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Verweigern des Elternunterhaltes - Sorgerechtentzug im Jugendlichenalter

| 23. Juli 2025 14:10 |
Preis: 60,00 € |

Familienrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Zusammenfassung

Fragen zum Elternunterhalt und Verwirkung nach § 1611 BGB

Guten Tag,
Meine Mutter starb im Jahr 2006, diese befand sich zu dem Zeitpunkt im Prozess der Scheidung von meinem Vater. Ich war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt, die Beziehung zu meinem Vater war in der Zeit bereits stark angeschlagen. Unmittelbar nach dem Tod meiner Mutter zog ich aus dem elterlichen Haus aus und lebte bei meiner Großmutter, ich hatte seit dem auch keinen Kontakt mehr mit meinem Vater. Meine Großmutter übernahm seit dem Pflege-/ und Fürsorgeaufgaben für meine Schwester und mich. Kurze Zeit nach dem Tod meiner Mutter, zu Beginn des Jahres 2007, beantragten meine Schwester und ich den Entzug des Sorgerechtes von meinen Vater und die Bestellung eines gesetzlichen Vormundes durch das zuständige Jugendamt. Dem wurde auf Grundlage unserer Argumentation durch das zuständige Amtsgericht stattgegeben. U.A. beinhaltete die Argumentation Verfehlungen in finanziellen Entscheidungen, Vernachlässigung und emotionale Manipulation sowie mangelnde Pflege und Fürsorge.

Ich erfuhr nunmehr, dass mein Vater in ein Krankenhaus eingeliefert wurde und dort intensivmedizinisch behandelt wird. Auf Grund seiner lückenhaften Erwerbshistorie ist nicht davon auszugehen, dass er eine Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung finanziell wird stemmen können.

Unabhängig davon, ob das Sozialamt überhaupt eine Grundlage zur Annahme hat, dass meine Einkünfte die Grenze zum Einholen einer Einkommenserklärung haben, würde ich gerne wissen, ob der Entzug des Sorgerechtes vor Vollendung des 18. Lebensjahres ein hinreichender Grund zur Verweigerung des Elternunterhaltes darstellt. Kommt es hier auf den genauen Inhalt des Antrages an oder ist der Auszug aus dem Haushalt in Kombination mit Kontaktabbruch und Entzug des Sorgerechts schon als solcher ausreichend?

23. Juli 2025 | 14:58

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:


1. Grundsatz des Elternunterhalts
Grundsätzlich sind Kinder gemäß § 1601 BGB ihren Verwandten in gerader Linie, also auch ihren Eltern, zum Unterhalt verpflichtet, wenn diese ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln und Einkünften bestreiten können. Dies gilt, wenn die Eltern bedürftig sind und die Kinder leistungsfähig sind. Die Unterhaltspflicht besteht unabhängig davon, ob die Eltern das Sorgerecht innehatten oder nicht.

2. Verwirkung des Elternunterhaltsanspruchs (§ 1611 BGB)
Die von Ihnen geschilderten Umstände könnten jedoch dazu führen, dass der Unterhaltsanspruch Ihres Vaters nach § 1611 BGB verwirkt ist. Diese Vorschrift regelt die Beschränkung oder den Ausschluss der Unterhaltspflicht bei grober Unbilligkeit.

§ 1611 Abs. 1 BGB besagt:

„Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre."

3. Relevanz Ihrer Situation für § 1611 BGB
Ihre Angaben legen nahe, dass die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gegeben sein könnten:
• Entzug des Sorgerechts aufgrund schwerwiegender Verfehlungen: Sie schildern, dass dem Entzug des Sorgerechts im Jahr 2007 auf Grundlage Ihrer Argumentation, die "Verfehlungen in finanziellen Entscheidungen, Vernachlässigung und emotionale Manipulation sowie mangelnde Pflege und Fürsorge" umfasste, durch das Amtsgericht stattgegeben wurde. Ein gerichtlicher Entzug des Sorgerechts wegen solcher Gründe, insbesondere Vernachlässigung und emotionaler Manipulation, kann eine "schwere Verfehlung" im Sinne des § 1611 Abs. 2 BGB darstellen.
• Kontaktabbruch und Auszug: Der unmittelbare Auszug aus dem elterlichen Haus nach dem Tod Ihrer Mutter, der Kontaktabbruch und das Leben bei Ihrer Großmutter, die Pflege- und Fürsorgeaufgaben übernahm, unterstreichen die Schwere der elterlichen Pflichtverletzungen und die Zerrüttung des Verhältnisses.

4. Urteile des BGH zum Elternunterhalt und § 1611 BGB
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen die Voraussetzungen des § 1611 BGB für den Elternunterhalt konkretisiert. Entscheidend ist stets eine Einzelfallprüfung, bei der alle Umstände des Falles zu würdigen sind.

• BGH, Urteil vom 12.02.2014 – XII ZB 114/13: In diesem Urteil hat der BGH klargestellt, dass auch ein „schweres Fehlverhalten" eines Elternteils gegenüber seinem Kind zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1611 BGB führen kann. Ein solches schweres Fehlverhalten kann insbesondere darin liegen, dass der Elternteil seine elterlichen Pflichten in erheblichem Maße verletzt hat, was sich negativ auf die Entwicklung des Kindes ausgewirkt hat. Eine Verletzung der Unterhaltspflicht, mangelnde Zuwendung und schwere Vernachlässigung der Erziehungspflichten können solche schwerwiegenden Verfehlungen sein. Der BGH hat betont, dass die Anforderungen an die Verwirkung hoch sind, aber nicht unerreichbar.

• BGH, Urteil vom 21.01.2015 – XII ZB 172/14: Hier hat der BGH bestätigt, dass die Verwirkung auch bei mangelnder emotionaler Zuwendung oder dem Abbruch des Kontakts durch den Elternteil in Betracht kommen kann, wenn dies als eine schwere Verfehlung zu werten ist. Der bloße Kontaktabbruch seitens des Kindes reicht in der Regel nicht aus, um eine Verwirkung zu begründen, es sei denn, er ist die Folge eines schweren Fehlverhaltens des Elternteils.

• BGH, Urteil vom 28.05.2014 – XII ZB 505/12: In diesem Fall wurde die Frage behandelt, ob der Verzicht eines Vaters auf sein Umgangsrecht eine schwere Verfehlung darstellen kann. Der BGH bejahte dies im Grundsatz, betonte aber, dass immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen sei.

5. Antwort auf Ihre spezifischen Fragen
• Stellt der Entzug des Sorgerechtes vor Vollendung des 18. Lebensjahres ein hinreichender Grund zur Verweigerung des Elternunterhaltes dar?
Ja, der gerichtliche Entzug des Sorgerechts aufgrund schwerwiegender Verfehlungen des Vaters (wie von Ihnen geschildert: finanzielle Verfehlungen, Vernachlässigung, emotionale Manipulation, mangelnde Pflege und Fürsorge) ist ein sehr starkes Indiz und kann in der Regel einen hinreichenden Grund für die Verwirkung des Elternunterhaltsanspruchs nach § 1611 BGB darstellen. Es handelt sich hierbei um eine gerichtliche Feststellung schwerwiegender Pflichtverletzungen, die in der Regel eine "schwere Verfehlung" gegen Sie als Kind begründen.

• Kommt es hier auf den genauen Inhalt des Antrages an oder ist der Auszug aus dem Haushalt in Kombination mit Kontaktabbruch und Entzug des Sorgerechts schon als solcher ausreichend?

Es kommt auf den genauen Inhalt des damaligen Antrages und vor allem auf die Gründe der gerichtlichen Sorgerechtsentziehung an. Die Tatsache, dass das Amtsgericht dem Antrag stattgegeben hat, und die von Ihnen genannten Gründe (finanzielle Verfehlungen, Vernachlässigung, emotionale Manipulation, mangelnde Pflege und Fürsorge) sind hier von entscheidender Bedeutung. Diese Gründe sind die "schweren Verfehlungen", die eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs begründen können. Der Auszug aus dem Haushalt und der Kontaktabbruch sind zwar selbst keine Verwirkungsgründe im Sinne des § 1611 BGB, aber sie sind Folge und Ausdruck dieser schweren Verfehlungen Ihres Vaters und der daraus resultierenden Zerrüttung des Verhältnisses. Sie untermauern die Schwere der Verfehlungen und die Unzumutbarkeit der Unterhaltsgewährung für Sie. Das Zusammenwirken all dieser Umstände – die ursprünglichen Verfehlungen, die zum Sorgerechtsentzug führten, der Auszug, der Kontaktabbruch – spricht stark für eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs.

6. Vorgehen bei einer Aufforderung durch das Sozialamt
Sollte das Sozialamt auf Sie zukommen und eine Auskunft über Ihre Einkommensverhältnisse verlangen, sollten Sie die oben genannten Umstände detailliert darlegen und sich auf § 1611 BGB berufen.

Zusammenfassend: Die Entziehung des Sorgerechts Ihres Vaters aufgrund der von Ihnen genannten schwerwiegenden Gründe ist ein sehr starkes Argument für die Verwirkung des Elternunterhaltsanspruchs nach § 1611 BGB. Die von Ihnen geschilderte Gesamtsituation deutet darauf hin, dass eine Unterhaltspflicht in Ihrem Fall mit grober Unbilligkeit verbunden wäre. Sofern der Vater seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber Ihnen verletzt hat, was aus dem Sachverhalt nicht so klar hervorgeht, dann ist in jedem Fall von Verwirkung auszugehen und es ist keine Unterhaltsverpflichtung für Sie gegeben.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie gern nachfragen.

Mit vorzüglicher Hochachtung


Simone Sperling
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Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Erbrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Betriebswirt (HWK)

Datenschutz:
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