Gerne zu Ihrer Frage:
Ich sehe in Ihrem Fall gewisse potentielle Probleme in Bezug auf die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt, die ja sowohl für den Bezug von ALG I als auch von ALG II (Bürgergeld) eine zentrale Voraussetzung ist.
Im Einzelnen:
1. ALG I und Weiterbildung in Vollzeit
Beim Bezug von ALG I müssen Sie grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, d. h. Sie müssen arbeitssuchend sein und eine zumutbare Beschäftigung aufnehmen können.
Eine Vollzeit-Weiterbildung ohne Förderung durch die Agentur für Arbeit kann problematisch sein, da die Agentur argumentieren könnte, dass Sie nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Bemühen Sie sich deshalb, mit Ihrem Sachbearbeiter eine Teilnahme an der Weiterbildung mit Nebenjob oder flexibler Verfügbarkeit abzustimmen, sodass Sie im Ergebnis weiterhin für Stellenangebote jederzeit offen sind.
2. ALG II (Bürgergeld) und Weiterbildung in Vollzeit
Beim Bürgergeld gilt ebenfalls das Verfügbarkeitsprinzip: Sie müssen grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Eine nicht genehmigte Vollzeit-Weiterbildung könnte dazu führen, dass das Jobcenter die Leistungen kürzt oder streicht, wenn es argumentiert, dass Sie nicht mehr oder erschwert vermittelbar sind.
Lösung:
Sie haben bereits Ihren Sachbearbeiter informiert und zugesichert, dass Sie sich weiter bewerben – das ist ein wichtiger Schritt!
Falls das Jobcenter nachfragt, können Sie argumentieren, dass Sie die Weiterbildung in Teilzeit fortsetzen würden, sobald sich eine Arbeitsmöglichkeit ergibt. Das sollten Sie aber mit den Kündigungsmöglichkeiten Ihres Anbieters für Weiterbildung zum Bilanzbuchalter in Vollzeit abstimmen und Ihrem Sachbearbeiter nachweisen. (**)
Ich gehe von einem pflichtgemäßen Ermessen (*) des Jobcenters aus, eine Weiterbildung im Nachhinein zu genehmigen, wenn es als zielführend für die Vermittlungschancen als Bilanzbuchhalter angesehen wird.
(*) Deshalb sollten Sie - falls das ALG I/II abgelehnt oder gekürzt wird - dagegen Widerspruch einlegen und darauf verweisen, dass Sie weiterhin arbeitsbereit sind.
Falls das Jobcenter die Zahlung stoppt, könnten Sie mit einem im Sozialrecht/Arbeitsrecht versierten Anwalt oder der Sozialberatung (z. B. über Wohlfahrtsverbände oder Gewerkschaften) klären, ob die Maßnahme wirklich eine Leistungsverweigerung rechtfertigt.
Sie könnten sich darauf berufen, dass die Weiterbildung die Chance auf eine nachhaltige berufliche Integration verbessert, was nur im Sinne des Jobcenters liegt.
Mithin: Proaktive Abstimmung mit Ihrem Sachbearbeiter unter Beibringung o.g. Belege (**)
Vereinbaren Sie ein Gespräch mit Ihrem Sachbearbeiter und klären Sie verbindlich, dass Sie weiterhin für den Arbeitsmarkt verfügbar sind.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
Danke für die ausführliche Antwort. Habe ich es richtig verstanden, dass das Jobcenter sogar meine Wohnkosten verweigern kann. ich dachte 100% Sperre wäre nur für den regelsatz mgl.
Danke. Und schönen Abend.
Gerne zu Ihrer Nachfrage, ob die Wohnkosten komplett gestrichen werden könnten?
a) Bei Sanktionen (§ 31 SGB II)
Falls Sie eine Pflichtverletzung begehen (z. B. Termin nicht wahrnehmen, Vermittlungsangebot ablehnen), kann das Jobcenter nur den Regelsatz kürzen.
Die Kosten der Unterkunft werden weiter übernommen.
Eine 100 % Sperre ist seit der Reform des Bürgergeldes (2023) nur noch in extremen Ausnahmefällen möglich.
b) Bei fehlender Erwerbsfähigkeit (wegen Vollzeit-Weiterbildung)
Falls das Jobcenter Ihre Vollzeit-Weiterbildung als unvereinbar mit Ihrer Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt einstuft, könnte es Ihnen komplett die Leistungen verweigern – auch die Miete.
Das würde bedeuten, dass Sie auch Ihre Miete selbst zahlen müssten.
Allerdings muss das Jobcenter nachweislich feststellen, dass Sie durch Ihre Weiterbildung dauerhaft nicht für den Arbeitsmarkt verfügbar sind. Das ist eine Ermessensentscheidung, die Sie anfechten können und sollten. Denn mit Ihrem Nachweis einer zielführenden und qualifizierenden Weiterbildung zum Bilanzbuchalter sollte das pflichtgemäße Ermessen der Behörde doch günstig ausfallen. M.E. geradezu lebensfremd, Ihnen eine Teilzeittätigkeit neben Ihrer qualifizierten Fortbildung (komplementär) zu versagen.
Ihnen das Beste wünscht,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt