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Gleichbehandlung absolut oder unter Berücksichtigung individueller Unterschiede

| 27. März 2015 12:36 |
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Steuerrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Sebastian Baur

Was bedeutet "Gleichbehandlung"?
mein Nachbar (oder sonstwer) und ich werden in jedem Falle gleich behandelt (Behandlung ABSOLUT, ohne Differenzierung),
oder
mein Nachbar und ich werden gleich behandelt unter Berücksichtigung individueller Unterschiede (Behandlung RELATIV gleich, bezogen auf die gegebenen Randbedingungen).

Rechtslage:
In Deutschland ansässige Eltern, die ihr Kind in Deutschland (oder EU/EWR) auf eine Privatschule schicken, die gewisse Qualitätsanforderungen erfüllt, können 30% des Schulgelds, max. 5000 €/Jahr als Sonderausgaben absetzen,

wenn die gleichen Eltern ihr Kind auf eine gleich qualifizierte Privatschule in der Schweiz schicken, geht das nicht, weil die Schweiz nicht in EU/EWR ist und dortige Dienstleistungen nicht steuerbegünstigt sind (BFH X R 3/11 ).

Mein Fall:
Ich habe fast 40 Jahre in der Schweiz gelebt, meine Töchter (30, 24) sind dort geboren, aufgewachsen und wollen dort auch bleiben, weil sie dort ihr soziales Umfeld haben. Seit 2012 lebe ich von meiner Frau getrennt und seit Anfang 2013 wieder in Deutschland. Es geht um meine Einkommenssteuer 2013.

Seit September 2012 besucht die jüngere Tochter eine "Höhere Fachschule" im medizinischen Bereich in Zürich, die von verschiedenen züricher Spitälern und Institutionen im Gesundheitsbereich privatrechtlich organisiert und als gemeinsame Ausbildungsstätte für den Berufs-Nachwuchs getragen wird. Die Schule bezeichnet sich als gemeinnützige AG - keine gewinnorientierte Privatschule. Wie in der Schweiz allgemein üblich, kostet jede Schule Schulgeld, selbst die Primarschulen. Meist merken die Eltern das aber nicht, weil das von den Wohngemeinden oder -kantonen direkt übernommen wird.

So ist es nicht bei der Schule meiner Tochter. Da sie im Aargau wohnt und der Kanton mit dieser Schule keinen entsprechenden Vertrag hat, musste ich mich vor Beginn der Ausbildung (als ich noch in CH wohnte) verpflichten, das Schulgeld zu übernehmen. Die Schule ist von keiner deutschen Behörde, aber Ausbildung, Abschluss und Titel sind vom Berner "Bundesamt für Berufsbildung und Technologie" (BBT) anerkannt bzw. geschützt.

Daher: RELATIV zu meinen und meiner Tochter Lebensumstände ist der Besuch dieser Schule steuerlich gleich zu behandeln wie der einer in Deutschland oder EU/EWR gelegenen Privatschule für dauerhaft in Deutschland ansässige Familien. (?)

Sehr geehrter Fragesteller,

danke für Ihre Anfrage, die leider etwas unklar lässt, worum konkret es Ihnen geht.

Ich interpretiere Ihr Ansinnen wie folgt: Sie möchten wissen, ob Sie aus Gründen der Gleichbehandlung (Art.3 GG etc) steuerlich zum Sonderausgabenabzug Ihrer Ausgaben für die Ausbildung Ihrer Tochter berechtigt sein müssten, da dieser Sonderausgabenabzug für in Deutschland lebende Steuerpflichtige grundsätzlich möglich ist, wenn sie ihre Kinder auf deutsche Privatschulen schicken.

Vorangestellt möchten Sie noch wissen, was "Gleichbehandlung" im Sinne des Grundgesetzes bedeutet, diese "absolut" oder "relativ" gilt.

Zu Ersterem:

Der allgemeine Gleichheitssatz verpflichtet die öffentliche Gewalt, vergleichbare Fälle gleich zu behandeln. „Gleiche Fälle sollen gleiche Regeln treffen" (Konrad Hesse) oder: „wesentlich Gleiches sei rechtlich gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend rechtlich ungleich zu behandeln" Bundesverfassungsgericht.

Ob ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegt, wird grundsätzlich in zwei Schritten geprüft:


1. Zunächst ist festzustellen, ob bei einem bestimmten Sachverhalt durch denselben Träger der öffentlichen Gewalt zwei miteinander vergleichbare Fälle ungleich (bzw. gleich) behandelt worden sind.
2. Dann ist danach zu fragen, wie diese (Un-) Gleichbehandlung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist.

Daraus folgt: eine absolute Gleichbehandlung gibt es nicht. Selbst wenn aber aufgrund vergleichbarer Grundsachverhalte eine Ungleichbehandlung erfolgt ist, kann diese verfassungsrechtlich geboten sein.

Zu Ihrem Fall:

Zunächst ist zu sagen, dass das deutsche Steuerrecht für Sie gilt, wenn sie in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Ihre Nationalität hat damit nicht zu tun.

Darüber hinaus sieht § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG

(nachzulesen hier: http://www.gesetze-im-internet.de/estg/__10.html),

in dem der Sonderausgabenabzug geregelt ist, differenzierte Voraussetzungen vor, wann bei Privatschulenbesuch der Steuerabzug möglich ist.

Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschrift verfassungswidrig sein könnte, habe ich keine. Es obliegt grundsätzlich dem nationalen Steuergesetzgeber, seine Steuergesetzgebung eigenständig zu regeln. Ihm steht hier ein gewisser Gestaltungsspielraum zu, der allerdings selbstverständlich durch die Verfassung und EU-Recht begrenzt ist.

Dass insoweit § 10 Abs.1 Nr. 9 verfassungsgemäß ist und auch nicht gegen internationales Recht verstößt, wurde in dem von Ihnen zitierten Urteil ausführlich dargelegt und ist damit nahezu höchstrichtlich entscheiden.

Das Urteil finden Sie hier:

http://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=pm&Datum=2012&nr=26159&linked=urt

Die Frage, ob Ihnen ein Steuerabzug zusteht oder nicht, richtet sich damit alleine danach, ob die Voraussetzungen des § 10 EStG vorliegen. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz alleine oder aufgrund
Ihres konkreten Lebenssituation kann Ihnen ein Anspruch, stark vereinfacht ausgedrückt, nicht zustehen.

Ich hoffe, Ihre sehr komplexe Frage einigermaßen verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Bewertung des Fragestellers 29. März 2015 | 17:13

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