Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Frage 1:
Fahrlässigkeit als solche ist kein Straftatbestand, der zur Anzeige gebracht werden kann. Fahrlässigkeit ist lediglich eine Schuldform, mit der Straftaten begangen werden.
Betrug setzt eine vorsätzliche Begehung voraus, dh. der Täter muss den Betrug zum Zeitpunkt der Tathandlung gewollt haben.
Dieser Vorsatz muss sich auf folgende Tatbestandsmerkmale beziehen:
- Täuschung des Vertragspartners
- hierdurch Erregung eines entsprechenden Irrtums beim Vertragspartner
- Vertragspartner wird hierdurch zu einer Vermögensverfügung veranlasst, z.B. Bezahlung einer unbegründeten Rechnung
- dies muss zu einem Vermögensschaden führen.
Der Vorsatz des Täters muss sich bereits zum Zeitpunkt der Tathandlung, also der Täuschung, auf alle genannten Tatbestandsmerkmale beziehen. Ein Beispiel:
Jemand bestellt im Restaurant Speisen und Getränke, täuscht dadurch Zahlungsbereitschaft gegenüber dem Personal vor, das ihm deshalb bedient. Hierdurch erleidet der Wirt einen Schaden durch die nichtbezahlte Zeche.
Als Betrug ist dies nur dann strafbar, wenn der Täter von Anfang an - also schon bei der Bestellung - beabsichtigte, die Zeche nicht zu bezahlen. Wenn er den Vorsatz der Nichtzahlung erst später (also nach der Bestellung) fasst, liegt keine Täuschung des Personals vor und somit auch kein Betrug.
Die Schwierigkeit, einen Betrug nachzuweisen, liegt darin, dem Täter nachzuweisen, dass er von Anfang an mit Vorsatz handelte. Deswegen werden viele Betrugsverfahren eingestellt.
Genauso liegt es hier:
Mangelnde Bauüberwachung und vorschriftswidrig eingebaute Gasleitungen können auch auf Inkompetenz und Überlastung des Architekten beruhen, ohne dass der Architekt hier vorsätzlich handelte. Vorsatz würde hier den Nachweis erfordern, dass der Architekt schon bei seiner Beauftragung beabsichtigte, die Bauüberwachung nicht ordnungsgemäß auszuführen. Bloße berufliche Unfähigkeit, die dem Betroffenen aber nicht bewusst ist, ist nicht als Betrug strafbar.
Bei den nicht abgerechneten Leistungen könnte der Architekt ins Feld führen, er habe sich einfach nur bei der Rechnungstellung geirrt bzw. vertan und dies nicht bemerkt. Auch hier dürfte ein Betrugsnachweis kein "Selbstläufer" sein.
Frage 2
Die Schadensersatzklage ist rechtlich unabhängig. Es gibt keinen Einfluss durch das Strafverfahren.
Frage 3
Die Verjährung der Honorarforderung des Architekten beginnt nach Paragraph 15 Abs. 1 HOAI erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem eine prüffähige Rechnungsstellung erfolgte. Verjährung tritt dann nach 3 Jahren ein.
In seinem Urteil vom 05.11.1998 (Aktenzeichen VII ZR 191/97
, NJW 1999, S. 713
) hat der BGH festgestellt, dass auch Abschlagsforderungen selbständig verjähren, dass aber auch für Abschlagsforderungen eine prüffähige Abschlagsrechnung vorgelegt werden muss, um die Verjährung in Gang zu setzen.
Es kommt also darauf an, wann die Gewerke und Leistungen im Einzelnen nach der HOAI prüffähig vom Architekten abgerechnet wurden.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Neumann,
vielen Dank für die rasche und umfassende Antwort auf unsere Rechtsfragen.
Bei unserer 1. Anfrage hat uns vorrangig die Verjährungsfrage in Bezug auf
die beauftragte Architektentätigkeit (Bauüberwachung) interessiert.
Deshalb unsere Nachfrage:
Nachdem der Architekt nie eine Schlußrechnung über das vereinbarte
Architektenhonorar gestellt hat und auch nie eine Gesamtabnahme stattge-
funden hat, wollten wir wissen ob durch die Rechnungsprüfung im
Jahr 2011 (Gewerk Fenster) bzw. durch den Vorortbesuch des Architekten im Jahr 2014
und den Einbezug des Architekten im Schadenersatzprozess als Beklagten zu 2 im Jahr 2015 eine Verjährung (Betrug bzw. Baugefährdung)
gestoppt wird und hier möglicherweise auch eine sog. Verfolgungsverjährung
von 5 Jahren Anwendung findet.
Auch im Schadenersatzprozess (Gewerkt HLS) ist die Schlußrechnung der
Baufirma noch offen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfrage möchte ich nachfolgend beantworten:
Die Verjährung von Architektenhonorar beginnt erst, wenn die Architektenleistung vom Besteller abgenommen wurde und eine prüffähige Abrechnung gestellt wurde.
Wenn, wie Sie ausführen, weder eine Abnahme noch eine Rechnungstellung erfolgt ist, kann der Anspruch auf Zahlung von Architektenhonorar demzufolge auch nicht verjährt sein.
Die Verjährung von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen wegen Betruges beginnt, sobald die Straftat vollendet ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Vermögensschaden eingetreten ist. Die Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre und beginnt zum Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. (Eine fünfjährige Verjährungsfrist gibt es beim Betrug nur für die strafrechtliche Verfolgung.)
Bei Architektenhonorar und Schadenersatz wegen Betruges handelt es sich um unterschiedliche Ansprüche, die eigene Verjährungsvoraussetzungen haben.
Die Verjährung wird nicht durch einen Vorortbesuch oder eine Rechnungsprüfung gestoppt. Hingegen wird die Verjährung gehemmt durch eine Streitverkündung oder durch eine Klageerhebung (auch als Mitverklagter).
Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Neumann
Rechtsanwalt
info@advoc-neumann.de
Noch ein Nachtrag zu Frage 2:
Nach meiner Erfahrung ist es in der Praxis häufig so, dass die Staatsanwaltschaften Strafanzeigen von Privatleuten wegen Betruges schnell einstellen, weil sie den Arbeitsaufwand eines Ermittlungsverfahrens vermeiden wollen. Gerade Ermittlungen in Bausachen sind oft schwierig, zeitaufwändig und erfordern nicht selten die kostspielige Einschaltung eines Sachverständigen. Die Staatsanwaltschaften stellen sich dann oft künstlich naiv und tun so, als wenn sie dem Beschuldigten jede Ausrede glauben.
Wird dann das Ermittlungsverfahren eingestellt, kann der Beschuldigte argumentieren, dies sei doch eine „amtliche Bestätigung" dafür, dass er sich nichts habe zu Schulden kommen lassen.
Zwar hat die Einstellung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens keine formell präjudizierende Wirkung auf eine gleichzeitig anhängige zivilrechtliche Schadenersatzklage. De facto kann die Position des Klägers im Zivilverfahren hierdurch aber doch geschwächt werden, wenn er seinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Betruges stützt. Der Zivilrichter ist an eine Einstellung des Strafverfahrens zwar in keiner Weise rechtlich gebunden, es besteht aber dennoch die Gefahr, dass es ihn in seiner Entscheidungsfindung beeinflusst.
Von einer Strafanzeige rate ich daher eher ab.