Willkommen beim Original und Testsieger.
Online seit 2004, mit über 140.000 Fragen & Antworten. 
00.000
Bewertungen
0,0/5,0
Günstige Rechtsberatung für alle.
Anwalt? Mitmachen

wegerecht auf einem öffentlichem weg der aufgelassen werden soll

| 10. Mai 2009 00:27 |
Preis: 80€ Historischer Preis
Hier finden Sie einen
Aktuellen Kostenvorschlag
|

Nachbarschaftsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Marco Liebmann

Guten Tag,

ich hoffe mit Nachbarschaftsrecht bin ich hier richtig.
Mein Nachbarn ist in diesem Fall meine Gemeinde.

Unser Anwesen, ein alter Bauernhof, hat einen Zugang mit Parkplatz an einer geteerten Kreisstraße, worüber der Hof aber nicht befahren werden kann. Rückseitig besteht seit mindestens 99 Jahren eine Zufahrt, die früher auch der Bauer (der Hof ist nicht mehr bewirtschaftet) natürlich gebraucht hat.
Rückseitig führt ein öffentlicher Feldweg von der Gemeinde an unserem Grundstück entlang und dann aus dem Dorf hinaus zum Wald.

Nun soll unser Dorf an eine Kanalisation angeschlossen werden, wozu in unserem Dorf ein ausgewachsenes Pumphaus aufgestellt werden muss, da die Abwässer weggepumpt werden müssen.
Es gibt einige Alternativen wo dieses Pumphaus nun gebaut werden könnte. Primär aus Zeitgründen und weil mit einem Nachbarn von uns keine Grunddienstbarkeit für den Kanal vereinbart werden konnte, will die Gemeinde nun diesen Feldweg "auflassen" und das Pumphaus auf diesem Weg bauen.

Der Weg ist dort dann nicht mehr befahrbar.

Ausser über einen 2km langen Umweg über eine anderen Feldweg, können wir nicht mehr in unseren Hof hineinfahren.

Ebenso zwei unserer Nachbarn, beides Bauern, müssen entweder 2km Umweg fahren oder probieren, mit Ihrem Gerät im Hof umzudrehen.

Die Frage ist nun, kann die Gemeinde so einfach einen öffentlichen Feldweg auflassen und uns unserer Zufahrt berauben, die seit mindestens 99 Jahren besteht und von der Gemeinde die Nutzung geduldet wird? Wir haben den Hof seit 1965, also auch schon einige Jahre.
Wegerechte sind für uns keine eingetragen, fragt sich auch ob sowas bei einem "öffentlichem " Feldweg überhaup üblich ist?

Defakto verlieren wir hierdurch im praktikablem Sinne unsere Zufahrt zu unserem Hof für Lieferungen, Feuerwehrzufahrt und als Zugang für unsere Mieter, die ein Häuschen auf der Rückseite unseres Grundstückes bewohnen.

Wenn die Gemeinde diese Wegauflassung tatsächlich durchziehen kann, müssten wir unseren Hof zwangsläufig stark umgestalten und befahrbar machen. Was nicht nur viel Aufwand und Geld kostet, sondern auch ausgenommen hässlich wäre und die Wohnqualität auf dem gesamten Grundstück massiv beeinträchtigen würde.

Was haben wir für Möglichkeiten uns dagegen zu wehren?
Welche Gesetze sind betroffen und was sind unseren Rechte?

Das ganze spielt in Bayern.
Es gibt auch eine Webseite bezüglich dem Kanal für Steingau bzw. Erlach wo ein Plan zur Veranschaulichung vielleicht hilft?

Vielen Dank für hilfreiche Hinweise.

Sehr geehrter Ratsuchender,

ich möchte Ihre Fragen auf Grund des dargelegten Sachverhalts und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworten:

Ich weise darauf hin, dass dies einer ersten Orientierung über die bestehende Rechtslage dient und ein ggf. persönliches Beratungsgespräch bei einem Anwalt Ihrer Wahl nicht ersetzt.

