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Fahrtzeiten und Arbeitszeiten

| 12. Februar 2016 11:03 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von


14:53

Guten Tag!

Im März 2014 begann ich ein 40h-Arbeitsverhältnis für eine Inhouse-Position bei einem IT-Dienstleister. Im Juni 2014 ergab sich erstmalig die Möglichkeit, für 3T/W (8h/T) in ein längerfristiges Aussendienstprojekt zu wechseln, das bis zum heutigen Tage läuft.

Da mein AG für diesen Einsatz keinen Firmenwagen stellen konnte oder wollte, fahre ich die Strecke für dieses Projekt mit meinem Privatwagen. Der Hinweg beträgt ca. 60km, für den ich durchschnittlich 55 Minuten brauche. Seit Beginn des Projektes verfahre ich so, dass ich Fahrtenbuch über die gefahrenen Kilometer führe, aber auch die aufgewendete Zeit dafür notiere. Da ich auf dem Rückweg regelmäßig private Umwege fahre, führe ich die Zeit für den Rückweg pauschal mit 45 Minuten auf. Dies entspricht realistisch der Dauer der Rückfahrt ohne Umwege.

Mein AV regelt die Fahrtzeit wie folgt: "Fahrtzeiten zum Kunden sind keine Arbeitszeiten, soweit sie nicht länger als 1 Stunde dauern."

Dies habe ich Anfangs zu meinen Gunsten ausgelegt, da, nach der Negativierung der beiden Nebensätze, der Eindruck entstand, dass ich bei beispielsweise 65 Minuten Fahrtzeit, auch 65 Minuten Arbeitszeit in die Zeiterfassung eintragen darf.

Nach einigen Wochen fiel meinem Arbeitgeber diese wohl falsch ausgelegte Regelung auf und stellte klar, dass bei 65 Minuten Fahrzeit, die Arbeitszeit lediglich 5 Minuten beträgt. Dies akzeptierte ich zähneknirschend, um das Vertrauensverhältnis zu meinen Arbeitgeber nicht zu gefährden.

Seit dem schrumpft mein Stundenkonto immer weiter. Im Durchschnitt bedeutet das, dass ich wöchentlich ca. 4:45h Reise, von denen ich 0:43h bezahlt bekomme (Im Monat: 20:43h, davon 3:07h bezahlt).

Durch die vielen Kilometer (ca. 16.300km/Jahr), die ich selbstredend entschädigt bekomme, aber auch den entgangenen Lohn (ca. 5000€/Jahr), der mir durch diese Regelung fehlt, sehe ich mich benachteiligt, da mein Arbeitgeber darauf verharrt, dass ich einen Inhouse-AV unterzeichnet habe und diese "1h-Regelung" dort nunmal fest verankert ist. Jeder Versuch eine gütliche Einigung zu erzielen, hat unser Vertrauensverhältnis nur weiter verschlechtert.

Meine Fragen lauten konkret:

Muss ich die o.g. Vertragsklausel hinnehmen, unter dem Aspekt, dass sie für mich (subjektiv) irreführend war?

Muss ich die o.g. Vertragsklausel generell hinnehmen, unter dem Aspekt, dass von mir verlangt wird, dass ich mit meinem Privatauto fahre?

Welche Handlungsmöglichkeiten ergeben sich für mich, um keinen weiteren wirtschaftlichen Nachteil zu erleiden?

12. Februar 2016 | 12:24

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:


Ihr Fall wirft einen oftmals diskutiertes Problem in mehreren Facetten auf, wobei folgender Grundsatz zunächst gilt, dass Dienstreisen oder Reisen vom Wohnort zum Arbeitsort zunächst nicht als Arbeitszeit gelten.
In Ihrem Fall ist es allerdings so, dass der Arbeitgeber hier von Ihrem Arbeitsort zu einem anderen Arbeitsort eine Anordnung getroffen hat, so wie ich den Sachverhalt verstehe, dass Sie an diesem anderen Arbeitsort ein Außenprojekt betreuen.
In diesem Fall unterliegen Sie einerseits der Weisung des Arbeitgebers und andererseits stellt sich hier die Angelegenheit nicht als Dienstreise, sondern als Wegezeit innerhalb des Arbeitsverhältnisses dar, die grundsätzlich Arbeitszeit ist. Sie würde sich dann auch nicht nur sozialversicherungsrechtlich sondern auch als arbeitsrechtlich grundsätzlich als Arbeitszeit darstellen.
Fahrten bei einem außerhalb des Betriebes des Arbeitgebers liegenden Arbeitsplatz sind unter Abzug der gewöhnlich für die Fahrt zum Betrieb benötigten Zeit, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz unmittelbar von seiner Wohnung aus aufsucht, regelmäßig als Arbeitszeit zu vergüten, soweit keine gegenteilige tarif- oder einzelvertragliche Regelung besteht (BAG 15.3.1989 EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 49). Insofern wäre erst recht die Zeit vom Arbeitsplatz zu einem Außenprojekt auch Arbeitszeit.
Dies würde dann der Klausel bereits widersprechen, die ja bereits die Anerkennung als Arbeitszeit ausschließt, so dass hier durchaus von einer Arbeitszeit ausgegangen werden könnte.
Der EuGH hat in einer Entscheidung aus dem September 2015 sogar entschieden, dass, sofern kein besonderer Arbeitsort feststeht, der Arbeitnehmer sogar die Fahrt zwischen Wohnort und wechselnden Arbeitsorten als Arbeitszeit anerkennen lassen kann.
Das reine Fahren wird aber gemeinhin auch dann als Arbeit betrachtet, wenn der Beschäftigte mit dem eigenen Auto beziehungsweise einem Firmenfahrzeug anreist.
Fraglich ist, ob die Arbeitszeit vergütungspflichtig ist. Da hier wohl keine konkrete Regelung getroffen worden ist, kann man auch von einer Vergütungspflicht ausgehen, die gegebenenfalls im Rahmen des Arbeitsvertrages anzupassen wäre und sich durchaus auch auf ihren normalen Stundenlohn beziehen kann.
In der Klausel findet sich zudem, ich kenne den weiteren Arbeitsvertrag leider nicht, dass kein Firmenwagen gestellt wird. Sofern es bereits üblich ist, dass sie ihr Privatauto verwenden und sie dafür eine Entschädigung erhalten, so könnte dies hier als eine Art betriebliche Übung gelten.
Grundsätzlich ist allerdings der Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass Sie gegebenenfalls auch auswärtige Termine wahrnehmen können. Hier fehlt es gegebenenfalls einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung hinsichtlich eines Firmenwagen oder auch der Nutzung eines Privatwagens.
Sie sollten für den Fall, dass ein Festhalten am Arbeitsverhältnis beabsichtigt wird, mit dem Arbeitgeber hier über diese Punkte sprechen und insbesondere darstellen, dass die Regelung möglicherweise nicht der Rechtslage entspricht, dass zwischen Betriebsstätte und einem Außenprojekt, das wie ein Kunde gesehen werden kann, die Arbeitszeit einfach ausgeschlossen werden kann.

Hier werden Sie bereits für den Arbeitgeber tätig und auch auf seine Weisung hin, so dass hier meines Erachtens eher mehr für die Arbeitszeit spricht als dagegen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Christian Joachim

Rückfrage vom Fragesteller 12. Februar 2016 | 13:48

Sehr geehrter RA Joachim,

vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich habe noch eine Frage zu meinen Handlungsmöglichkeiten, in Bezug auf das Abwehren etwaiger wirtschaftlicher Nachteile.
Wie stelle ich für den Fall, dass ich am Arbeitsverhältnis mittelfristig nicht festhalten möchte sicher, dass die Ansprüche aus dem vorliegenden Sachverhalt seit Beginn des Umstandes nicht untergehen?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 12. Februar 2016 | 14:53

vielen Dank für ihre positive Bewertung.

Sie könnten hier gegebenenfalls die Versprechen Arbeitszeit vor dem Arbeitsgericht geltend machen, wenn es keine einvernehmliche Einigung gibt. Es wäre dann zu überlegen, ob hier der normale Arbeitslohn gezahlt wird oder ob eine entsprechende Anpassung der Vergütung angebracht wäre, da keine besondere Regelung im Vertrag zu finden ist. Grundsätzlich wäre allerdings zunächst die normale Vergütung eher einzusetzen.

Ansprüche auf Arbeitslohn verjähren grundsätzlich innerhalb von drei Jahren. Sie sollten, falls es zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt, dann allerdings gegebenenfalls auf mögliche Verfallsklauseln im Arbeitsvertrag achten.

Viele Grüße

Bewertung des Fragestellers 12. Februar 2016 | 13:55

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5/5,0

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