Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Nach § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB
entfällt eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, wenn dem Arbeitnehmer die Leistung unzumutbar ist (vgl. BAG 9, 179
, 182 = AP Nr. 23 zu § 616 BGB, zu 2 b der Gründe). Das kann auch bei einem Arztbesuch der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann. In diesen Fällen ist der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert (BAG, Urteil vom 29.02.1984 - Aktenzeichen: 5 AZR 92/82
).
Wenn der Arbeitnehmer regelmäßig - etwa einmal wöchentlich - gegen eine chronische Erkrankung in einer Arztpraxis behandelt werden muss, liegt Arbeitsunfägigkeit im Sinne von § 1
Entgeltfortzahlungsgesetz auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht bei den einzelnen Sitzungen arbeitsunfähig ist, der Zustand der Arbeitsunfähigkeit jedoch in absehbarer Zeit einzutreten droht, wenn ein Behandeln der Krankheit unterbleibt (BAG, Urteil vom 09.01.1985 -
Aktenzeichen: 5 AZR 415/82
).
Wenn eines der vorgenannten Kriterien zutrifft - Behandlung außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich bzw. Therapeut nimmt keine Rücksicht auf Ihre Terminwünsche, oder Unterbleiben der Therapie droht sich in absehbarer Zeit bis zur Arbeitsunfähigkeit zu verschlimmern - haben Sie gegen Ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Arbeitszeit, um an den Therpiestunden teilnehmen zu können.
Sie sollten aber auch bedenken, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen während der ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses ohne Angabe von Gründen kündigen kann. Es könnte dann passieren, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen zwar zur Teilnahme an den Therapiestunden freigeben muss, er aber von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht. Sie müssen dann abwägen, was für Sie wichtiger ist. Zumindest sollten Sie, falls möglich, von Ihrem Freistellungsanspruch in den ersten sechs Monaten nur sparsamen Gebrauch machen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Neumann, Rechtsanwalt
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