Sehr geehrte Fragestellerin,
sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, welche ich auf Grundlage Ihrer Sachverhaltsschilderung gerne beantworte.
Zunächst: Es kann sein, dass ich schon einmal eine Frage Ihrerseits beantwortete. Aus plausiblen Gründen des Datenschutzes sieht auch der antwortende Anwalt Ihre persönlichen Daten erst nach Beantwortung – deswegen blende ich eine evt. vorgehende Frage einmal aus und orientiere mich allein an der hier vorliegenden Sachverhaltsschilderung.
Die Baulast bindet, wie Sie wahrscheinlich wissen, den Verpflichteten öffentlich-rechtliche gegenüber der Bauaufsichtbehörde zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen (§ 83 Abs.1 S.1 LBO NRW). Trotzdem ist sie wie jeder Willenserklärung auslegungsfähig, wobei insbesondere Treu- und Glauben (§ 242 BGB
analog) und der wirkliche Wille (§§ 133
, 157 BGB
analog) eine Rolle spielen. Dementsprechend geht die Rechtsprechung auch davon aus, dass die Baulast auch zwischen den nur indirekt beteiligten Nachbarn so auszulegen ist, wie Treu und Glauben es verlangen. Allerdings ist diese Rechtsprechung (zB BGHZ 106, 348
) unmittelbar nur für Sachverhalte anwendbar, in denen das Nachbarschaftsverhältnis auch durch eine Dienstbarkeit und damit eine gesetzliches Schuldverhältnis geprägt ist (so ausdrücklich zB BGH, Urt. v. 18. März 1994 – V ZR 159/92
). Deswegen kann ich Ihre Frage nur grob beantworten, die genaue Antwort hängt wie so häufig im Baurecht von der konkreten örtlichen Situation ab.
1.
Im Zweifel leider ja!
In diesem Sinne zB das OVG Lüneburg, in dessen Entscheidung es zwar um das Thema Abstand ging, der Leitsatz ist aber allgemeingültig (OVG Lüneburg, Urt. v. 5.9.2002, Gz. 1 ME 182/02
):
Erdrückende Wirkung; Grenzabstand; Hinzurechnung benachbarter Grundstücke
Der Bauherr kann gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. iVm Abs. 2 NBauO durch Baulast abstandsrechtlich die volle Straßenbreite für sein Vorhaben gewinnen, wenn derjenige, dem das Grundstück auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehört, durch Baulast auf die Inanspruchnahme "seiner Straßenhälfte" verzichtet; das gilt selbst dann, wenn dieses gegenüberliegende Grundstück baulich nicht genutzt werden kann.
Etwas weiter aber zB OVG Hamburg, Urt. v. 24.4.2002 (Gz. 2 Bf 701/98
) mit auszugsweise folgendem Tenor:
1. Übernimmt ein Grundeigentümer eine Baulast, mit der die Genehmigungsvoraussetzungen für ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück geschaffen werden sollen, ist es eine Frage der Auslegung seiner Erklärung, ob die Wirksamkeit dieser Baulast auf das konkrete Vorhaben beschränkt ist.
2. Der typischen Interessenlage benachbarter Grundeigentümer ohne zusätzliche Sonderbeziehungen entspricht es, eine Baulasterklärung zugunsten eines Nachbarn nicht ohne Kenntnis der beabsichtigten Bebauung abzugeben. Wenn dem Erklärenden eine solche Kenntnis eines konkretisierten Vorhabens vermittelt worden war, spricht dies für einen Bezug der Baulast auf dieses Vorhaben und ihre Beschränkung hierauf.
3. Wird eine sog. Abstandsflächenbaulast übernommen, schließt sie eine nach § 68 Abs. HBauO erforderliche Zustimmung für das konkrete Vorhaben ein, gilt jedoch nicht notwendigerweise als Zustimmung für weitere Vorhaben oder Veränderungen des ursprünglichen Vorhabens.
2.
Mit der Antwort auf Frage 1 dann konsequenterweise eher Nein!
3.
Wenn die zukünftigen Grundstücke Z 1 und Z 2 nur aus dem alten Grundstück Z herausentwickelt werden, dürfte die ursprüngliche Baulast nach obigem fortwirken.
4.
Mir ist jetzt nicht ganz klar, auf welche Bedenken hinsichtlich einer Ablehnung Sie rekurrieren. Falls entgegen meiner „Ferndiagnose“ eine neue Baulast nötig ist, steht Ihnen natürlich ein Widerspruchsrecht hiergegen zu – ggfls. danach eine Klage auf Löschung.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort zunächst einmal weitergeholfen zu haben. Für eine Rückfrage stehe ich Ihnen im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion von „Frag einen Anwalt“ gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen!
Dr. Thomas Schimpf
- Rechtsanwalt -
ra.schimpf@gmx.de
Sehr geehrter Herr Dr. Schimpf,
vielen Dank für Ihre Antworten. Und ja, sie haben uns bereits schon mehrfach Fragen dazu beantwortet.
Folgende Ergänzungen:
1. Es liegt kein Leitungsrecht vor.
2. Die existierende Baulast haben wir beim Kauf unseres Grundstückes übernommen.
3. Die Baulast bezieht sich hier explizit auf ein Wohnhaus mit einer Hausnummer, das nach Auskunft der Stadt noch nicht einmal genehmigt ist („planungsrechtlicher Ausreißer“). Das Flurstück Z wurde tatsächlich in Z1 und Z2 geteilt, so dass sich das Wohnhaus Nr. 30 nur noch im Flurstck Z2 befindet, wodurch lt. Abstandsvorgaben gar keine weitere Bebauung ohne weiteres möglich ist.
Hier zu eine ergänzende Frage:
Wenn man ein Baugrundstück erwirbt, muss man sich solange nicht um die Erschließung kümmern, solange man dort nicht tatsächlich bauen will. Will man aber ein Wohnhaus bauen, ist die Erschließung sicherzustellen.
Demnach sollte das durch eine Baulast begünstigte Objekt ganz allein ein Wohnhaus sein, aber nicht ein Flurstück. Und ein zusätzliches Wohnhaus bedarf einer erneuten Zustimmung, ist dies nicht korrekt?
MfG
Ihr Fragestellender
Sehr geehrter Herr S.,
danke für Ihre Nachfrage und das positive Feedback. Ich konnte nun auch in die mir von Ihnen vor einiger Zeit zugemailten Unterlagen schauen und beantworte Ihre Nachfrage gerne wie folgt:
Ich bin ehrlich gesagt nicht ganz sicher. Denn, wenn ich Sie zitieren darf, ist ja der Wortlauf der Baulasterklärung: "Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Flurstück Y auf dem vorgenannten Weg zugunsten des jeweiligen Eigentümers, der jeweiligen Bewohner, Besucher und Benutzer des Grundstückes Musterstadt, Musterweg 30 (Gemarkung G, Flur 4, Flurstück Z) eine Fläche zum Befahren mit PKW und zum Begehen, soweit dies zum Erreichen und Verlassen des vorgenannten Grundstückes erforderlich ist, zur Verfügung zu stellen. ", während Sie ergänzend nun die Auffassung vertreten, die Baulast beziehe sich explizit auf ein (nota bene noch nicht genehmigtes) Wohnhaus.
Die Baulasterklärung bezieht sich nun aber dem Gesetzeswortlaut nach auf „ein Grundstück“. Dies ist / sind bekanntlich die als eigenständiges Grundbuchblatt im Grundbuch eingetragene(n) Parzelle(n) in Flur(en) / Flurstück(en). Deswegen dürfte die Bezeichnung des geplanten Wohnhauses hier nur deklaratorische Bedeutung haben, so dass ich bei meiner Ausgangsantwort bleiben und Ihrer Vermutung schlussendlich widersprechen möchte.
Ich werde allerdings die nächsten Tage noch mal schauen, ob ich hier ein „punktgenaues“ Urteil aus NRW finde, falls ja, lasse ich es Ihnen an Ihre E-Mail-Adresse zukommen.
Ich hoffe, Ihnen trotzdem weitergeholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüssen
Dr. Thomas Schimpf
- Rechtsanwalt -
ra.schimpf@gmx.de