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Versteckter Vereinsausschluss durch Satzungsänderung

| 2. Juli 2024 12:50 |
Preis: 75,00 € |

Vereinsrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Es geht um das Procedere bzw. die Zulässigkeit eine Satzungsänderung, welche den Vereinszweck verändert.

Guten Tag ,
ich bin seit 13 Jahren als gewähltes , ordentliches Mitglied in einem Verein aktiv , der ein Wohnprojekt betreibt . 10 Jahre habe ich im Projekt gewohnt . Nun wohne ich in direkter Nähe und möchte gern Teil der Gemeinschaft bleiben , weiterhin mit Rechten und Pflichten am Vereinsleben teilnehmen . Es gibt eine kleine Gruppe von Mitgliedern mit gleichem Status .
Ein Entwurf für eine Satzungsänderung verändert den Vereinszweck von „ Förderung von gemeinschaftlichen Wohnen „ zu „ Förderung des Zusammenwohnens im Projekt „
Außerdem wurde hinzugefügt , dass Fördermitglieder in der Mitgliederversammlung kein Stimmrecht haben .
Ich wüsste nicht , dass es bisher Fördermitglieder gegeben hätte .
Soweit ich weiß , haben Fördermitglieder keine Rechte , am Vereinsleben teilzunehmen , es sei denn , diese werden ihnen ausdrücklich eingeräumt , was hier nicht der Fall ist .
Nun meine Frage : Könnte der Verein mich mittels dieser Satzungsänderungen zwingen , meine ordentliche Mitgliedschaft aufzugeben , mit dem Angebot einer Fördermitgliedschaft . Grund : Ich bin weder Bewohnerin noch auf der Warteliste für eine Wohnung .
Ist eine Kündigung oder Umwandlung der Mitgliedschaft über eine Satzungsänderung rechtlich möglich ? Sie käme in meinen Augen einem Vereinsausschluss übers Hintertürchen gleich . ( Gründe für eine normale Kündigung gibt es nicht .)

Herzlichen Dank im Voraus !

Einsatz editiert am 2. Juli 2024 13:58

2. Juli 2024 | 15:56

Antwort

von


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41812 Erkelenz
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Gerne zu Ihrem Fall:

Die geplanten Satzungsänderungen hinsichtlich des Vereinszwecks und der Rechte von Fördermitgliedern können zwar grundsätzlich durch Beschluss der Mitgliederversammlung mit der erforderlichen je nach Satzung - regelmäßig qualifizierten - Mehrheit vorgenommen werden. Allerdings dürfen bestehende Mitgliedschaften dadurch nicht einseitig verändert oder entzogen werden. Dies käme in der Tat einem Vereinsausschluss durch die Hintertür gleich.
Die Rechte von Mitgliedern (z. B. Stimmrecht) dürfte durch eine Satzungsänderung verändert werden. Eine Umwandlung Ihrer ordentlichen Mitgliedschaft in eine Fördermitgliedschaft durch eine Satzungsänderung ist theoretisch möglich, stellt jedoch einen erheblichen Eingriff in Ihre Mitgliedschaftsrechte dar.

Ist ein Ausschluss aus dem Verein ist dadurch möglich?

Es muss geprüft und abgewogen werden, ob die Satzungsänderung die Rechte von bestehenden Mitgliedern so erheblich beeinträchtigt, dass sie rechtlich zweifelhaft ist. Insbesondere, wenn die Satzungsänderung als faktischer Vereinsausschluss interpretiert werden könnte, halte ich das für problematisch. Eine Kündigung oder Umwandlung der Mitgliedschaft kann in der Regel nur unter den in der Satzung festgelegten Bedingungen erfolgen. Jede Maßnahme des Vereins muss verhältnismäßig sein und dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entsprechen. Eine Satzungsänderung, die Mitglieder ohne sachlichen Grund benachteiligt, könnte als unzulässig angesehen werden.

Im Einzelnen: Eine Satzungsänderung, die den Vereinszweck wesentlich verändert, bedarf in der Regel der Genehmigung und Eintragung beim Vereinsregistergericht (Amtsgericht). Hier einige wichtige Punkte dazu:

Jede wesentliche Änderung der Satzung eines eingetragenen Vereins muss zur Eintragung im Vereinsregister angemeldet werden (§ 71 BGB). Dies gilt insbesondere für Änderungen des Vereinszwecks, da diese von grundlegender Bedeutung für die Identität des Vereins sind.


§ 71 BGB Änderungen der Satzung
(1) Änderungen der Satzung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Vereinsregister. Die Änderung ist von dem Vorstand zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung sind eine Abschrift des die Änderung enthaltenden Beschlusses und der Wortlaut der Satzung beizufügen. In dem Wortlaut der Satzung müssen die geänderten Bestimmungen mit dem Beschluss über die Satzungsänderung, die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt eingereichten vollständigen Wortlaut der Satzung und, wenn die Satzung geändert worden ist, ohne dass ein vollständiger Wortlaut der Satzung eingereicht wurde, auch mit den zuvor eingetragenen Änderungen übereinstimmen.
(2) Die Vorschriften der §§ 60, 64 und 66 finden entsprechende Anwendung.



2. Vereinszweckänderung: Eine wesentliche Änderung des Vereinszwecks, wie in Ihrem Fall von der „Förderung von gemeinschaftlichem Wohnen" zu „Förderung des Zusammenwohnens im Projekt", stellt eine grundsätzliche Neuausrichtung dar. Dies erfordert regelmäßig, dass die Mitgliederversammlung mit der hierfür erforderlichen qualifizierten Mehrheit (meist zwei Drittel der Stimmen) zustimmt. ]

3. Rechtliche Prüfung durch das Amtsgericht: Das Amtsgericht prüft bei der Eintragung in das Vereinsregister, ob die Satzungsänderung formell korrekt zustande gekommen ist und ob der geänderte Vereinszweck nicht eine völlige Neuausrichtung des Vereins bewirkt. Das Registergericht prüft die formelle Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung und ob die eingereichten Unterlagen die beantragte Eintragung der Satzungsänderung rechtfertigen. Das Registergericht hat ein materielles Prüfungsrecht und prüft das gesetz- und satzungsmäßige Zustandekommen des Änderungsbeschlusses sowie seine inhaltliche Zulässigkeit (KG GWR 2021, 331; OLG Düsseldorf NJW-RR 2022, 474 f. = NZG 2022, 424 f.; FGPrax 2010, 43), also neben der Verletzung der in §§ 56‒59 BGB genannten Bestimmungen sämtliche Verletzungen privaten und öffentlichen Rechts Denn der gemeinsame Vereinszweck ist ein konstituierendes Merkmal jeder Personenvereinigung[/b

4. Mitgliederrechte und Abstimmungsverfahren: Bei einer so grundlegenden Änderung müssen alle Mitglieder ausreichend informiert und die Möglichkeit zur Mitwirkung eingeräumt werden. Eine ändernde Abstimmung ohne ordnungsgemäße Einberufung und Information der Mitglieder ist anfechtbart.

Falls die Satzungsänderung durch die Mitgliederversammlung beschlossen wird, muss sie sodann förmlich beim Vereinsregistergericht zur Eintragung angemeldet werden. Bis zur Eintragung bleibt die Änderung unwirksam.

[b]Fazit:
Sie können sich mit einiger Erfolgsaussicht gegen einen solchen faktischen Ausschluss aus dem Verein unter Bezugnahme u.a. auf die Änderung des konstituierenden Merkmals des Vereinszweck wehren, z. B. ggf. sogar durch eine Feststellungsklage.
Die Entscheidung für die geeignete Klageart (Anfechtungs- Leistungs- Feststellungsklage) sollte unter Berücksichtigung aller Umstände und in Absprache mit einem Rechtsanwalt (m/w) erfolgen, der/die die Satzung und die genauen Umstände Ihres Falls genauer prüfen kann.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

Rückfrage vom Fragesteller 4. Juli 2024 | 15:19

Meine Befürchtung hat sich leider bestätigt . Bei dem Treffen wurde von Teilnehmern klar gesagt , dass man ehemalige Bewohner aus dem Projekt haben möchte, damit auch aus der Teilnahme an Veranstaltungen ., Das Recht auf Ombudsverfahren wurde durch Begriffswechsel von „ Mitglied „in „Bewohner „ schon entzogen . Der Teil der Mitglieder , der noch zur MV kommt wird , wird klar für die Satzungsänderung stimmen , was bald geschehen soll .
Wäre es sinnvoll , zu handeln , bevor der Beschluss erfolgt ist . Zunächst würde ich das Gespräch mit dem Vorstand suchen .
An welches Gericht wende ich mich , wenn mir Mitgliedsrechte entzogen werden . Wäre das örtliche Schiedsgericht der Ansprechpartner für eine Lösung bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist . ?
Könnte man sich bereits vor dem Beschluss an das Registergericht wenden ?

Herzlichen Dank auch für die bereits erfolgte, sehr umfassende Antwort !

Mit freundlichen Grüßen !

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 4. Juli 2024 | 17:02

Gerne zu Ihren Nachfragen:

Basierend auf Ihren neu eingereichten Informationen empfehle ich Ihnen folgendes Vorgehen:

1. Suchen Sie zunächst das Gespräch mit dem Vorstand, um Ihre Bedenken hinsichtlich der geplanten Satzungsänderungen und der faktischen Entziehung Ihrer Mitgliedsrechte vorzubringen. Machen Sie deutlich, dass Sie eine solche Änderung für rechtlich unzulässig halten und sich dagegen zur Wehr setzen werden. Vielleicht lässt sich so eine einvernehmliche Lösung finden.

2. Sollte der Vorstand nicht einlenken, rate ich dazu, noch vor der Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung einen Antrag auf einstweilige Verfügung (s. dazu unten) beim zuständigen Amtsgericht (Vereinsregistergericht) zu stellen. Darin sollte beantragt werden, dem Verein die Beschlussfassung über die geplanten Satzungsänderungen vorläufig zu untersagen, da diese Ihre Mitgliedschaftsrechte unzulässig beschneiden würden.

3. Kommt es dennoch zur Beschlussfassung, käme ggf. eine Anfechtungsklage beim zuständigen Amtsgericht in Betracht . Sekundär auch eine Feststellungsklage, dass die Satzungsänderungen Sie in Ihren Rechten verletzen und mithin unwirksam sind.

4. Ein Schiedsgericht wäre nur dann zuständig, wenn dies in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist. Ansonsten ist der ordentliche Rechtsweg zum für den Verein zuständigen Amtsgericht (Registergericht) zu beschreiten.

5. Das Registergericht wird die Eintragung der Satzungsänderung nur vornehmen, wenn diese rechtmäßig zustande gekommen ist. Mit den genannten gerichtlichen Schritten können Sie darauf hinwirken, dass dies geprüft wird.


Im Einzelnen nochmals zur Erinnerung und Argumentationshilfe:

Zuständig für Satzungsänderungen ist grundsätzlich die Mitgliederversammlung. Diese fasst einen Beschluss über die Satzungsänderung mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen (§ 33 Absatz 1Satz 1 BGB), sofern sich nichts Abweichendes aus der Satzung ergibt.
Jede Satzungsänderung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Vereinsregister (§ 71 Absatz 1 Satz 1 BGB). Ohne diese Eintragung ist die Änderung nicht wirksam. Satzungsänderungen sind alle Änderungen von Bestimmungen in der Satzung, beispielsweise die Änderung des
Vereinszwecks,
des Vereinsnamens oder die Sitzverlegung, aber auch Änderungen der in der Satzung getroffenen Bestimmungen zur inneren Ordnung des Vereins.

Betrifft die Satzungsänderung die Änderung des Vereinszwecks, kann sie, soweit die Satzung dazu nichts Abweichendes bestimmt, nur mit Zustimmung aller Mitglieder beschlossen werden (§ 33 Absatz 1 Satz 2 BGB).

Die nicht bei der Abstimmung erscheinenden Mitglieder können auch schriftlich außerhalb der Mitgliederversammlung zustimmen.

Lassen Sie sich nicht von etwaigen Beschwichtigungen beeindrucken.

Zwar ist nicht jede Änderung der Satzungsbestimmung über den Zweck eine Zweckänderung nach § 33 Absatz 1 Satz 2 BGB. Soll die Satzungsbestimmung nur neu gefasst, ergänzt oder erweitert werden, ohne den bisherigen Zweck des Vereins grundlegend zu verändern, liegt darin
regelmäßig keine Zweckänderung.


Ich sehe vorliegend durchaus eine grundlegende Veränderung. des Vereinszwecks.

Nach all dem könnten Sie einen sog. Verfügungsanspruch, glaubhaft vortragen.

Einen Verfügungsgrund müssten Sie für die Eilbedürftigkeit glaubhaft machen, was oft schwieriger ist.

Dazu und zu dem formalen Procedere sollten Sie tunlichst einen Anwalt/Anwältin beiziehen, damit Sie auf Augenhöhe argumentieren können und keine formalen Fehler machen.

Das Beste wünscht Ihnen,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt



Bewertung des Fragestellers 31. Juli 2024 | 22:05

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