Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Es ist korrekt, dass z.B. das italienische Urheberrecht ehemals in irgendeinem EU-Mitgliedsstaat als Geschmacksmuster eingetragenen Designgegenständen (Schutzfrist max. 25 Jahre) in gewissen Fällen den weitergehenden Urheberschutz von 70 Jahren gerechnet ab Tod des Urhebers versagt, obwohl der Urheberschutz ohne Eintragung als Geschmacksmuster bestanden hätte. Im Ergebnis kann daher in Italien die Schutzfrist für Designgegenstände wie beispielsweise Bauhaus-Möbel erheblich früher als in anderen EU-Ländern enden.
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof Anfang dieses Jahres entschieden, dass diese nationale Regelung gegen Art. 17 der Richtlinie 98/ 71/ EG und damit gegen EU-Gemeinschaftsrecht verstößt, siehe EuGH, Urteil vom 27. 1. 2011 - C-168/ 09
. Zwar bindet ein solches Urteil strikt formal zunächst nur das nationale Gericht, das im Vorabentscheidungsverfahren die Auslegungsfrage vorgelegt hat. Jedoch geht hinsichtlich der Auslegung des jeweils geltenden und anzuwendenden Gemeinschaftsrechts selbstverständlich eine starke Wirkung in dem Sinne aus, dass sich nationale Gerichte und Behörden wohl kaum gegen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH zur Wehr setzen können. Auch ist davon auszugehen, dass Italien (und andere EU-Länder, soweit eine vergleichbare nationale Regelung bestehen sollte) die nationalen Gesetze entsprechend dem EuGH-Urteil anpassen werden.
Es kann daher zukünftig EU-weit davon ausgegangen werden, dass ein Urheberrechtsschutz von 70 Jahren ab Tod des Urhebers auch für Designgegenstände gilt (siehe Art. 1 Absatz 1 der Richtlinie 93/ 98/ EWG).
Aber selbst wenn solche Reproduktionen nach nationalem Recht eines EU-Mitgliedstaates zulässig wäre, dürften Sie diese nicht auf dem deutschen Markt anbieten, selbst wenn die Übergabe in dem Mitgliedstaat selbst stattfinden würde. Das von meinem Kollegen zitierte Urteil des OLG Hamburg hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der Revision aufgehoben und dabei folgenden Leitsatz aufgestellt: „Werden Vervielfältigungsstücke eines in Deutschland urheberrechtlich geschützten Werks der angewandten Kunst im Inland angeboten, so ist das Verbreitungsrecht des Urhebers auch dann verletzt, wenn die Veräußerung im Ausland (hier: Italien) erfolgen soll und das Werk dort urheberrechtlich nicht geschützt ist." BGH, Urteil vom 15. 2. 2007 - I ZR 114/ 04
. Der BGH hat hierbei auch klargestellt, dass ebenfalls Werbemaßnahmen, bei denen zum Erwerb der beworbenen Vervielfältigungsstücke eines Werks aufgefordert wird, ein Angebot an die Öffentlichkeit i. S. von § 17 Abs. 1 UrhG
darstellen.
Ebenso hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 01.07.2008 Az. 11 U 5/08
zur Bewerbung von Möbel-Plagiaten entschieden, dass jedes unautorisierte Anbieten urheberrechtlich geschützter Möbelstücke in Deutschland das ausschließliche Verbreitungsrecht im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG
verletzt, unabhängig davon, wo die Nachbildung hergestellt und in den Verkehr gebracht wird. Unter das Anbieten im urheberrechtlichen Sinn falle auch die Bewerbung eines Plagiats in einer Zeitungsanzeige.
Ihre Fragen müssen demnach leider mit "nein" beantwortet werden.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
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Rechtsanwalt Jan Wilking
Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung. Noch eine kurze Frage: Ist es rechtlich in Ordnung als LTD einen an private Endkunden gerichteten internationalen Onlineshop -so wie das bereits eine Reihe von Anbietern machen- zu führen? Wenn ja, kann ich in diesem Fall eine Servicestelle(Telefonnummer) für Rückfragen z.B. in Österreich einrichten?
Vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Bitte haben Sie zunächst Verständnis dafür, dass die Nachfrage-Funktion nur der Klärung von Verständnisproblemen zum Ausgangssachverhalt dient. Sie stellen aber eine hiervon unabhängige neue Frage. Auch wenn grundsätzlich das Betreiben eines internationalen Online-Shops als Limited möglich ist, ist eine konkrete Antwort ohne Kenntnis weiterer Details (wird das Geschäft auch von England aus geführt? Gibt es eine Niederlassung in Österreich etc.) leider nicht möglich. Da es Ihnen wahrscheinlich in erster Linie um die Haftungsbeschränkung geht, sollten Sie eine neue Frage unter Schilderung aller Details einstellen, um eine rechtlich fundierte Antwort zu erhalten. Alternativ können Sie sich in Österreich auch an die zuständige Wirtschaftskammer wenden, um sich bezüglich einer Gründung beraten zu lassen. Von einer Online-Gründung einer Limited ohne vorherige Beratung möchte ich an dieser Stelle aufgrund der möglichen Fallstricke ausdrücklich abraten.
ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen