Sehr geehrte Fragestellerin,
Sie haben vollkommen Recht, ohne vorher ein Räumungsurteil zu erwirken kann Ihr Vermieter Ihre Wohnung weder räumen noch darf er einfach die Schlösser auswechseln. Selbst wenn ein Räumungsurteil vorliegt müsste Ihr Vermieter einen Gerichtsvollzieher mit dem Austauschen der Schlösser und dem Ausräumen und Einlagern der Möbel beauftragen. Außerdem hätten Sie noch eine gewisse Frist, selbst für die Räumung der Wohnung zu sorgen. Sie teilen jedoch mit, dass eine Räumungsklage bisher noch nicht einmal zugestellt geschweige denn hierüber entschieden wurde. Sie schreiben zwar, Sie sind mit Ihrem Vermieter "im Rechtsstreit", aber das meinen Sie offenbar so, dass Sie seit Dezember verschiedenen Meinungen über eine rechtliche Fragestellung haben und wahrscheinlich hierüber gesprochen und vielleicht auch geschrieben haben. Wenn ich dies falsch verstanden habe, bitte ich um Mitteilung über die Nachfragefunktion.
Daher waren und sind sie rechtmäßige Besitzerin der Wohnung und Ihres Hausrates.(Zum Verständnis: ich benutze hier das Wort Besitz als juristischen Fachausdruck. Gemeint ist die tatsächliche Herrschaft einer Person über die Sache, zu unterscheiden vom Eigentum). Der Vermieter hat daher verbotene Eigenmacht verübt, und Sie könnten sich gemäß § 859 Abs. 3 BGB
durch sofortige Entziehung des Besitzes durch Entsetzung Ihres Vermieters wieder des Besitzes an der Wohnung bemächtigen. Konkret bedeutet dies: Sie könnten zu Ihrer Wohnung fahren, mittels eines Schlüsseldienstes die von Ihrem Vermieter eingesetzten Schlösser aufbrechen und neue Schlösser einsetzen lassen. Diese Vorgehensweise setzt aber voraus, dass Sie sofort nach dem Austausch der Schlösser, nach objektivem Maßstab also so schnell wie möglich handeln. Es ist also Eile geboten. Wenn der Vermieter Ihre Wohnung aber tatsächlich ausgeräumt hat, hilft dies wegen Ihrer Möbel wenig weiter. Bei beweglichen Gegenständen wie Möbeln ist eine Besitzkehr im Wege der Selbsthilfe nur zulässig, wenn Sie den Täter auf frischer Tat betreffen oder verfolgen, also direkt nach dem Ausräumen die Möbel usw. aus der Hand reißen. Wenn der Vermieter die Möbel z.B. in seinem eigenen Keller eingelagert hat, dürfte Sie diesen nicht aufbrechen lassen. Außerdem könnten Sie das Spiel mit dem Austauschen der Schlösser unbegrenzt lange fortsetzen, da Sie ja nicht 24 Stunden in der Wohnung sind, um den Vermieter davon abzuhalten, die Schlösser wieder auszutauschen.
Alternativ haben Sie die Möglichkeit, in einem gerichtlichen Eilverfahren sich den Besitz an der Wohnung wieder einräumen zu lassen und die Herausgabe der verschiedenen Gegenstände zu verlangen. Hierbei müssten die verschiedenen Gegenstände genau bezeichnet werden. Ein entsprechender Beschluss bzw. Urteil könnte bereits in wenigen Tagen erwirkt werden. Sie könnten dann einen Gerichtsvollzieher damit beauftragen, die Schlösser an der Wohnung auszuwechseln und die Herausgabe Ihrer Möbel zu veranlassen. Sollte der Vermieter Ihre Möbel verkauft oder entsorgt haben, muss er Ihnen den entstandenen Schaden ersetzen, wobei Sie allerdings bei jedem einzelnen Gegenstand nachweisen müssten, wie teuer er war. Soweit Ihnen mitgeteilt wurde, wo Ihre Möbel und persönlichen Gegenstände sind, bitte ich um Mitteilung im Rahmen der Nachfragefunktion.
Ein solcher Rechtsstreit kostet natürlich Geld. Wieviel kann ich zurzeit nicht abschätzen, bei Ansprüchen auf Besitzverschaffung liegt der so genannte Gegenstandswert, anhand dessen sich die Gebühren berechnen, auch im Ermessen des Gerichts und orientiert sich auch daran, wie aggressiv Ihr Vermieter vorgegangen ist und ob er sich strafbar gemacht hat. Anhaltspunkt wird auch die von Ihnen zu zahlende Miete sein, deren Höhe mir unbekannt ist. Bitte gehen Sie daher davon aus, dass Sie ein Kostenrisiko in Höhe von EUR 1.000,00 bis EUR 2.000,00 eingehen. Wenn Sie den Prozess gewinnen, muss aber Ihr Vermieter die Kosten tragen. Nach Ihren derzeitigen Schilderungen sind Ihre Aussichten aber durchaus positiv. Es besteht allerdings immer die Möglichkeit, dass Sie Ihren Kostenerstattungsanspruch wegen Zahlungsunfähigkeit nicht durchsetzen können. Sollten Sie von Sozialleistungen leben oder über ein ähnlich niedriges Einkommen verfügen, haben Sie zudem die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe bezüglich der Gebühren Ihres Anwaltes und der Gerichtskosten zu beantragen. Die Gebühren des gegnerischen Anwaltes werden nicht umfasst.
Unabhängig hiervon haben Sie die Möglichkeit, bei der Polizei Strafanzeige zu stellen wegen Hausfriedensbruchs und - je nachdem was Ihr Vermieter mit Ihren Möbeln gemacht hat - ggf. Diebstahl oder Sachbeschädigung. Dies hilft Ihnen jedoch bis September nicht weiter, sondern würde Ihnen nur nachträglich noch eine gewisse Genugtuung verschaffen.
Ob Ihre Mietkürzungen berechtigt waren, müsste dann in der von Ihrem Vermieter angeblich eingereichten Räumungsklage und damit in einem zweiten Prozess geklärt werden. Dessen Ausgang kann ich anhand Ihrer Angaben nicht beurteilen. Wenn in Küche-, Eß- und Wohnzimmer der Boden ausgetauscht wird und Sie diese Räume für einige Tage nicht nutzen können, rechtfertigt dies sicher eine Minderung. Gleiches gilt, wenn wegen des Wasserschadens vorher über einen längeren Zeitraum optische Beeinträchtigungen wie Wasserflecken, sich ablösende Fliesen o.ä. vorhanden waren. Wie hoch die Ihnen zustehende Minderung wäre, hängt von den konkret vorliegenden Nutzungsbeeinträchtigungen im Einzelfall ab. Wenn Sie die Wohnung am 01.09.2010 räumen, könnte Ihr Vermieter die Räumungsklage für erledigt erklären, und es wäre ohnehin nur noch über die Kosten zu entscheiden.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen ersten Überblick verschaffen. Ansonsten nutzen Sie wie angesprochen die Nachfragefunktion. Sollten Sie eine einstweilige Verfügung einreichen wollen, wäre das Gericht an Ihrem Wohnort zuständig. Dieser ist ausweislich Ihrer Adresse im Westerwald. In diesem Fall wäre ich bereit, den Rechtstreit zu den Bedingungen eines Anwalts an Ihrem Wohnort zu führen. Korrespondenz könnte viel E-Mail und Telefon erledigt werden. Sollte der Prozess in Thüringen zu führen sein, wo Sie sich ausweislich Ihrer IP zurzeit befinden, wenden Sie sich bitte an einen örtlichen Kollegen.
Antwort
vonRechtsanwältin Dr. Elke Scheibeler
Heinz-Fangman-Str. 2
42287 Wuppertal
Tel: 0202 76988091
Web: https://www.kanzlei-scheibeler.de
E-Mail:
Rechtsanwältin Dr. Elke Scheibeler
Fachanwältin für Arbeitsrecht