) Kann ich zur Wahrung des Betriebsfriedens mit Protest und Klage auch 1 Jahr oder länger warten?

Sie können abwarten, ob die Zahlungen erfolgen oder nicht und dann notfalls auch später klagen.

Hier kommt es aber darauf an, ob im Arbeitsvertrag Ausschlussklauseln für gegenseitige Ansprüche gegeben sind. Dann müsste die Klage innerhalb dieser Frist erfolgen und nicht erst 1 Jahr später.


5) Ihr persönlicher Rat?
Sie sollten zunächst die Zahlungen nach Nr. 2 und 3 einfordern. Erfolgt eine Zahlung nicht kann ein Anwalt mit der Forderungseintreibung beauftragt werden. Dann muss im Zweifel auch über eine klageweise Geltendmachung beraten werden.


Rechtsanwalt Steffan Schwerin

Rückfrage vom Fragesteller 13. Januar 2010 | 21:33

Hallo, Herr Schwerin! Danke für die ausführliche und kompetente Beantwortung! Gestatten Sie mir bitte eine kurze Nachfrage zur korrekten Deutung Ihrer Analyse:

Würden Sie denn ohne Weiteres ausschließen, dass Punkt1, Abs.2 auch auf Punkt 2 und 3 Anwendung findet? Dann würden mir die Ansprüche aus 2 und 3, die Sie bejaht haben, nichts nützen.

Es wird ja im ersten Punkt (Abs2) ausdrücklich die Freiwilligkeit aller Arten von Gratifikationen betont - um dann im nächsten Punkt von einem "variablen Gehaltsbestandteil (Gratifikation)" zu sprechen.
Ich meine gehört zu haben, das der Arbeitgeber die Freiwilligkeit pauschal für eine Reihe von Sonderzahlungen betonen kann und dies nicht jedes Mal extra erwähnen muss.

Ich würde Sie bitten, das beschriebene und von mir befürchtete Zusammenspiel der Punkte aus juristischer Sicht kurz zu kommentieren. Danke!

Zur Information: die Punkte befanden sich nummeriert unter "§3 Bezüge". Danach kam der nächste Paragraph zu einem anderen Thema.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 13. Januar 2010 | 21:47

Sehr geehrter Fragesteller,

gern beantworte ich Ihre Nachfrage wie folgt:

Bei § 3 Nr. 1 handelt es sich um die Regelung zu den Sonderzahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Bei § 3 Nr. 2 handelt es sich um die Regelung zum variablen Gehaltsbestandteil. Hierbei handelt es sich um einen leistungsorientierten Bonus, der davon abhängt, ob der Mitarbeite / Arbeitnehmer seine Ziele erreicht. Es müssen dazu aber entsprechende Zielvereinbarungen getroffen werden.

Bei § 3 Nr. 3 handelt es sich um eine weitere Regelung zu Bonuszahlungen. Inwieweit hier Zahlungen erfolgen sollen, ist nicht geregelt. Es wird dazu sicher eine separate Vereinbarung geben.

Nr. 1 ist freiwillig und muss nur bezahlt werden, wenn es der Arbeitgeber will; deshalb der Freiwilligkeitsvorbehalt.

Nr. 2 und 3 sind zu zahlen. Dazu liegt kein Freiwilligkeitsvorbehalt vor.

Punkt 1 Absatz 2 gilt nicht für Nr. 2 und 3. So jedenfalls würde ich den Vertrag auslegen. Der Arbeitgeber kann auch etwas anderes gemeint haben.

Wenn es für Sie besser ist, dass sich Nr. 1 Absatz 2 auch auf Nr. 2 und Nr. 3 bezieht, kann das auch so ausgelegt werden. Verträge, die nicht eindeutig sind, müssen ausgelegt werden.

Sie können sich hier die Argumentation, ob Nr. 1 Absatz 2 auch für Nr. 2 und 3 gilt, auslegen, wie Sie es für besser halten. Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass es ggf. anders gemeint war.

Gern können Sie mir per Email noch mal eine Verständnisnachfrage stellen und mich darüber informieren, welcher Weg für Sie der bessere ist. Dann kann ich die Argumentation in die entsprechende Richtung lenken.

Mit freundlichen Grüßen


Steffan Schwerin
Rechtsanwalt

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