Sehr geehrter Rechtssuchender,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Angaben wie folgt summarisch beantworte:
Ich verstehe Ihre Schilderung so, dass Sie in dem besagten Betrieb als Handelsvertreter tätig wären. Als solcher unterfallen Sie unabhängig von jeder vertraglichen Regelung schon dem § 90 HGB
.
Dieser lautet:
§ 90
Der Handelsvertreter darf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekanntgeworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen, soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen würde.
Die von Ihnen zitierte Vertragsklausel geht darüber noch hinaus.
Aus Ihrer Beschreibung geht nicht hervor, wie groß Ihr finanzieller Nutzen aus der Tätigkeit wäre. Eine Vertragsstrafe kann unwirksam bzw. nichtig sein, wenn Sie den einen Teil über Gebühr benachteiligt und die Strafhöhe völlig außer Verhältnis zum Nutzen steht. Das wird aber bei einem Betrag von 10.000,00 € eher nicht der Fall sein. Der erste Teil der Klausel ("Der Handelsvertreter wird über alles, was er im Unternehmen erfährt, Stillschweigen bewahren. Er bestätigt ausdrücklich durch seine Unterschrift, dass er bei Verletzung sich zum Schadenersatz in Höhe von jeweils € 10.000,- verpflichtet.) ist daher m.E. in Ordnung.
Unklar ist aber m.E. der zweite Teil (Sollte der Handelsvertreter während und nach seinem Austritt aus dem Handelsvertretervertrag in einem Verkauf, der unserem Konzept ähnlich ist, tätig werden, so trägt er die Kosten für die Einarbeitung und Schulung, sowie einen Ersatzanspruch von € 10.000,-" ) der Klausel. Die Wettbewerbsbeschränkung hinsichtlich einer gleichzeitigen Tätigkeit kann sicherlich vereinbart werden. Aber ein zeitlich unbeschränktes Verbot - anderenfalls droht Strafe - für die Zukunft ist so nicht möglich. Ich gehe davon aus, dass die Klausel eine vorformulierte Vertragsbedingung seitens des Betriebes (AGB) ist und keine im Einzelnen zwischen Ihnen ausgehandelte Sache.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 2
i.V.m. § 305 c Abs. 2 BGB
wäre die Klausel wegen ihrer zu offenen und damit unklaren Formulierung wohl unwirksam.
Diese Normen lauten:
307
Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
§ 305c
Überraschende und mehrdeutige Klauseln
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Da es sich gerade bei AGB-Recht um ein stark von der Rechtsprechung geprägtes Gebiet handelt, kann diesbezüglich keine völlig sichere Prognose erstellt werden.
Bei Ihnen kommt die Besonderheit hinzu, dass Sie offenbar von vornherein vorhaben, nur die Schulung mitzunehmen und gegebenenfalls ca. 6 Monate zu bleiben um dann einen gleichartigen Betrieb zu eröffnen. Eine wirksame Vertragsstrafe für einen Betriebswechsel in diesem Zeitraum zu vereinbaren wäre m.E. ohne weiteres möglich; ebenso die Auferlegung der Schulungskosten. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es Ihnen bei einer eventuellen späteren Auseinandersetzung versagt würde, sich auf die Unwirksamkeit zu beruhen.
Wenn Sie nur die Schulung machen und sodann den Betrieb wieder verlassen, so käme auch ein Anspruch des Betriebes z.B. aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen Sie in Betracht, welcher unabhängig von der Klausel in Höhe der Schulungskosten entstehen würde. Wie hoch die Schulungskosten sind und welchen Nutzen Sie davon tragen, ist aus Ihrer Schilderung nicht ersichtlich.
Der Ersatzanspruch wäre daher in voller Höhe durchsetzbar, soweit er sich auf den ersten Teil der Klausel bezieht. Hinsichtlich des zweiten Teiles wird es auf die Würdigung des konkreten Einzelfalles - insbesondere die Dauer der Tätigkeit und den Zeitraum zwischen Ausscheiden und Aufnahme der neuen Tätigkeit - ankommen.
Letztlich weise ich noch darauf hin, dass eine abschließende und vollumfängliche Beratung nur über eine persönliche Mandatierung möglich ist. Die Auskunft in diesem Forum kann daher nur einen ersten Anhaltspunkt geben.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Michaela Heinen
Rechtsanwältin
Danke für die sehr ausführliche Antwort,
trotzdem ist mir noch etwas unklar.
1. Irgendwelche Erfahrungen verwertet man immer an anderer Stelle, begründet sich schon daraus ein Anspruch im ersten Teil der Klausel?
2. Bei Eröffnung einer eigenen Firma nach Kündigung kann ich den zweiten Teil der Klausel noch nachvollziehen, wie sieht das aber bei Anstellung als Handelsvertreter in einer fremden Firma aus?
Die Schulung ist eine einstündige theoretische Unterweisung mit anschließendem Verkauf auf eigenes Risiko, nicht sehr kostenintensiv.
Ich bin nicht daran interessiert, die "Schulung mitzunehmen", ich kann den Verkauf auch ohne Schulung bewältigen. Dann ist der Gewinn auf beiden Seiten. Richtig ist allerdings, daß ich den Job als Zeitfüller machen will.
Herzlichen Dank im Voraus.
Gerne beantworte ich Ihre Nachfrage:
Selbstverständlich dürfen Sie Ihre gemachten Erfahrungen weiter verwenden. Solche sind aber von Informationen abzugrenzen, welche Sie allein aufgrund der Tätigkeit bei dem Betrieb erworben haben. Darunter würden z.B. vollständige Kundendateien oder interne Informationen über Zulieferbetriebe fallen, welche Sie dann einem neuen „Arbeitgeber“ zukommen lassen oder für eine eigene Unternehmungen verwenden.
Hier ein Auszug aus einem wenn auch schon älteren BGH Urteil (I ZR 294/90
vom 28.01.1993) welches Sich auf die Verwertung von Kundenadressen bezog:
„Es entspricht den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs und widerspricht nicht der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns, wenn ein ausgeschiedener Handelsvertreter in Konkurrenz zu dem früher von ihm vertretenen Unternehmen auch bezüglich dessen Kunden tritt. Es steht einem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertreterverhältnisses grundsätzlich frei, dem Unternehmer, für den er bis dahin tätig gewesen ist, auch in dem Bereich Konkurrenz zu machen, in dem er ihn vorher vertreten hat. Einen generellen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenkreises hat der Unternehmer nicht. Wettbewerbsrechtlich kann er das Vorgehen seines früheren Handelsvertreters nur dann beanstanden, wenn sich dieser bei dem Wettbewerb um die Kundschaft unlauterer Mittel bedient (BGH GRUR 64,215
= NJW 64,351
- Milchfahrer). Ein vertrags- oder wettbewerbswidriges Verhalten liegt daher dann nicht vor, wenn ein ausgeschiedener Vertreter Kundenadressen verwertet, die in seinem Gedächtnis geblieben sind, oder sich solche Anschriften von Kunden nutzbar macht, die keinen dauerhaften geschäftlichen Kontakt zu dem bisher vertretenen Unternehmen aufgenommen haben. Die danach grundsätzlich gegebene und dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Möglichkeit, nach Beendigung der Vertretertätigkeit auch in Wettbewerb zur Beklagten zu treten, versperrt aber die Beklagte dem Kläger durch das umfassende und zeitlich unbeschränkte Verwertungsverbot..“
Der zweite Teil der Klausel unterscheidet nicht zwischen Tätigkeit in einem eigenen oder in einem fremden Betrieb.
Mit freundlichen Grüßen
Michaela Heinen
Rechtsanwältin