Der prozessuale Teil des geschilderten Sachverhalts hängt ein wenig davon, wie viele Mitarbeiter in dem Betrieb/Firma beschäftigt sind. Mangels weiterer Anhaltspunkte gehe ich auf die Besonderheiten des Kündigungsschutzgesetzes für eine verhaltensbedingte Kündigung nicht ein, sondern löse den Fall anhand allgemeiner Grundsätze.
Ihre Frage lautet: Ist es möglich dieser Angestellte zu kündigen?
Ich bin der Auffassung, dass man den Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer nicht fristlos kündigen kann.
Es kommt darauf an, ob eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB
berechtigt, also zivilrechtlich rechtsgültig wäre. Denn jedes Dienst- und Arbeitsverhältnis kann aus wichtigem Grund gekündigt werden. Zwar erfordert das Vorliegen eines wichtigen Grund grundsätzlich kein schuldhaftes Verhalten, gleichwohl wird ein verhaltensbedingter Grund zur außerordentlichen Kündigung wegen der notwendigen Interessenabwägung in der Regel nur bei schuldhaftem, vorwerfbarem Verhalten anzunehmen sein.
Es gilt aber, dass eine außerordentliche Kündigung nur zulässig ist, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) für den Kündigungsberechtigten ist. Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, das auch für Arbeitsverhältnisse gilt, folgt die Notwendigkeit der vorherigen Abmahnung. Ist die Störung des Vertrages nicht so gelagert, dass eine sofortige Auflösung der Vertrages in Betracht kommt, so muss dem Arbeitnehmer Gelegenheit eingeräumt werden, sein Verhalten in Zukunft zu ändern.
Maßgeblich ist in dem Fall der Grad der Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin.
Der war beim Arbeitgeber krank gemeldet, hat ein Fernstudium begonnen und drei Tage an einem Seminar teilgenommen. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer nach dem Sachverhalt befragt und der hat wahrheitswidrig geantwortet. Seltsam, dass der Veranstalter des Fernstudiums den Arbeitgeber über die Teilnahme informiert hat. Dies könnte unzulässig gewesen sein.
Mit der Anhörung erfüllte der Arbeitgeber eine auch in seinem eigenen Interesse liegende Obliegenheit. Ein Punkt für den Arbeitgeber. Da der Arbeitnehmer gelogen hat, gibt es noch einen Punkt dazu und es steht schon 0:2 für den Arbeitgeber.
Wenn ein Arbeitnehmer während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit einer Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nachgeht, so kann unter Umständen eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein. (BAG 26. 8. 1993 AP BGB § 626 Nr. 112)
Dem Arbeitnehmer, der während einer Erkrankung eine Nebentätigkeit ausübt, die geeignet ist, den Heilungsprozess zu verzögern, kann entsprechend den o.g. Grundsätzen ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden. (BAG 26. 8. 1993 AP BGB § 626 Nr. 112= NZA 1994, 63
)
Hier würde es entscheidend auf den Inhalt der Krankheit ankommen, zu der ich nicht viel weiß, Aber da Sie schrieben, "nervlich am Ende", könnte es sein, dass ein Fernstudium und der Besuch eines Seminars genau das Richtige für den Arbeitnehmer waren. Da sehr ungewiss ist, ob der Heilungsprozess durch den Beginn des Fernstudiums verzögert wurde, gibt es einen Punkt für den Arbeitnehmer. Gearbeitet im Sinne einer Nebentätigkeit wurde auch nicht - Ausbildung wurde betrieben. Damit steht es Unentschieden!
Wenn das Fernstudium aufgrund der spezifischen Studieninhalte dem Arbeitnehmer später sogar von Nutzen sein kann, weil der Arbeitnehmer plant, langfristig im Betrieb des Arbeitgebers zu verbleiben, sehe ich wenig Grund für eine außerordentliche Kündigung.
Wahrscheinlich verhält es sich jedoch nicht so. Dennoch meine ich, dass eine Abmahnung zu erfolgen hat und man dem Arbeitnehmer möglicherweise ausdrücklich untersagt, an Seminaren teilzunehmen. Hier wird es auf die Art des Fernstudiums ankommen. Wenn der Arbeitnehmer Seminare in seiner Urlaubszeit besuchen und den Lernstoff in seiner Freizeit bewältigen kann, ohne dass darunter seine Arbeitsleistung leidet, sehe ich keinen Grund, die Fortführung des Studiums zu untersagen.
Der Arbeitnehmer sollte jedoch nie wieder während einer Arbeitsunfähigkeitsmeldung Seminare besuchen.
Gegen eine ordentliche Kündigung könnten Sie aber nicht viel machen...
Viel Erfolg!
Dennis Sevriens
Rechtsanwalt
Kanzlei DPMS
Bergmannstraße 12
10961 Berlin
Tel: +49 30 61203616
Fax: +49 30 61203626
Web: www.sevriens.net
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