Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ich gehe davon aus, dass Ihr Sohn Leistungen zur Teilhabe an Bildung nach § 75 und §§ 90 ff. des Sozialgesetzbuches IX (SGB IX) erhält; die Vorschriften haben den früheren § 53 des Sozialgesetzbuches XII (SGB XII) zur Eingliederungshilfe insoweit seit Anfang des Jahres abgelöst.
Für den Einsatz von Einkommen (= Erbfall im laufenden Hilfebezug als einmalige Einnahme) gelten dann die Vorschriften der §§ 135
ff. SGB IX, die bezüglich einer Anrechnung sehr differenzierte Regelungen aufweisen. Der Einsatz von Erträgnissen aus einem Nachlass und von Nachlasswerten selbst ist in Rechtsprechung und rechtswissenschaftlicher Literatur recht umstritten. Zu unterscheiden ist auch danach, ob Ihr Sohn Geld oder Sachleistungen bekommt: Mit der Zahlung von Geld stehen Ihrem Sohn sog. bereite Mittel zur Verfügung, die nach Absetzung von Freibeträgen anzurechnen sind (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. November 2014 – L 15 AS 457/12
–, juris, Rz. 28 ff.). Zwar ist die Anrechnung des Wertes von Sachleistungen (Eigengeschenke) auch nicht ganz unumstritten, doch dürften sich hieraus kaum für den Leistungsträger fassbare Anrechnungsbeträge ergeben.
Genauer kann ich auf Anrechnungsbeträge etc. eingehen, wenn Sie mir die aktuelle Rechtsgrundlage der Leistung(en) gemäß dem neuen SGB IX mitteilen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonNotar und Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Bertha-von-Suttner-Straße 9
37085 Göttingen
Tel: 0551 70728-16
Web: https://rkm-goettingen.de/gero-geisslreiter-verwaltungsrecht
E-Mail:
Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Es tut mir leid, aber Ihre Antwort kann ich nicht einordnen. Mein Sohn erhält eine Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII. Nachdem seine Mutter verstorben ist, bekam er jetzt eine neue Bewilligung über die Fortzahlung der Sozialhilfe. In dem Dokument steht unter Mitwirkungspflicht: "Alle Zuflüsse in Geld und Geldeswert aus dem Testament Ihrer Mutter sind im Rahmen des SGB XII anzurechnen. Bitte teilen Sie dem Landratsamt jegliche Form von Einkommen mit."
Wie gesagt hat seine Mutter ein Behindertentestament aufgesetzt und der Sohn ist nur Vorerbe. Nach der Mitwirkungspflicht müsste der Sohn nun ALLE Zuwendungen, die er aus dem Testament von dem Verwalter des Testaments zugesprochen bekommt, dem Amt anzeigen und seine Sozialhilfe würde jeweils um den Betrag gekürzt. Mein Frage war nun einmal ob dieses Vorgehen des Amtes überhaupt korrekt ist und zum zweiten, es müsste doch zumindest Freibeträge geben, die man meinen Sohn in Form von Geld oder Sachleistung zukommen lassen können müsste ohne Kürzung der Leistung. Und in diesem Zusammenhang wollte ich wissen, wie hoch evtl. Freibeträge sind.
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für die wichtigen Informationen. Der Hinweis auf die Lernbehinderung hatte in eine ganz andere Richtung gedeutet.
Für den Einsatz von Einkommen gelten §§ 82
- 84 SGB XII
. Grundsätzlich mindert jede Zahlung des Testamentsvollstreckers den Bedarf Ihres Sohnes, so dass sie auf den monatlichen Leistungsanspruch anzurechnen ist. Es kommt also darauf an, ob es einen Schontatbestand im Gesetz gibt. Eine ausdrückliche Vorschrift gibt es hier aber leider nicht! Zum einen kann gegenüber dem Sozialamt argumentiert werden, dass manche erbrechtlichen Zuwendungen gar nicht den im Regelbedarf enthaltenen Bedarf abdecken und andere nur mit dem im Regelbedarf enthaltenen Wert berücksichtigt werden dürfen (Ruby/Schindler, Das Behindertentestament, 3. Auflage 2018, E. Einkommen, Rn. 38). Zum anderen könnte man § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII
als generelle Härteklausel für alle Einkommensarten heranziehen (vgl. Ruby/Schindler, a.a.O., Rn. 39).
Der Testamentsvollstrecker sollte also mit dem Sozialamt vor diesem Hintergrund das Gespräch suchen, was nach Auffassung des Sozialamtes ohne Anrechnung zugewandt werden kann.
Zu den einzelnen Fragen:
Das Sozialamt vertritt eine Maximalposition. Jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, wenn jede Zuwendung gemeldet werden soll als potentiell anzurechnende Zuwendung. Nach dem Grundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII
ist nämlich grundsätzlich jedes Einkommen einzusetzen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Ausdrückliche Freibeträge gibt es hierbei nicht. Insoweit ist die Rechtsauffassung des Sozialamtes nicht falsch.
Es liegt, wie gesagt, auch Einkommen vor, wenn die Erblasserin starb, als Ihr Sohn bereits Sozialhilfe bezog. Deswegen greift auch kein "Schonvermögen" ein.
Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt