Sehr geehrter Fragesteller:
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten:
In der Tat ist umstritten, ob in einem solchen Fall einen Aufenthaltstitel als Kinder Deutscher erteilt werden kann:
In Frage käme § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG
(Nachzug eines minderjährigen ledigen Kindes zum Deutschen).
In der Literatur wird diese Möglichkeit bejaht: "Streitig ist dabei die Einordnung von Pflegekindern Deutscher. Diese sind, sofern die Übertragung durch ein Vormundschaftsgericht erfolgt ist und die familiäre Gemeinschaft bereits gelebt wird, einem adoptierten Kind in rechtlicher Hinsicht gleichzustellen, ohne dass sich - ohne förmliche Adoption - ihr Status als ausländisches Kind ändert" (Oberhäuser in Hofmann/Hoffmann, HK-AuslR, 1. Auflage 2008, § 28 Rn. 17).
In der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG (AVV-AufenthG) wird dies aber abgelehnt:
28.1.2.4 Bei Stief- und Pflegekindern besteht kein Nachzugsanspruch nach § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2. Möglich ist aber die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage von § 32 (Stiefkinder) und § 36 Absatz 2.
§ 36 (Nachzug der sonstigen Familienangeörigen) ist aber in Ihrem Fall anwendbar.
Hierzu regelt die AVV-AufenthG:
36.2.1.2 Die familiäre Lebensgemeinschaft muss durch Artikel 6 GG
geschützt sein. Besonders geschützt werden Ehegatten und die engere Familie im Sinne einer Eltern-Kind-Beziehung, die nicht nur durch Abstammung, sondern auch rechtlich vermittelt sein kann. Dem Schutz des Artikels 6 GG
unterliegt daher auch die familiäre Gemeinschaft mit Adoptiv-, Pflege- und Stiefkindern. Dabei ist nicht auf den formellen Bestand des Rechtsverhältnisses, sondern wie allgemein auf die tatsächliche, über einen längeren Zeitraum gewachsene Bindung und Betreuungsgemeinschaft abzustellen. Bei einem im Ausland begründeten Pflegeverhältnis oder einer Vormundschaft ist das Einverständnis der Behörden des Heimatstaates des Kindes mit der Ausreise herzustellen und nachzuweisen. Wenn die Ausreise zum Zweck der Adoption erfolgt, muss auch die Zustimmung der ausländischen Behörde zur Adoption vorliegen.
Von Bedeutung ist die rechtliche Anordnung in Hinblick auf die zu erfüllenden Voraussetzungen in jedem Fall. Auch hat man nach § 28 Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis; bei § 36 handelt es sich um keine Anspruch, sondern die Erteilung unterliegt der Ermessen der Behörde.
Es gibt somit gute Chancen, dass die Kinder nach Deutschland ziehen kann.
Steuerrechtlich kommt die Gewährung von Kindergeld in Frage, denn als Kinder sind auch Pflegekinder zu berücksichtigen. Im Sinne von Kindergeld ist Pflegekind ist ein Kind, das der Steuerpflichtige
-in seinen Haushalt aufgenommen hat,
-mit dem er durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist,
-nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen hat und
-bei dem das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht.
Auch abziehbar sind u.U. Kinderbetreuungskosten, wenn diese durch die Erwerbstätigkeit der Eltern unvermeidbar sind.
Andere Abzugspositionen kommen m.E. nicht in Betracht.
Ich hoffe, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen.
Antwort
vonRechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
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Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
Fachanwalt für Migrationsrecht
Sehr herzlicher Dank für die prompte und kompetente Darstellung.
Demnach müssten wir auf Anwendung des § 36 durch die zuständige Ausländerbehörde in Deutschland hoffen, bei der wir den Antrag zu stellen hätten?
Diese wird voraussichtlich von uns die Vorlage welcher Unterlagen verlangen? Vermutlich den Beschluss des Vormundschaftsgerichts, u.U. auch eidesstattliche Erklärungen Dritter, welche den de facto- Zustand der familiären Gemeinschaft bestätigen?
Wäre das deutsche Konsulat befähigt, bei Vorlage obiger Original-Unterlagen eine entsprechende Bestätigung zu erstellen?
Ohne Zweifel werden Sie Unterlagen zur Pflegesituation einreichen müssen.
Bei Personen brasilianischer Staatsangehörigkeit besteht die Erleichterung, dass der Aufenthaltstitel nach visumsfreier Einreise in Deutschland beantragt werden kann. Ich würde aber in dem Fall davon abraten.
Bei der Prüfung solcher Unterlagen von Brasilien aus werden sowohl das Konsulat als auch die Ausländerbehörde tätig sein.
Weitere Einzelheiten würden den Rahmen einer Erstberatung sprengen. Ich empfehle Ihnen, frühzeitig mit dem zuständigen Konsulat Kontakt aufzunehmen, da der Fall nicht den typischen darstellt. Es ist mit mindestens 2-3 Monate Verfahrensdauer zu rechnen.
Ein Merkblatt (allerdings für den "Normalfall") finden Sie hier:
http://www.brasil.diplo.de/contentblob/1956286/Daten/949226/Merkblatt_Kindernachzug.pdf
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Sollten Sie sich nun oder in der Zukunft einer weitergehenden Beratung wünschen, können Sie mich gerne kontaktieren.
Mit freundlichen Grüßen