Sehr geehrter Fragesteller,
in dem von Ihnen geschilderten Fall ist Fingerspitzengefühl gefragt, zum einen um die Ausbildung der Azubis nicht zu gefährden, aber zum anderen auch, um Ihren eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.
Zunächst einmal teilen Sie mit, dass Sie als Ausbilder in den Ausbildungsverträgen genannt sind. Somit können Sie mit einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 102 BBIG belangt werden. Es käme hier § 102 I Nr. 3 BBIG in Betracht, wenn den Auszubilden Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck nicht dienen.
Die Auslegung dessen, was hierunter fällt, ist im Einzelfall vorzunehmen und auch in welcher Intensität und Dauer dies vorliegen könnte. Es gibt hierfür als Richtschnur den Ausbildungsplan.
Die Gelegenheit zum Führen des Berichtshefts jedenfalls muss dem Auszubildenden während der Arbeitszeit gegeben werden, ferner muss der Ausbilder das auch kontrollieren und die entsprechenden Eintragungen unterschreiben.
Zu Ihrer Frage Nr. 1:
Es besteht zum einen die Möglichkeit, sich an die IHK zu wenden. Die Bandbreite reicht von einer entsprechenden Beratung dort bis hin zum Einschalten der IHK als Schlichter.
Ferner besteht auch die Möglichkeit, mit den Berufsschullehrern der Auszubildenden Kontakt aufzunehmen, denn diese kennen die Azubis, den Ausbildungsbetrieb sowie auch den Kenntnisstand der anderen Azubis in der Klasse.
Es ist natürlich hier immer eine Gratwanderung, weil Sie ja mit einem solchen Vorgehen Ihren eigenen Betrieb in ein schlechtes Licht rücken, bis hin zu der Erkenntnis, dass der Ausbildungsbetrieb die Ausbildung nicht gewährleistet.
Aus diesem Grund ist es empfehlenswert hier behutsam vorzugehen.
Eine weitere Frage ist es zu klären, wie die Auszubildenden selbst ihre Ausbildung empfinden/ einschätzen. Diese haben ja sicherlich einen direkten Einblick, wie sich die Ausbildung bei deren Kollegen gestaltet und auch, ob und inwieweit sie mit den Inhalten in der Berufsschule zurecht kommen.
Sofern es in Ihrer Firma einen Betriebsrat oder möglicherweise eine Jugend-und Auszubildendenvertretung gibt, sollten Sie sich auch an diese wenden.
zu Ihrer Frage Nr. 2
Sie haben schon die Möglichkeit, den erwogenen Schritt zu gehen. Damit gefährden Sie aber nicht nur, wie Sie selbst befürchten, Ihre Ausbildereignung, sondern kann ein solches Vorgehen natürlich auch Auswirkungen auf Ihr eigenes Arbeitsverhältnis haben.Sie riskieren zumindest eine Abmahnung oder gar eine Kündigung, weil Sie Ihren Pflichten aus Ihrem eigenen Arbeitsvertrag nicht nachkommen, denn Sie haben die Pflicht übernommen, die Ausbildung in dem Betrieb durchzuführen. Auch kann man Ihnen vorwerfen, dass Sie Ihren eigenen Arbeitgeber schlecht machen und daher illoyal sind.
zu Ihrer Frage Nr. 3
Nach alledem riskieren Sie genau das, was Sie befürchten, nämlich die Aberkennung Ihrer Ausbildereignung. Eine solche kommt in Betracht vor allem dann, wenn Sie die persönliche Eignung nicht (mehr) aufweisen. Dieser Begriff bietet natürlich weite Auslegungsmöglichkeiten und wird im Einzelfall zu überprüfen sein.
Auch können Sie - wie oben gesagt- nach § 102 BBIG belangt werden.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, behutsam vorzugehen und ein Gespräch bei der IHK und der Berufsschule gut abzuwägen.
Mit freundlichen Grüßen
Draudt
Rechtsanwältin
Hallo Frau Draudt,
danke für Ihre ausführliche Antwort.
Es ist ja genau mein Problem, dass ich gerne meiner Verantwortung gerecht werden möchte, mir aber diesbezüglich schlicht keinerlei Möglichkeiten eingeräumt werden, dies auch zu tun.
Meine beiden Schützlinge (insbesondere der Fortgeschrittenere) sehen die Qualität der Ausbildung selbst sehr kritisch und haben ihre Bedenken deswegen.
Sicherlich wäre es illoyal dem AG gegenüber, jedoch betrachte ich es nicht als Illoyalität, wenn ich mich gegen rechtlich fragwürdiges Verhalten absichere, grade vor dem Hintergrund, dass ich im Zweifel sowohl monetär als auch - nennen wir es einmal "standesrechtlich" - hierfür Konsequenzen zu befürchten habe.
Daher nochmal eine Rückfrage:
Gibt es einen Weg, wie ich hier aktiv werden kann, ohne gleich persönliche Konsequenzen seitens der "Obrigkeit" befürchten zu müssen, aber dennoch Veränderungen herbeiführen kann, die es mir.
Ergänzend gesagt: Meine Ausbildertätigkeit ist nicht direkt im Arbeitsvertrag festgehalten sondern per Zusatzvereinbarung nachträglich vereinbart worden.
Sehr geehrter Fragesteller,
Sie teilen mit, dass eine Zusatzvereinbarung zu Ihrem Arbeitsvertrag getroffen wurde, die Ihre Ausbildertätigkeit zum Inhalt hat. Diese Zusatzvereinbarung ist als Bestandteil Ihres Arbeitsvertrages anzusehen. Daher gilt das, was ich bezüglich Ihres Arbeitsverhältnisses aufgeführt hatte, um so mehr als beachtenswert. Die Zusatzvereinbarung zeigt, dass Ihrem Arbeitgeber genau bewusst ist, dass Sie die zusätzliche Aufgabe übernommen haben und er hat das eben gerade auch vertraglich abgesichert.
Möglicherweise wäre es die geschickteste Vorgehensweise, wenn Sie die Auszubildenden zunächst selbst veranlassen, mit den Berufsschullehrern das Problem zu besprechen und die Berufsschule einen Besuch der Ausbildungsstätte vornimmt. Auch finden - zumindest in meinem Bereich ist mir das bekannt- Ausbildertreffen statt, bei denen ein Austausch zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb möglich ist.
Eine weitere Möglichkeit wäre es, wenn sich die Auszubildenden an die Geschäftsleitung wenden und um Zeit für ihr Berichtsheft bitten und so ein Dialog über die Ausbildung an sich in Gang käme, in der Sie sich ja dann einschalten können. Ich hatte Sie auch auf die Möglichkeit hingewiesen, ggf. einen Betriebsrat einzuschalten.
Die in meiner ursprünglichen Beantwortung der Frage aufgezeigte Vorgehensweise bei der IHK kann die genannten Folgen nach sich ziehen und ist daher gut abzuwägen.
Mit freundlichen Grüßen
Draudt
Rechtsanwältin