Sehr geehrte Fragestellerin,
ich beantworte Ihre Frage aufgrund Ihrer Angeben und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt:
Nach Beschluss des BFH vom 26.06.2002 Az.: I B 10/01
besteht die Kirchensteuerpflicht bei Kenntnis bzw. Unkenntnis der Kirchenzugehörigkeit bzw. der Kirchensteuerpflicht wie folgt:
"Solange ein Mitglied einer Kirche in Kenntnis seiner Kirchensteuerpflicht und der Möglichkeit ihrer Beendigung durch einseitige Erklärung an seiner Mitgliedschaft festhält, entspricht es dem Gebot der Gleichbehandlung und ist es deshalb auch nicht sachlich unbillig, es wie die anderen Mitglieder mit entsprechenden Einkünften zur Steuerzahlung heranzuziehen."
Da an der Lohnsteuerkarte gewöhnlicherweise die Kirchenzugehörigkeit vermert ist und ebenfalls bei der Anmeldung danach gefragt wird, können Sie, falls Sie keine Kenntnis von Ihrer Kirchenzugehörigkeit hatten, die Lohnsteuerkarte oder Anmeldung vorlegen bzw. Auskunft vom Standesamt oder Einwohnermeldeamt anfodern und mitteilen, dass Sie keine Kenntnis von der Kirchensteuerpflicht hatten. Ich gehe aber davon aus, dass das Finanzamt Ihre Angaben bzgl. der Kirchensteuer bereits geprüft hat. Ob Sie es trotzdem beweisen können, müssen Sie selbst wissen. insbesonde kann es darauf ankommen, wo Sie solche Angaben vor Behörden gemacht haben.
Die Feststellungslast für einen Kirchenaustritt tragen Sie; die Kirche trägt die materielle Beweislast nur für die Kirchenmitgliedschaft (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 9 K 252/93
-; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.09.2006 Aktenzeichen: OVG 9 B 25.05
). Rechtswirksam war die Erklärung, wenn Sie nach dem damaligen DDR-Recht vor einem Notar abgegeben worden ist. Davon haben Sie aber nichts berichtet.
Der Anspruch der Kirchen auf die Zahlung der Kirchensteuer ist auch durch lange Nichtgeltendmachung nicht verwirkt. Es ist erforderlich noch ein Umstand, der Sie vertrauen lässt, dass die Kirche keine Steuer erheben wird(Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.09.2006 Aktenzeichen: OVG 9 B 25.05
). Dazu haben Sie auch keine Angaben gemacht.
Der Anspruch dürfte aber teilweise verjährt sein. Dazu beachten Sie §§ 169
, 170 AO
. Bis Ende dieses Jahres können noch Steuern aus dem Jahr 2006 festgesetzt werden. Kirchensteuer wird gem. § 51 a EStG
erhoben. Sie müssen sich auf die Verjährung berufen.
Sie sollen Ihren Kirchenaustritt vor dem amtsgericht erklären oder versuchen eine notarielle Urkunde aus der DDR-Zeiten vorzulegen.
Ich hoffe, Ihnen eienn ersten Einblick in die Rechtslage ermöglicht zu haben.
Ich habe noch eine weitere Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, nämlihc eine Urteil des VG Cottbus vom 18.03.2009 Az.: 1 K 1277/07
gefunden, wonach ein förmlicher Kirchenaustritt notwendig ist.
Leitsatz der Entscheidung:
Eine zu DDR-Zeiten abgegebene Austritterklärung gegenüber dem örtlich zuständigen Pfarrer vermag die nach dem Recht der DDR notwendige Verfahrenshandlung, d. h.die Austrittserklärung vor einem staatlichen Notariat, nicht zu ersetzen.(Rn.23).
D.h. Ihre Austrittserklärung im Standesamt war unwirksam, mit der Folge, dass Sie nicht aus der Kirche ausgetreten sind.
Mit freundlichen Grüßen
Edin Koca
Rechtsanwalt