Sehr geehrter Ratsuchender,
1.
Nach Ihren Angaben sind Sie zur Duldung der damaligen Überbauung verpflichtet, was allerdings die Rechtswidrigkeit des Überbaus nicht beseitigt. Unter den Voraussetzungen des § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__912.html" target="_blank">912</a> Abs. 1 <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/index.html" target="_blank">BGB</a> steht Ihnen daher ein Entschädigungsanspruch im Form einer Geldrente zu, § 912 Abs. 2 Satz 1 BGB
.
Nach der Vorschrift des § 912 Abs. 2 Satz 2 BGB
ist für die Höhe der Rente die Zeit der Grenzüberschreitung maßgeblich, auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Überbaus kommt es insofern nicht an.
Somit sind grundsätzlich auch rückwirkende Ansprüche möglich. Sie richten sich gegen den jeweiligen Eigentümer des überbauenden Grundstücks (§§ <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__914.html" target="_blank">914</a> Abs. 3, <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__1108.html" target="_blank">1108</a> Abs. 1 BGB), der jetzige Eigentümer haftet also ab dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs, für die Zeit davor kann der Veräußerer in Anspruch genommen werden.
Anders als das Abkaufsrecht nach § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__915.html" target="_blank">915</a> Abs. 1 BGB, das gemäß § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__924.html" target="_blank">924</a> BGB nicht der Verjährung unterliegt, verjährt der Anspruch auf die monatlich Rente allerdings innerhalb von drei Jahren, gerechnet ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch jeweils entstanden ist und Sie von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners hatten (§§ <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__195.html" target="_blank">195</a>, <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__199.html" target="_blank">199</a> Abs. 1 BGB).
Insofern könnten Sie grundsätzlich nur eine rückwirkende Rente ab Januar 2004 verlangen. Wenn aber die gescheiterten Verhandlungen zwischen Ihnen und dem Eigentümer des Nachbargrundstücks über den Abkauf noch länger als bis zum Januar 2004 angedauert hat, könnte sich die Verjährung um den Zeitraum der schwebenden Vertragsverhandlungen durch Hemmung des Verjährungslaufes nach §§ <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__203.html" target="_blank">203</a> Satz 1, <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__213.html" target="_blank">213</a> BGB rückwirkend bis zur erstmaligen Geltendmachung verlängern. Dies aber nur, wenn im Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung noch keine Verjährungsfrist angelaufen ist, da die Hemmung der Verjährung nur bewirkt, dass der betreffende Zeitraum nicht in den Lauf der Verjährung eingerechnet wird, § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__209.html" target="_blank">209</a> BGB.
In Anbetracht der Regelung des § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__914.html" target="_blank">914</a> Abs. 2 Satz 2 BGB dürfte hier eine Anwendbarkeit von Gewohnheitsrecht zu verneinen sein. Jedenfalls wäre eine entsprechende entschädigungsfreie Duldung nach einem Ablauf von 22 Jahren noch nicht gegeben.
Grundlage für die Berechnung der Geldrente ist der Verkehrswert der überbauten Fläche unter Berücksichtigung der konkreten Bebauungsmöglichkeit in dem von Ihnen zu beweisenden Zeitpunkt der Grenzüberschreitung. Von diesem Wert ist eine im Einzelfall angemessene Verzinsung als Geldrente zu bezahlen.
2.
Entsprechendes gilt im Ergebnis für die seit 2004 beginnende unerlaubte Nutzung eines weiteren Teils Ihres Grundstücks.
Insofern ist hier allerdings teilweise Verjährung zurückliegender Anspruchszeiträume erst ab Ende 2007 möglich, vgl. oben.
Die Höhe des Anspruchs bemisst sich nach dem Gegenwert marktüblicher Vermietung.
3.
Aufgrund Ihres Widerspruchs sind Sie gemäß § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__912.html" target="_blank">912</a> Abs. 1 BGB auch nicht zur Duldung verpflichtet, sofern der Widerspruch rechtzeitig erfolgt ist.
Deshalb stehen Ihnen bezüglich des vom Widerspruch umfassten Zaunes Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche unter anderem aus § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__862.html" target="_blank">862</a> Abs. 1 BGB zur Seite, Sie sind aber zur Selbsthilfe nicht mehr berechtigt, da seit der Besitzstörung bereits zu viel Zeit vergangen ist (vgl. § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__859.html" target="_blank">859</a> Abs. 3 BGB).
Die Einhaltung von Mindestabständen unterliegt dem öffentlichen Baurecht und ist für NRW in den §§ 6 ff. der Landesbauordnung geregelt.
4.
An die Nutzungszusage gegenüber den Untermietern im Nachbargrundstück sind Sie unabhängig von der Regelung über Entschädigungen gebunden, solange Sie Eigentümer sind. Da das Nutzungsrecht nicht in das Grundbuch eingetragen wurde, geht es als solches zwar unter, sobald Sie den überbauten Grundstücksteil an den Nachbarn veräußern. Die Untermieter können sich dann aber gegebenenfalls auf ihr bestehendes Mietrecht berufen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen ersten rechtlichen Überblick im Rahmen Ihrer Fragestellung verschaffen. Sollte noch Etwas unklar geblieben sein, können Sie gerne eine Rückfrage stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
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