Sehr geehrte/r Fragesteller/in,
gerne beantworte ich Ihre Frage auf der Basis der mitgeteilten Informationen.
Arbeitnehmerüberlassung zeichnet sich nach deutschem Recht durch ein spezifisches Dreiecksverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer, Verleihunternehmen und Entleihunternehmen aus: Der Leiharbeitnehmer ist bei einer so genannten Zeitarbeitsfirma angestellt. Er hat dort die üblichen Arbeitnehmerrechte. Der Leiharbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistung im Gegensatz zu einem "normalen" Arbeitnehmer allerdings nicht im Verleihunternehmen, sondern wird von diesem an ein anderes Unternehmen ausgeliehen. In den Entleihfirmen wiederum haben die dortigen Vorgesetzten des Leiharbeitnehmers die Weisungsbefugnis über den Leiharbeitnehmer und die Verantwortung für den Arbeitsschutz. Zwischen den Leiharbeitnehmern und den entleihenden Unternehmen kommt tatsächlich keinerlei vertragliche Bindung zustande.
Ihre Frage scheint dahin zu gehen, ob Ihnen durch das Entleihungsunternehmen überhaupt ein Arbeitszeugnis ausgestellt werden darf bzw. ob Sie dieses im Rahmen einer Bewerbung kommentarlos vorlegen dürfen. Lassen Sie mich hierzu ein wenig ausholen:
Anspruch auf ein Arbeitszeugnis hat grundsätzlich jeder abhängig Beschäftigte, also auch Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte, in Probearbeitsverhältnissen Stehende, zur Berufsbildung Beschäftigte, befristet Beschäftigte, studentische Mitarbeiter, Praktikanten, Aushilfskräfte, in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) oder Heimarbeit Beschäftigte sowie Arbeitnehmer in Leiharbeitsverhältnissen. Der Anspruch richtet sich gegen den "anderen Teil" i. S. des § 630
des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB); gemeint ist damit der Arbeitgeber bzw,. der Vertragspartner des "dauernden Dienstverhältnisses". Oberster Grundsatz der Zeugniserstellung ist die sog. "Wahrheitspflicht"; das bedeutet insbesondere, daß der Arbeitgeber die Leistung des Mitarbeiters möglichst realitätsnah bewerten muß. Er darf ihn also nicht besser oder schlechter darstellen, als er wirklich war oder ist. Dies folgt schon aus der Funktion eines Zeugnisses als Informationsquelle für die Personalauswahl. Sowohl der Arbeitnehmer selbst als auch der (künftige) Arbeitgeber muß sich ein Bild von den Arbeitnehmerqualitäten machen können. Daher muß das Zeugnis für den Arbeitnehmer verständlich und seine Aussage auch für Dritte klar erkenntlich sein. Weiter muß es die Unterschiede zwischen den verschiedenen Arbeitnehmern wiedergeben (sog. "Individualitätsgrundsatz"). Denn wenn alle Mitarbeiter gleich beurteilt würden, verlöre das Zeugnis seine Aussagekraft.
In Ihrem Fall entsteht für einen Dritten ggf. der Eindruck, Sie wären direkt bei einer Firma beschäftigt gewesen, obwohl Sie tatsächlich "ausgeliehen" waren. Diese Information scheint mir für einen (künftigen) Arbeitgeber jedoch nicht von (ausschlaggebender) Bedeutung. Entscheidend ist, dass die Leistungs- und Führungsbeurteilung den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, was in Ihrem Fall wohl zutrifft. Wenngleich ich selbstverständlich die exakten Formuliereungen der Zeugnisse nicht kenne vermag ich hier nicht ohne weiteres eine Täuschung zu erkennen. Eine solche dürfte m . E. nach jedenfalls dann auszuschließen sein, wenn es z. B. am Anfang heißen würden:
"... war in der Zeit vom .. bis ... als ... in unserem Unternehmen tätig".
Ihr Fall dürfte ziemlich einzigartig sein; jedenfalls kenne ich keine entsprechenden gerichtlichen Entscheidungen. Die vorstehenden Ausführungen sind daher mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Arbeitsrichter in X-Stadt die Angelegenheit ggf. abweichend beurteilt, wenn z. B. Ihr (künftiger) Arbeitgeber durch den "unkorrekten Herr von der Zeitarbeitsfirma" auf die Umstände hingewiesen wird und den Arbeitsvertrag aus diesem Grunde anfechtet, Sie jedoch (m. E. nach zurecht) die Voraussetzungen für die Anfechtung für nicht gegeben ansehen und der Bestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geklärt werden muss. Sie gehen ohne zusätzliche Information das Risiko ein, dass das Vertrauensverhältnis zu dem (künftigen) Arbeitgeber nachhaltig beschädigt wird. Daher sollten Sie sich überlegen, ggf. im Rahmen von Bewerbungsgesprächen den Punkt kurz anzusprechen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit den vorstehenden Ausführungen weiterhelfen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Bernd Gutschank
Rechtsanwalt
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