Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Das ist sehr schade, dass Sie Ihr ursprünglich geplantes Projekt nicht verwirklichen können.
Leider muss ich Ihnen sagen, dass auch für Gewerbeimmobilien die 10-Jahresfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG
gilt. Sie müssten bei einem Verkauf innerhalb dieser zehn Jahre also mit einer Besteuerung des Veräußerungsgewinns rechnen.
Allerdings muss es nicht unbedingt zu einem Gewinn kommen durch den Verkauf, es fallen ja für Sie auch erhebliche Kosten an, die gegengerechnet werden: Notargebühren, Grunderwerbsteuer, Maklergebühren, Kosten für Reparaturen oder Sanierung, Werbungskosten, Vorfälligkeitsentschädigung bei der Bank etc.
Es gilt außerdem ein Freibetrag von 600 Euro. Wenn Sie also nur minimalen Gewinn aus dem Immobilienverkauf erzielen, müssten Sie darauf keine Spekulationssteuer zahlen.
Sie könnten auch mit Kaufinteressenten einen Vorvertrag abschließen, der natürlich notariell beurkundet werden muss. Allerdings ist es vielleicht nicht sehr realistisch anzunehmen, dass ein potentieller Käufer 8 Jahre warten würde, um die Immobilie erwerben zu können.
Im übrigen: Eine Immobilie gilt (nur) dann als gewerblich genutzt, wenn mehr als 80 Prozent ihrer Fläche der betrieblichen oder öffentlichen Nutzung dienen. Wenn Sie einen Teil der Immobilie privat nutzen und das nachweisen können, müssen Sie beim Verkauf gegebenenfalls keine Spekulationssteuer auf diesen Teil zahlen. Das erwähne ich nur der Vollständigkeit halber, denn Sie sagen ja, dass die Immobilie als Gewerbeimmobilie von ihnen erworben und geplant wurde.
Ferner entstehen beim Verkauf von Gewerbeimmobilien neben der möglichen Spekulationssteuer auch Einkommensteuer und evtl. Gewerbesteuer.
Soviel zu den Tatsachen. Ich empfehle Ihnen allerdings, auf das Finanzamt zuzugehen und die Umstände zu schildern. Rein formal haben Sie die Immobilie eben erst zwei Jahre gehalten, und deshalb wird die sogenannte Spekulationssteuer fällig. Allerdings liegen bei Ihnen ja besondere Umstände vor, und geplant hatten Sie etwas ganz anderes. Dass es Ihnen jetzt aus gesundheitlichen Gründen nicht gelingt, diese Pläne zu verwirklichen, sollte das Finanzamt durchaus wissen.
Sie sollten an das Finanzamt schreiben und die besonderen Umstände Ihres Falles darlegen. Dann kommt es natürlich noch auf den Preis an, den Sie erzielen. Wenn Sie einen sehr geringen Preis für das (not-)verkaufte Grundstück erhalten, spricht ja vieles dafür, dass Sie dieses Grundstück nicht aus Spekulations- bzw Gewinngründen erworben haben.
Letztlich geht es im Steuerrecht ja auch um materielle Gerechtigkeit, und wenn Sie dieses Grundstück verkaufen, weil Sie es müssen und nicht, weil Sie einen hohen Gewinn erzielen wollen, und weil Sie dieses Grundstück nicht wie vorgesehen nutzen können, dann sollte das berücksichtigt werden.
Ich rate Ihnen also, nicht lediglich in der künftigen Steuererklärung diesen Veräußerungsgewinn anzugeben, sondern bereits im Vorfeld das Finanzamt von einem geplanten Verkauf in Kenntnis zu setzen und die Gründe dafür zu schildern.
Wenn noch etwas unklar geblieben ist, fragen Sie gerne nach. Vorerst verbleibe ich mit freundlichen Grüßen!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin