Sehr geehrte Ratsuchende,
auf der Grundlage des von Ihnen angegebenen Sachverhalts beantworte ich Ihre Anfrage hiermit im Rahmen einer Erstberatung wie folgt:
Maßgebend ist § 24 BAföG, der Ihnen wohl auch hinreichend bekannt ist. Nach § 24 Abs. 1 BAföG sind für die Anrechnung des Einkommens der Eltern die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend.
Nach § 24 Abs. 3 BAföG kann aber der Aktualisierungsantrag gestellt werden, was bei Ihnen nur für den Vater geschah.
Ausschlaggebend ist in Ihrem Fall, ob nachträglich, das heißt nach Abschluss des Bewilligungszeitraums noch ein Aktualisierungsantrag gestellt werden kann, wie Sie es nun aufgrund der gegebenen tatsächlichen Umstände in Ihrer Familie begehren.
Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht aber durch Urteil vom 08.07.2004, Az. 5 C 31.03
entschieden:
Ein nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes gestellter Aktualisierungsantrag im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG kann nach der Neufassung dieser Bestimmung durch das 12. BAföG-ÄndG vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936
) keine Berücksichtigung mehr finden.
Die zu § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG (F. 1983) ergangene Rechtsprechung (BVerwGE 58, 200
) ist durch die Neufassung überholt.
Der Gesetzeswortlaut ordnet leider eindeutig an, dass nach Ende des Bewilligungszeitraumes gestellte Aktualisierungsanträge nicht berücksichtigt werden und das Bundesverwaltungsgericht hat auch keine Möglichkeit gesehen, diesen eindeutigen Gesetzeswortlaut im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG
verfassungskonform anders auszulegen (das heißt dahingehend, das entgegen dem Wortlaut auch unter bestimmten Bedingungen ein nachträglich gestellter Aktualisierungsantrag gestellt werden kann). Im Einzelnen verweise ich auf jene Entscheidung.
Ich bedauere, Ihnen keine andere Mitteilung machen zu können.
Ich halte die Entscheidung für fragwürdig und die Begründung der gegenteiligen Auffassung durch die vorhergehende Instanz für richtig, aber meine Meinung ist leider nicht ausschlaggebend.
Da nach § 24 Abs. 2 BaFöG in den Fällen, in denen der endgültige Einkommenssteuerbescheid noch nicht vorliegt lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt wird, wird erst nach Vorlage des abschließenden Einkommenssteuerbescheids abschließend entschieden.
Nach § 24 Abs. 2 BAföG soll dies aber geschehen, sobald der Steuerbescheid dem Amt für Ausbildungsförderung vorliegt!
Nach § 45 Abs. 4 SGB X
kann die Behörde nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, einen Verwaltungsakt rückwirkend zurück nehmen.
Maßgebend könnte also nur noch sein, seit wann der Bescheid dem Amt vorliegt, denn ab diesem Zeitpunkt hatte sie Kenntnis.
Bitte beachten Sie, dass die Erstberatung in diesem Untermenü der Plattform keiner ausführlichen Prüfung einer Sach- und Rechtslage entsprechen kann.
Ich hoffe, Ihnen Ihre Fragen im Rahmen einer ersten rechtlichen Einschätzung hinreichend beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwältin Britta Möhlenbrock
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E-Mail:
Rechtsanwältin Britta Möhlenbrock
Hallo Frau Möhlenbrock,
erstmal vielen Dank für die ausführliche Antwort.
Ich habe mich jetzt nochmal schlau gemacht und mir die Unterlagen genau angesehen.
Das Bafög-Amt (kölner Studentenwerk) hat mir die Kopie des Bescheid vom Jahre 2007 ja in Kopie mitgesandt und auf dieser Kopie befindet sich ebenfalls der Posteingangsstempel. Auf diesem Stempel steht als Datum der 16.06.2008.
Laut § 45 Abs. 4 SGB X
ist damit dann doch die 1-Jahresfrist überschritten und damit trifft mein Fall doch genau auf Ihren Hinweis "Maßgebend könnte also nur noch sein, seit wann der Bescheid dem Amt vorliegt, denn ab diesem Zeitpunkt hatte sie Kenntnis." zu, oder?
Falls ja, würde ich dem Amt ein Widerspruchs-Schreiben schicken, in dem ich dann auf §45, Abs. 4 verweise, wäre das korrekt? Sollte ich noch andere wichtige Paragraphen/Verweise einbeziehen, was meinen Sie?
Es kommt noch erschwerend hinzu, dass ich damals fälschlicherweise falsch beraten worden bin. Man sagte mir, dass ich mir keine Sorgen machen müsste, denn es scheint ja alles gut auszusehen und ich könne ja auch jederzeit einen Antrag auf Aktualisierung stellen, aber dies wäre zur Zeit sowieso nicht angebracht und würde den Fall nur komplizierter machen.
Naja, der Aussage habe ich dann dummerweise einfach glauben geschenkt, statt mich mit einem Aktualisierungsantrag für meine Mutter einfach vorab "abzusichern".
Nochmals Danke im voraus für Ihre Antwort!
Vg,
Der anonyme Ratsuchende :)
Sehr geehrter Ratsuchender,
wenn der Steuerbescheid dem BaföG-Amt nachweislich bereits am 16.06.2008 vorlag, sollten Sie Widerpruch unter Berufung auf § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X
einlegen. Sie sollten aber nicht nur den Paragraphen zitieren, sondern einfach schreiben, dass der Steuerbescheid seit 1 Jahr und x Monaten vorlag. Zusätzlich sollten Sie noch angeben, dass auch nach § 24 Abs. 2 Satz 2 BaFöG abschließend über den Antrag entschieden wird, sobald der Steuerbescheid vorliegt.
Die Falschberatung wird kaum nachzuweisen sein. Außerdem kann ja tatsächlich nachher noch ein Aktualisierungsantrag gestellt werden, nur nicht mehr nach dem Bewilligungszeitraum.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Möhlenbrock
Rechtsanwältin
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