Das Hinzufügen oder Weglassen von Informationen kann die rechtliche Beurteilung beeinflussen.

Dies vorangestellt beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

In Betracht kommt hier ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Gemeinde wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Ihr Eigentum, geschützt nach Art. 14 GG .

Ob ein solcher jedoch Erfolg verspricht, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden.

Derzeit lieg es an Hand Ihrer Darlegung jedoch eher Nahe, dass ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch nicht erfolgreich geltend gemacht werden kann.

Ihr Grundeigentum müsste dadurch beeinträchtigt sein, dass es nicht mehr ungehindert für Kraftfahrzeuge zugänglich ist.

Die Substanz des Grundeigentums wird durch die beanstandete Herstellung des Pumphauses nicht beschädigt.

Auch der eigentumsrechtliche Schutz des Anliegergebrauchs wird wohl dadurch nicht beeinträchtigt.

Selbst dann wenn die Zufahrtsmöglichkeit im Einzelfall vom Schutz des Eigentums am Grundstück mit umfasst wird, erstreckt sich dieser Schutz nicht auf die Bequemlichkeit der Zufahrt (OVG Bremen, Beschluss vom 27. 2. 2004 - 1 A 481/03 ).

Sofern also noch eine Zufahrtsmöglichkeit besteht, auch wenn diese lediglich über einen Umweg von 2 km zu erreichen ist, besteht hier kein hinreichender Eingriff in den Schutzbereich des Anliegergebrauchs durch den Bau eines solchen Pumphauses auf dem Waldweg.

In Betracht käme unter Umständen noch eine Entschädigung auf Grund der seit Jahren bestehenden Zufahrtsmöglichkeit.

Grundsätzlich kann ein Anlieger Vorteile aus der Lage an einer Straße oder wie hier Waldweg aber nur im Rahmen des jeweiligen Gemeingebrauchs erwarten, der ständigem Wandel und Wechsel unterworfen ist.

Er muss u.a. Behinderungen durch Ausbesserungs- und Verbesserungsarbeiten entschädigungslos hinnehmen; dies gilt auch für Arbeiten an Leitungen, Röhren und sonstigen Anlagen im Straßenkörper mithin auch für Kanalisationsarbeiten.

Jedoch bleiben die Verkehrsbeschränkungen und -hindernisse nur dann in entschädigungslos hinzunehmenden Grenzen, wenn sie nach Art und Dauer nicht über das hinausgehen, was bei ordnungsgemäßer Durchführung der Arbeiten mit möglichen und zumutbaren Mitteln sachlicher und persönlicher Art notwendig ist.

Durch den Bau des Pumphauses auf diesem Weg ist die Nutzung, an Hand Ihrer Darlegung, dauerhaft nicht mehr nutzbar.

Die Behörde muss nach sorgfältiger Planung, unter sachgemäßer Koordinierung überflüssige Beeinträchtigung vermeiden.

Bei einer nicht unerheblichen Überschreitung dieser Grenzen besteht ein Anspruch auf Entschädigung wegen enteignungsgleichen (rechtswidrigen) Eingriffs.

Die Gemeinde ist verpflichtet, im Rahmen ihrer Planung des Bau des Pumphauses aufgrund des Rechtes zur Planung von Bauleitplänen (§ 1 III BauGB ) Ihre Interessen, sowie die Ihrer Nachbarn in die Planung einzustellen und zu berücksichtigen.

Sie ist zunächst verpflichtet, das Pumphaus so anzulegen, dass die Zufahrtsmöglichkeiten für Entsorgungsfahrzeuge (Lkw's) und Bewirtschaftungsfahrzeuge der Höfe nicht behindert werden.

Diese Verpflichtung zur Abstimmung mit Ihren Interessen erfolgt zunächst aufgrund des baurechtlichen Gebotes zur Konfliktbewältigung.

Für die förmliche Bauleitplanung gilt der Grundsatz der Konfliktvermeidung.

Dem Gebot der planerischen Konfliktbewältigung als zentralem Planungsgrundsatz neben dem Gebot der Rücksichtnahme auf schutzwürdige Individualinteressen kommt bei gemeindlichen Planungen - förmlicher oder nicht förmlicher Art - große Bedeutung zu.

Öffentliche Belange - hier das Interesse an einer fachgerechten und regelmäßigen Entwässerung / Abwasserleitung - müssen mit Individualinteressen - hier Ihrem Interessen an einer möglichst ungehinderten Zufahrtsmöglichkeit zu ihrem Grundstück in der Gegenwart und in Zukunft - in Ausgleich gebracht werden.

Als Planungsdirektive gilt das Abwägungsgebot gem. § 1 VI BauGB . Das Konfliktbewältigungsgebot stellt eine Grundanforderung an die rechtsstaatliche Planung dar, es ergibt sich aus dem Wesen und der Funktion des Planungsrechts als Recht des Interessenausgleichs und als Konflikte vorausschauendes Recht.

Sofern als Alternative verschiedene Standorte für den Bau des Pumphauses in Betracht kommen, müssen diese sorgfältig abgewogen werden und der Standort mit den geringsten Beeinträchtigungen gewählt werden.

Unter diesen Umständen würde der beabsichtigte Bau eine Rechtsbeeinträchtigung für Sie darstellen.

Erleichterung von Zufahrtserschwerungen sind auch im Vorfeld des enteignungsrechtlich Erheblichen zu gewähren und damit nicht nur in den Fällen, in denen die bisherige oder die bestehende Zufahrtsmöglichkeit zur öffentlichen Straße so erschwert wird, dass die bisherige Benutzbarkeit des Grundstücks verändert wird; vielmehr ist gerade auch in Fällen eines geringen Eingriffs das Recht der Anlieger am Wohngrundstück zu berücksichtigen (OVG Lüneburg, Urteil vom 14.12.1993 - 12 L 7372/91NVwZ-RR 1994, 559 ).

Eine abschließende Beurteilung kann derzeit jedoch nicht gegeben werden, da insofern Unklarheit darüber herrscht, inwieweit eine Zufahrt über die Gemeindestraße ermöglicht werden kann.

Ich hoffe ich konnte Ihnen einen ersten Überblick über die bestehende Rechtslage geben und Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.

Bestehende Unklarheiten beantworte ich Ihnen gern innerhalb der kostenlosen Nachfragefunktion, wobei ich darum bitte, die Vorgaben dieses Forums zu beachten.

Darüber hinausgehende Fragen beantworte ich Ihnen gern im Rahmen einer Mandatserteilung.
Durch eine Mandatserteilung besteht auch die Möglichkeit einer weiterführenden Vertretung.
Die Kommunikation bei größerer Entfernung kann via Email, Post, Fax und Telefon erfolgen und steht einer Mandatsausführung nicht entgegen.


Mit freundlichen Grüßen

Marco Liebmann
Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 11. Mai 2009 | 01:46

Sehr geehrter Herr Liebmann,

vielen Dank für die gute Aufstellung der rechtlichen Möglichkeiten und Gegebenheiten samt der Beispielurteile.

Alles entscheidend ist für uns hier wohl das Abwägungsgebot, dem die Gemeinde bei der Planung nachkommen muss.

Was hat nun welches "Gewicht" beim Abwägungsgebot?

Die Gemeinde hat derzeit folgende Optionen.
(wichtig ist u.U. zu wissen, dass die Erstinvestition des Entwässerungsvorhaben zu 100% auf die Bürger umgelegt wird, also nicht über Wasserpreis oder ähnlichem Finanziert wird. Wir sind der letzte Abschnitt, in einem Jahr sollt der Bau abgeschossen werden, damit die Endabrechnung gestellt werden kann, und das ausgelegte Geld wieder in die Kasse kommt.)

1. Wie beschlossen und vom Gemeinderat genehmigt, Feldweg auflassen, bei der Erstinvestition sparen und alle Zeitpläne, insbesondere die Fertigstellung und den Termin für die Endabrechnung einhalten. Beeinträchtigungen für die Anlieger und dem Dorfbild in kauf nehmen.

2. Eine Langfristig warsch. günstigere Variante in Betracht ziehen, sich mit einem Grundstückseigentümer über eine Grunddienstbarkeit einigen oder Ihn zu einer Duldung zwingen. Pumpe ist raus aus dem Dorf, und viele ander Vorteile würden alle glücklich machen. Kostet auf jeden Fall ZEIT.

3. Weitere Varianten durchdenken/planen (da gibt es noch einige), kostet auch ZEIT und etwas Planungsgeld.

4. Eine Variante beschließen, die auf jeden Fall teurer ist (ca. 100.000€), die Pumpe dann aber nicht mehr im Dorf steht.

Tja, eigentlich reduziert sich die Nachfrage darauf, ob ZEIT ein Grund sein kann eine Entscheidung mit gravierenden Folgen für die Bevölkerung einfach durchzuziehen, bzw wie viel ZEIT bei eine Projekt, dass auf mindestens 60 Jahre angelegt ist, verhältnismäßig ist?
Wir wissen seit ende Januar wie das Pumpenhaus wirklich aussehen soll und seit 28.April, dass das Pumpenhaus nun auf den Weg gebaut werden soll.

Der Wirtschaftsweg besteht im übrigen seit mindestens 1865, wird im Winter nicht von der Gemeinde geräumt und führt am Wald spitz zusammen, was einer sehr engen Kurve entspricht, die sich gerademal mit einem einfachem PKW halbwegs bewältigen lässt.

Ich hoffe diese Verdeutlichung des Abwägungsumstandes können als Nachfrage betrachtet werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Ratsuchender.


Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 11. Mai 2009 | 16:34

Sehr geehrter Ratsuchender,

auf Grund der Koplexität Ihrer Angelegenheit und des damit in Zusammenhang stehenden Prüfungsumfangs möchte ich auf Ihre Nachfrage insoweit noch kurz ausführen:

Den Aspekt Zeit würde ich als nachringig betrachten.

Dieser steht jedoch nicht allein in Frage. Da die Kosten auf die Bürger umgelegt werden ist auch der Kostenpunkt in jeder Hinsicht mit zu berücksichtigen, so dass eine Bau nicht mit unwirtschaftlichen Kosten verbunden sein darf, da diese wiederum sämtliche Bürger belastet.

Letztendlich bedarf es einer umfassenden Abwägung die an Hand der Planungsunterlagen gewerten werden muss, so dass hier keine abschließende Stellungnahme möglich ist.

Ich gehe davon aus, dass dies auf Ihr Verständnis trifft.

Letztendlich sind aber auch Individualinteressen umfassend zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Frage, ob überhaupt eine Möglichkeit der Zufahrt zu Ihrem Grundstück besteht. Diesbezüglich verweise ich zunächst auf meine biherigen Ausführungen.

Sofern eine Baugenehmingung für den Bau zu erteilen ist, sollten Sie ggf. Widerspruch gegen diese erheben, und zwar innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme.

Diese Kenntnisnahme kann u.U. seit dem 28.04.2009 vorliegen. Jedoch ist derzeit für mich nicht erkennbar, ob Sie Kenntnis von einer bereits vorliegenden Baugenehmigung haben, oder vom Bau an vorgesehener Stelle, auf anderer Art und Weise erfahren haben.

Ich schlage vor, sich mit einem Kollegen vor Ort in Verbindung zu setzen, der Einsicht in die Planungsunterlasgen bei der Gemeinde nehmen sollte.

Sodann wäre eine abschließende Stellungnahme effektiver.

Ich hoffe, Ihnen dennoch behilflich gewesen zu sein.

Für zukünftige Fragen und Problemlösungen stehe ich Ihnen jederzeit gerne wieder zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Marco Liebmann
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 28. Mai 2009 | 22:13

Hat Ihnen der Anwalt weitergeholfen?

Wie verständlich war der Anwalt?

Wie ausführlich war die Arbeit?

Wie freundlich war der Anwalt?

Empfehlen Sie diesen Anwalt weiter?