Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ihre Ehefrau kann gemäß § 39 Satz 1 Nr. 6 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug stellen. Dazu muss sie zunächst wieder zu Ihnen nach Deutschland einreisen und innerhalb von 90 Tagen den Antrag stellen, was schriftlich geschehen kann und zur Wirksamkeit der Antragstellung keiner persönlichen Vorsprache bedarf.
Mit dem polnischen Aufenthaltstitel kann sie gemäß Art. 21 des Schengener Durchführungsübereinkommen nach Deutschland für einen Kurzaufenthalt einreisen, wenn folgende Einreisevoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 des Schengener Grenzkodex' erfüllt sind:
Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen folgende Einreisevoraussetzungen:
a) Er muss im Besitz eines gültigen Reisedokuments sein, das seinen Inhaber zum Überschreiten der Grenze berechtigt und folgende Anforderungen erfüllt:
i) Es muss mindestens noch drei Monate nach der geplanten Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültig sein. In begründeten Notfällen kann von dieser Verpflichtung abgesehen werden.
ii) Es muss innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre ausgestellt worden sein.
b) Er muss im Besitz eines gültigen Visums sein, falls dies nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vorgeschrieben ist, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines gültigen Visums für den längerfristigen Aufenthalt ist.
c) Er muss den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen, und er muss über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben.
d) Er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.
e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.
Die Aufforderung zum Nachweis der Einkommensverhältnisse ist korrekt, weil § 28 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eine Soll-Bestimmung ist, die Ausnahmen zulässt, weshalb der Sachverhalt von der Behörde aufzuklären ist.
Eine Untätigkeitsklage ist nicht statthaft, wenn die deutsche Auslandsvertretung keinen Termin zur persönlichen Vorsprache im Visumverfahren vergibt. Es bleiben nur Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Gero Geißlreiter
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Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Sehr geehrter Herr Geißlreiter,
zuerst herzlichen Dank für die detailreiche und fundierte Beantwortung meiner Frage, welche sogar eine Handlungsempfehlung beinhaltet. Zwei kleinen Nachfragen hätte ich dennoch:
Sie schrieben, dass es für die Wirksamkeit der Antragstellung keiner persönlichen Vorsprache bedarf. Hätten Sie dafür eine Rechtsgrundlage, um fundiert gegen die Behörde argumentieren zu können, welche auf ihrer Internetpräsenz mitteilt, dass Antragstellungen ausschließlich persönlich mit einem Termin möglich seien.
Desweiteren möchte ich fragen, ob ich es richtig aus Ihrer Antwort gelesen habe, dass nach Antragstellung durch meine Ehefrau die örtlich zuständige Ausländerbehörde den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auch bearbeiten muss (unabhängig des Ergebnis dieser Bearbeitung) und die Bearbeitung nicht mit Verweis auf das angeblich vorher zu beantragende Visum ablehnen kann.
Noch einmal vielen Dank für die äußerst kompetente Beantwortung!
Sehr geehrter Fragesteller,
das Gesetz (AufenthG) sieht für die Antragstellung keine Höchstpersönlichkeit vor. Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen (§ 10 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG). Zu Beweiszwecken empfiehlt sich ein schriftlicher Antrag, der mit Zugang bei der Behörde wirksam - vor allem fristgerecht - gestellt ist und kraft Gesetzes das Verwaltungsverfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einleitet (vgl. § 22 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG). Die gebotene persönliche Vorsprache kann folglich auch noch danach erfolgen.
Wenn das Verwaltungsverfahren mit einem Antrag eingeleitet worden ist, ist es regulär mit dem beantragten Verwaltungsakt (Aufenthaltserlaubnis) oder mit einer entsprechenden förmlichen Ablehnung abzuschließen. Gegen eine Untätigkeit der inländischen Ausländerbehörde kann gemäß § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) grundsätzlich nach drei Monaten Untätigkeitsklage erhoben werden. Ein bloßer Verweis auf das Visumverfahren ist kein ordnungsgemäßer Verfahrensabschluss.
Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt