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Verpflichtung zur Organisation einer Vertretung bei Besichtigung

| 30. August 2025 15:08 |
Preis: 55,00 € |

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von


13:52

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Vermieter plant den Verkauf eines Mehrfamilienhauses mit fünf Mietparteien, zu dem auch meine Wohnung gehört. In diesem Zusammenhang wurde ich aufgefordert, im Falle meiner Abwesenheit (z.B. aufgrund von Krankheit, Terminen oder beruflichen Verpflichtungen) eine Vertretung zu organisieren, damit die Besichtigung durch potenzielle Käufer stattfinden kann.

Textauszug meines Vermieters:

"Ihre persönliche Anwesenheit während der Termine kann zwar begrüßt werden, ist jedoch nicht Voraussetzung für deren Durchführung. Sollten Sie verhindert sein, sind Sie gehalten, eine geeignete Vertretung zu organisieren, um die Durchführung der Besichtigung nicht zu verzögern."

Meine Frage lautet: Bin ich als Mieter tatsächlich dazu gehalten oder gesetzlich dazu verpflichtet, eine Vertretung zu organisieren, wenn ich aufgrund von Abwesenheit nicht an der Besichtigung teilnehmen kann, oder kann ich auch um Terminverschiebung bitten, ohne eine Vertretung zu stellen?

Ich möchte zudem anmerken, dass ich als Mieter und der herrschenden Rechtsprechung ein Recht auf Anwesenheit bei Besichtigungen meiner Wohnung habe und dieses Recht nicht ohne weiteres entzogen werden kann.

Ich freue mich auf Ihre rechtliche Einschätzung und danke Ihnen im Voraus.

30. August 2025 | 15:42

Antwort

von


(1245)
Golmsdorfer Str. 11
07749 Jena
Tel: 036412692037
Web: https://www.jena-rechtsberatung.de
E-Mail:

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Nein, Sie sind nicht gesetzlich dazu verpflichtet, für den Fall Ihrer Abwesenheit eine Vertretung für Besichtigungstermine zu organisieren. Die Forderung Ihres Vermieters geht über Ihre gesetzlichen Mieterpflichten hinaus. Sie haben ein Recht auf Anwesenheit und können stattdessen um eine angemessene Terminverschiebung bitten.

Grundsätzlich ist es zutreffend, dass Sie als Mieter verpflichtet sind, Besichtigungen Ihrer Wohnung durch Kaufinteressenten zu dulden. Diese Pflicht ergibt sich aus der mietvertraglichen Nebenpflicht, die Interessen des Vermieters zu wahren, wozu auch die Ermöglichung eines Verkaufs der Immobilie gehört. Dies ist in § 809 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) analog anwendbar und durch gefestigte Rechtsprechung bestätigt.

Diese Duldungspflicht ist jedoch nicht grenzenlos. Sie muss im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem Verkaufsinteresse des Vermieters und Ihrem Recht auf ungestörten Besitz und Privatsphäre (gemäß Art. 13 Grundgesetz - Unverletzlichkeit der Wohnung) ausgeübt werden.

Die Rechtsprechung hat hierzu folgende Leitlinien entwickelt:

Besichtigungstermine müssen Ihnen mit einer angemessenen Frist angekündigt werden. Üblich sind hier, je nach Einzelfall, zwischen 3 und 14 Tagen. Die Termine müssen zu üblichen Zeiten stattfinden, also in der Regel werktags zwischen 10:00 und 13:00 Uhr sowie 15:00 und 18:00 Uhr. Besichtigungen an Wochenenden oder Feiertagen sind nur in Ausnahmefällen und nach Absprache zumutbar. Sie müssen keine Dauerbelastung durch unzählige Termine hinnehmen. Gerichte halten oft ein bis zwei Termine pro Woche für jeweils 30-45 Minuten für zumutbar.

Hier liegt der entscheidende Punkt Ihrer Anfrage.

Sie haben völlig korrekt angemerkt, dass Sie als Mieter ein uneingeschränktes Recht haben, bei jeder Besichtigung Ihrer Wohnung persönlich anwesend zu sein. Dieses Recht folgt direkt aus Ihrem Hausrecht und dem Schutz Ihrer Privatsphäre. Der Vermieter darf die Wohnung nicht ohne Ihre Zustimmung oder Anwesenheit (oder die einer von Ihnen beauftragten Person) betreten.

Die Klausel Ihres Vermieters, Sie seien "gehalten, eine geeignete Vertretung zu organisieren", ist rechtlich unwirksam. Ihre mietvertragliche Pflicht beschränkt sich auf das Dulden der Besichtigung, nicht auf ein aktives Organisieren im Sinne des Vermieters.

Die Organisation einer Vertretung (z.B. Freunde, Familie) ist eine Ihnen überlassene Möglichkeit, um einen vom Vermieter vorgeschlagenen Termin zu ermöglichen, wenn Sie selbst verhindert sind. Es kann jedoch unter keinen Umständen als eine rechtliche Verpflichtung konstruiert werden.

Die Pflicht zur Duldung ist eine passive Pflicht. Die aktive Organisation einer Vertretung würde eine Mitwirkungspflicht darstellen, die weit über das gesetzlich geschuldete Maß hinausgeht.

Es ist für Sie als Mieter unzumutbar, für die Terminkoordination des Vermieters in Ihrer eigenen Abwesenheit verantwortlich gemacht zu werden. Sie haben ein eigenes Leben mit beruflichen, gesundheitlichen und privaten Verpflichtungen.

Sie können nicht gezwungen werden, einer dritten Person den Schlüssel zu Ihrer Wohnung und damit den Zugang zu Ihrem gesamten persönlichen Besitz anzuvertrauen.

Die Forderung Ihres Vermieters ist rechtlich haltlos. Sie sind nicht verpflichtet, eine Vertretung zu stellen.

Ich rate Ihnen zu folgendem Vorgehen:

Antworten Sie Ihrem Vermieter freundlich, aber bestimmt – idealerweise schriftlich (per E-Mail oder Einwurf-Einschreiben), um einen Nachweis zu haben. Machen Sie deutlich, dass Sie Ihrer Duldungspflicht grundsätzlich nachkommen und den Verkauf nicht behindern möchten. Weisen Sie die Forderung, eine Vertretung organisieren zu müssen, klar zurück. Führen Sie an, dass dies über Ihre gesetzlichen Pflichten als Mieter hinausgeht und Sie von Ihrem Recht auf persönliche Anwesenheit Gebrauch machen möchten. Wenn Sie an einem vorgeschlagenen Termin verhindert sind, teilen Sie dies umgehend mit und bieten Sie proaktiv zwei bis drei zeitnahe Alternativtermine an. Damit zeigen Sie Ihre Kooperationsbereitschaft und entkräften den Vorwurf, Sie würden die Besichtigungen verzögern.

Sollte der Vermieter weiterhin auf seiner Forderung bestehen oder Druck ausüben, empfehle ich Ihnen, sich umgehend erneut an mich oder einen Mieterverein zu wenden.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Steffan Schwerin

Rückfrage vom Fragesteller 2. September 2025 | 13:44

Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort.

Zur besseren Verständlichkeit habe ich noch eine kurze Nachfrage: Meine Lebensgefährtin ist ebenfalls als Mieterin im Mietvertrag eingetragen und bewohnt mit mir gemeinsam die Wohnung. Gilt das von Ihnen dargestellte Anwesenheitsrecht bei Wohnungsbesichtigungen gleichermaßen auch für sie, sodass wir beide berechtigt sind, unsere Anwesenheit zu verlangen und darauf zu bestehen?

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 2. September 2025 | 13:52

Ja, korrekt. Sie dürfen Beide anwesend sein und auch darauf bestehen.

Bewertung des Fragestellers 30. August 2025 | 16:27

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Vielen Dank für die schnelle Hilfe und Beantwortung meiner Frage. Dies hat mir sehr weitergeholfen.

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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 30. August 2025
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Vielen Dank für die schnelle Hilfe und Beantwortung meiner Frage. Dies hat mir sehr weitergeholfen.


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