Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre gestellte Frage beantworte ich wie folgt:
Nach Ihrer Schilderung ist eine Quotelung der Haftung wahrscheinlich. Eine alleinige Haftung des auffahrenden Fahrers kann voraussichtlich nicht begründet werden.
Grundsätzlich ergeben sich beim Wenden und Rückwärtsfahren besondere Sorgfaltspflichten aus § 9 V StVO
; danach muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren sich der Fahrzeugführer darüber hinaus so verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen. Ob die Vorschrift anwendbar ist, wird teilweise unterschiedlich beurteilt. Das AG Frankfurt/Main, ZfS 2005, 570
hat z.B. festgestellt, dass „die Norm des § 9 V StVO
keine Anwendung findet, wenn es beim Rückwärtsfahren auf einem Tankstellengelände zu einem Zusammenstoss mit einem anderen Fahrzeug kommt, da es auf dem Gelände einer Tankstelle am Erfordernis des "fliessenden" Verkehrs fehlt“.
Dennoch wird aber zumindest für beide Fahrzeugführer ein Verstoß gegen § 1 II StVO
anzunehmen sein; danach hat jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Es wird auf eine Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge ankommen. Entscheidend sein können die Geschwindigkeiten und die Entfernung der Fahrzeuge, die konkreten Örtlichkeiten, die Sichtverhältnisse und sämtliche weitere Umstände, die das Unfallgeschehen beeinflusst haben können. Für Sie spricht sicherlich, das der gegnerische Fahrzeugführer angeben hat, er habe Sie wenden gesehen. Allerdings müssen Sie berücksichtigen, das der Rückwärtsfahrende verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass die zu befahrende Fläche frei von Hindernissen ist. Der Rückwärtsfahrende, insbesondere auf Parkplätzen oder vergleichbar Tankstellengeländen, hat ständig damit zu rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer, wie Fussgänger und Fahrzeuge, sich hinter seinem Fahrzeug befinden. Ggf. hätten Sie Ihr Wendemanöver aufgeben müssen.
In der Rechtsprechung findet sich bei vergleichbaren Sachverhalten häufig eine Schadensteilung:
„Bei einem beidseitig sorgfaltswidrig bedingten Unfall auf einem Tankstellengelände beträgt die Haftungsquote eins zu eins. Aus den Gründen: ...Beim Befahren des Tankstellengeländes waren der Kläger und der Beklagte nach der Grundregel des § 1 II StVO
zur gleichen Sorgfalt verpflichtet“; AG Berlin-Mitte, 08.10.2002, 111 C 3336/01
. Eine höhere Haftungsquote zu Ihren Lasten ist aber nicht auszuschließen, da der Anschein der Verursachung beim Rückwärtsfahrenden liegt.
Da keine eindeutige Haftungsverteilung vorliegt, empfehle ich Ihnen, sich bei der Unfallschadenregulierung anwaltlich vertreten zu lassen.
Ich hoffe, Ihnen einen ersten hilfreichen Überblick in der Sache verschafft zu haben. Ich weise darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in den seltensten Fällen ersetzen kann. Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben kann möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Eine endgültige Einschätzung der Rechtslage ist nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Matthes
Rechtsanwalt
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