Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Nach § 204 Abs. 2 Satz 2 InsO
steht Ihnen als Insolvenzschuldner gegen die Anordnung der Nachtragsverteilung durch das Insolvenzgericht die sofortige Beschwerde zu. Gemäß §§ 4
, 6 Abs. 1 Satz 2 InsO
in Verbindung mit § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO
ist die sofortige Beschwerde innerhalb einer Frist von 14 Tagen beim Insolvenzgericht einzulegen. Nach § 6 Abs. 2 InsO
beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung, oder - wenn die Entscheidung nicht verkündet wird - mit ihrer Zustellung. (Nach §§ 8
, 9 InsO
kann die Zustellung im Insolvenzverfahren statt einer persönlichen Zustellung auch öffentlich durch Einstellen ins Internet unter der Webadresse www.insolvenzbekanntmachungen.de erfolgen. Die Bekanntmachung gilt dann als bewirkt, sobald nach ihrer Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind.) Die Beschwerdefrist ist eine sog. "Notfrist", d.h. sie kann nicht verlängert werden.
Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt (§ 569 Abs 2 ZPO
) oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO
). Anwaltszwang besteht nicht.
Eine Mitteilung an den Treuhänder genügt definitiv nicht.
Der Treuhänder hat auf der Grundlage der gerichtlichen Anordnung der Nachtragsverteilung die Möglichkeit, in Ihr Vermögen zu pfänden, z.B. durch eine Kontopfändung.
Der Bundesfinanzhof hat durch Urteil vom 28.02.2012
- Aktenzeichen: VII R 36/11
(juris) entschieden, dass die Nachtragsverteilung von Steuererstattungsansprüchen des Schuldners im Beschluss des Insolvenzgerichts im Schlusstermin des Insolvenzverfahrens vorzubehalten ist. Steuererstattungsansprüche, die bereits vor dem Schlusstermin begründet wurden, fallen in die Insolvenzmasse, auch wenn der Anspruch auf Auszahlung erst nach dem Schlusstermin fällig wird.
Unterbleibt ein solcher Vorbehalt im Schlusstermin, ist die nachträgliche Anordnung der Nachtragsverteilung durch das Insolvenzgericht nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO
dann zulässig, wenn erst nach dem Schlusstermin "Gegenstände der Masse ermittelt" werden.
§ 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO
hat den Zweck, nachträglich ermittelte Massegegenstände zugunsten der Insolvenzgläubiger zu verwerten. Die Vorschrift ist weit auszulegen. Erfasst werden nicht nur Gegenstände, deren Existenz oder Aufenthaltsort dem Verwalter (Treuhänder) unbekannt geblieben ist, etwa weil sie ihm verheimlicht worden sind. Die Vorschrift erfasst vielmehr auch Gegenstände, die der Verwalter zunächst nicht für verwertbar hielt, für bereits veräußert ansah oder als wertlos betrachtete. Auch wenn der Verwalter schon vor dem Schlusstermin Kenntnis von dem Gegenstand hatte, steht dies einer Nachtragsverteilung nicht entgegen. Ob die Bewertung des Verwalters (Treuhänders) auf einer vorwerfbaren Fehleinschätzung beruhte, ist unerheblich (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2005 - IX ZB 17/04
, ZIP 2006, 143
Rn. 6 f; vom 6. Dezember 2007 - IX ZB 229/06
, ZIP 2008, 322
Rn. 6).
(BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 – IX ZB 111/10
–, juris). § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO
bezieht sich also gerade auf Vermögensgegenstände, die keinem Nachtragsvorbehalt unterliegen. Werden erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Ansprüche des Schuldners ermittelt, die vor oder während des Insolvenzverfahrens in insolvenzrechtlicher Hinsicht "begründet" wurden und somit zur Insolvenzmasse gehörten, können sie Gegenstand einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO
sein. Wird die Nachtragsverteilung angeordnet, so besteht die Insolvenzbeschlagnahme i.S. des § 80 Abs. 1 InsO
fort mit der Folge, dass insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin beim (früheren) Insolvenzverwalter liegt.
Eine nachträgliche "Ermittlung" im Sinne des § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO
scheidet demnach nur dann aus, wenn dem Verwalter (Treuhänder) vor dem Schlusstermin die Werthaltigkeit des Steuererstattungsanspruchs bzw. dessen Höhe positiv bekannt waren. Dies wäre von Ihnen zu beweisen.
Wenn Sie den Betrag der Steuererstattung bereits verbraucht haben, steht dies im Falle der Anordnung wirksamer Nachtragsverteilung einer Erstattungspflicht an die Masse nicht entgegen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Neumann, Rechtsanwalt
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