Sehr geehrter Ratsuchender,
Zu Ihrer 1. Frage:
Die für Sio zuständige Rechtsanwaltskammer nennt Ihnen gerne einen neuen Rechtsanwalt, der für Ihr Problem besonders geeignet ist.
Durch einen Anwaltswechsel wird die PKH nicht aufgehoben. Für Sie relevant ist allein die Frage der Beiordnung eines bestimmten Anwalts und somit die Kostenfreistellung hinsichtlich Ihrer Anwaltsgebühren.
Sie können als Partei die Aufhebung der Beiordnung Ihres derzeitigen Anwalts verlangen. Sie können nach § 121 I ZPO
dem beigeordneten Anwalt jederzeit die Vollmacht entziehen und die Aufhebung der Beiordnung selbst verlangen.
Frage 2:
Natürlich können Sie einen neuen Anwalt beauftragen. Dieser neue Anwalt wird sich dann um seine Beiordnung bei Gericht kümmern.
ABER: Der neue Anwalt kann nur beigeordnet werden, wenn der Staatskasse durch den Anwaltswechsel KEINE Mehrkosten entstehen. ODER, wie in Ihrem Fall, die Partei einen trifftigen Grund zum Widerruf der Vollmacht hat. Das heißt, es müssen Umstände vorliegen, die auch einer vermögenden Partei Anlass gegeben hätten, den Anwalt zu wechseln, etwa weil das Vertrauensverhältnis zerstört ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich der Anwalt, trotz vielfacher Bemühungen nicht zu einem Gesprächstermin bereit erklärt (OLG Bremen, JurBüro 1993,51).
Hier müssen Sie natürlich genau nachweisen, was Sie alles unternommen haben um ein Gespräch mit dem Anwalt zu bekommen. Ihre Schilderungen lassen jedoch die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vermuten. Dies umso mehr, als dass der Anwalt allein schon mit der Beiordnung die berufsrechtliche Pflicht hat Sie ordnungsgemäß zu vertreten.
Zu 3.
Ich verstehe nicht ganz warum Ihr Anwalt bereits Ihnen gegenüber eine Verfahrensgebühr abgerechnet hat. Die Beiordnung hat zur Folge, dass der Anwalt nach § 122 ZPO
keine Vergütungsansprüche gegen die Partei geltend machen kann. Denkbar ist die Abrechnung der 1,3 Verfahrensgebühr allenfalls bei unbedingter Klageeinreichung, d.h. bei Klageeinreichung die nicht unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe steht.
Soweit die Verfahrensgebühr angefallen ist, hat der Anwalt einen Anspruch darauf. Ausreichend für den Gebührenanspruch ist, dass der Anwalt die Tätigkeit (Einreichung des Antrags im Beweissicherungsverfahren) erbracht hat. Unerheblich ist, ob der Anwalt gut oder schlecht geleistet hat.
Eine Rückforderung ist dann nur im Wege des Schadensersatzes möglich. Der Schaden ist dann in den durch den Anwaltswechsel entstandenen Zusatzkosten zu sehen.
Zu 4.
Probleme: Der neue Anwalt benötigt Einarbeitungszeit. Diese muss ihm allerdings das Gericht nach den Grundsätzen des rechtlichen Gehörs gewähren (Art 103 I GG
).
Kosten: Zur Frage der Mehrkosten weise ich auf die Antwort zur Frage 2. Wenn ein trifftiger Grund für einen Anwaltswechsel vorliegt, dürften Ihnen grundsätzlich keine Mehrkosten entstehen. Ich sage hier ausdrücklich grundsätzlich, da, wie Sie aus dem Fragebogen "wirtschaftliche und persönliche Verhältnisse" wissen, die Prozesskostenhilfe nur ein Darlehen ist. Sollten Sie in die wirtschaftliche Lage kommen, die Prozesskostenhilfe zurückzahlen zu können, können sich die Mehrkosten bei einem Anwaltswechsel (zusätzliche Verfahrensgebühr natürlich bemerkbar machen.
zu 5)
Soweit der Anwaltswechsel nicht die einzige alternative bei Ihnen sein sollte, können Sie sich mit Ihrem Problem an die für Ihren Anwalt zuständige Rechtsanwaltskammer wenden. Soweit sein Verhalten berufsrechtlich zu beanstanden ist (kein Gesprächstermin) wird die Kammer dies bei Ihrem Anwalt rügen. Erfahrungsgemäß bewirkt ein mahnender Brief der Kammer oftmals Wunder.
Zusätzlich wurden in diesem Jahr bei den einzelnen Rechtsanwaltskammern unabhängige Schlichtungsstellen eingerichtet.
zu 6.
Den Richter anzuschreiben bringt erfahrungsgemäß nichts. Die Richter haben auf die Arbeitsweise des Anwalts keine Einflussmöglichkeit. Manche Richter reagieren auf solche Anschreiben sogar verärgert.
Ich hoffe Ihnen mit meiner Stellungnahme geholfen zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Georg Schiessl
Rechtsanwalt
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