Willkommen beim Original und Testsieger.
Online seit 2004, mit über 140.000 Fragen & Antworten. 
00.000
Bewertungen
0,0/5,0
Günstige Rechtsberatung für alle.
Anwalt? Mitmachen

Straftatbestand in einer virtuellen Welt?

9. September 2015 09:24 |
Preis: 60€ Historischer Preis
Hier finden Sie einen
Aktuellen Kostenvorschlag
|

Strafrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Hintergrund

Ich spiele seit Herbst letzten Jahres ein Online-Spiel namens Goodgame Four Kingdoms. Der Geschäftssitz des Spielebetreibers ist in Hamburg.
Es handelt sich dabei um ein Spiel, bei dem tausende Spieler in einer virtuellen Welt (auf einem Server) spielen und interagieren. Die tatsächlichen Identitäten der Spieler werden an andere Spieler durch das Spiel nicht preisgegeben; jedoch hat jeder Spieler einen konstanten Nutzernamen zur Identifizierung innerhalb des Spiels.

Ich spiele das Spiel zusammen mit einer Gruppe Gleichgesinnter; wir sind in einer Allianz organisiert, die sich zum Streitobjekt entwickelt hat.
Eine Allianz ist ein virtuelles Objekt, in dem sich Spieler gegenseitig austauschen und unterstützen können. Sie wird durch eine König geleitet, der letzlich die Kontrolle über dieses virtuelle Objekt hat. Der König einer Allianz kann als einziger im Spiel (a) deren Allianznamen ändern, (b) einen neuen König einsetzen (also die Kontrolle über die Allianz weitergeben), und (c) gewisse Rollen innerhalb der Allianz verteilen. Letzteres kann im Extremfall dazu genutzt werden, alle Spieler aus der Allianz zu werfen, und durch neue Spieler zu ersetzen. Spieler können auch von sich aus eine Allianz verlassen, und bei anderen Allianzen um Aufnahme bitten.

Im Gegensatz zu anderen virtuellen Objekten in diesem Spiel kann eine Allianz nicht von anderen Spielern erobert werden, sondern wird von König zu König freiwillig weitergegeben.

Eine Allianz bietet gewisse Eigenschaften, die den Spielern der Allianz sowohl Einzeln als auch als Gruppe Vorteile bieten. Diese Eigenschaften können im Laufe des Spiels verbessert werden, was unter anderem viel Zeit und die Bezahlung mit einer virtuelle Währung (die gegen Euro erworben werden kann) erfordert.

Wir haben zu unserer Allianz (nachweisbar) etwa den Gegenwert von 660€ beigetragen (der Betrag kann auf etwa 220€ reduziert werden, wenn Rabattmöglichkeiten ausgenutzt werden). Der tatsächliche Gegenwert der Allianz dürfte nach meiner Einschätzung noch deutlich darüber liegen. Dazu kommt noch die Zeit, die wir in den Aufbau verwendet haben.

Gemäß den AGBs des Spielebetreibers heißt es weiter: "Sämtliche Rechte an den in den Online-Spielen und mobilen Spielen eingesetzten und entgeltlich überlassenen virtuellen Gegenständen stehen ausschließlich Goodgame Studios bzw. dem von Goodgame Studios autorisierten Vertragspartner zu. Gleiches gilt für die vom Nutzer selbst geschaffenen Gegenstände. [..] Der Nutzer erhält an den virtuellen Gegenständen lediglich ein nicht-ausschließliches, auf die Laufzeit des Vertrages zeitlich begrenztes Nutzungsrecht."


Aktueller Konflikt:

Unser ehemaliger König hat sich für 2 Monate oder länger (eventuell für immer) aus dem Spiel zurückgezogen. Im Zuge dieses Rückzuges hat er seine Position als König an einen Mitspieler aus unserer Allianz weitergegeben.

Nun erhebt ein Spieler aus einer anderen Allianz (Spieler A) Anspruch auf die Allianz bzw. die Königsposition mit der Begründung, dass unser ehemaliger König ihm durch eine Nachricht bestätigt hat, dass er Anspruch auf die Allianz hat. Ausserdem habe er Anfangsinvestitionen in unserer Allianz geleistet. Für beide Behauptungen liegen uns allerdings keine Nachweise vor.

Auf dieser Grundlage hat er unseren König aufgefordert, einen Zeitplan zur Übergabe der Allianz vorzulegen. Dies beinhaltet auch, das wir uns eine neue Allianz suchen, oder selber eine gründen.

Der aktuelle König hat keine Schritte unternommen, um dieser Aufforderung nachzukommen.
Da er den Namen unserer Allianz geändert hat (was er aus Sicht von Spieler A wohl nicht durfte), und angeblich zu langsam oder zu wenig kommunziert, haben Spieler A und Mitglieder seiner Allianz uns daraufhin im Spiel systematisch angegriffen, und einen "Krieg" erklärt.
Die Möglichkeit des Angriffs und eine Kriegserklärung sind normaler Bestandteil des Spieles, werden von Spieler A in diesem Falle allerdings eingesetzt, um seine Ansprüche auf die Allianz durchzusetzen.
Aus einer persönlichen Nachricht an an eines unserer Allianzmitglieder:

"[..] deshalb die Angriffe. Noch immer gibt es die lösung das ganze kurzfristig zu beenden wir wollen einfach ein timetable bis wann die Übergabe der Allianz hülle realisiert werden kann. Und wir stellen sofort den Krieg und die Kampfhandlung ein.", wobei mit Allianz hülle die Allianz als virtuelles Objekt (im Gegensatz zur Allianz als Gemeinschaft von sich gegenseitig unterstützenden Spielern) gemeint ist.

Der durch Spieler A aufgebaute Druck zeigt inzwischen Wirkung auf uns und unseren König:
Unsere König hat diese Position inzwischen an einen weiteren Mitspieler durchgereicht, und dieser hatte Schritte eingeleitet, der Forderung nach der Übergabe der Allianz nachzukommen, da das Spiel unter den gegenwärtigen Umständen keinen Spaß mehr macht.

Nun zu den Fragen:
1) Unterliegen derartige Vorfälle in einer virtuellen Welt überhaupt dem deutschen Recht?
Zu beachten ist auch, dass die Spieler zwar deutschsprachig sind, aber nicht unbedingt in Deutschland wohnen.

2) Handelt es sich bei dem Vorgehen von Spieler A und seinen Mitspielern um eine Straftat (versuchte Nötigung, oder ähnliches), und wer genau ist dann Täter und Opfer (jeweils nur die Könige, oder auch die anderen Mitspieler)? Falls es die Beantwortung der Frage vereinfacht: Sie können hier auch die Annahme machen, dass alle Spieler in Deutschland wohnen.

3) Optional, da ich den Aufwand hier nicht abschätzen kann: Ändert sich die Einschätzung zu 2, wenn Spieler A nachweisen kann, das unser alter König ihm die Kontrolle über die Allianz zugesagt hat (zum Beispiel durch eine entsprechende Zeugenaussage oder Vorlage des Screenshots besagter Zusage)? Wobei dabei zu bedenken ist, das unser alter König die Kontrolle nicht an Spieler A oder einen seiner Mitspieler übertragen hat, obwohl eine direkte Übertragung durchaus möglich gewesen wäre.

4) Kann ich ohne rechtliche Bedenken
(a) einen Link auf ihre Antwort in das Spieler-Forum setzen (ohne Angabe von Nutzernamen)?
(b) einen Link auf ihre Antwort an ausgewählte Spieler senden, unter Nennung des Nutzernamens von Spieler A (letzteres in der Hoffnung, dass sich die Situation doch noch gütlich regeln lässt)?

9. September 2015 | 10:38

Antwort

von


(950)
Wambeler Str. 33
44145 Dortmund
Tel: 0231 / 13 7534 22
Web: https://ra-fork.de
E-Mail:
Diesen Anwalt zum Festpreis auswählen Zum Festpreis auswählen

Sehr geehrter Fragesteller,



Frage 1:
"Unterliegen derartige Vorfälle in einer virtuellen Welt überhaupt dem deutschen Recht?"


Grundsätzlich ist das Internet und damit die "virtuelle Welt" sicherlich kein rechtsfreier Raum. Aus diesem Grunde gelten Straftatbestände zu Recht auch in diesem Rahmen, wenn ein bestimmtes Verhalten einen sog. Straftatbestand des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) erfüllt.

Die Anwendung des deutschen Rechts ergibt sich vorliegend auch aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB ) des Betreibers, denn in Nr. 12 AGB heißt es:

"12 Anwendbares Recht, Gerichtsstand

12.1 Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss des UN-Kaufrechts.

12.2 Sofern der Nutzer keinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland hat oder es sich bei dem Nutzer um einen Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches handelt, ist Gerichtsstand für alle Rechtsstreitigkeiten der Sitz von Goodgame Studios. Goodgame Studios ist daneben berechtigt, auch am allgemeinen Gerichtsstand des Nutzers zu klagen."


Diese AGB in Verbindung mit §§ 3 , 9 StGB und der Tatsache, dass die Server des Betreibers vermutlich in Hamburg stehen, begründen hier die Anwendbarkeit des deutschen Straf- und Zivilrechts.

Allerdings kann ich aus Ihrer Schilderung keine Verletzung von Rechtsnormen erkennen.



Frage 2:
"Handelt es sich bei dem Vorgehen von Spieler A und seinen Mitspielern um eine Straftat (versuchte Nötigung, oder ähnliches), und wer genau ist dann Täter und Opfer (jeweils nur die Könige, oder auch die anderen Mitspieler)?"



Realistisch in Betracht kommen nach Ihrer Schilderung strafrechtlich allein § 263 StGB (Betrug) sowie § 240 StGB (Nötigung).

Beide sind hier aber m.E. nicht einschlägig.

Zwar mag hier auf den ersten Blick tatbestandlich ein Betrugsversuch vorliegen, wenn die angebliche Nachricht niemals existiert hat, jedoch dürfte dieses Vorgehen im geschilderten Rahmen (noch) sozialadäquat sein, da List und Tücke durchaus dem geschilderten Spielprinzip nicht fremd sein dürfte. Insofern sollte es rechtlich nicht zu beanstanden sein, dass ein Spieler einen äußerlich erkennbaren Führungswechsel und die daraus folgende Unsicherheit zu seinen Gunsten ausnutzen will. Einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf die Übertragung hat er jedenfalls nicht.

Ebenso scheitert die Annahme einer Nötigung, weil das oben angesprochene Prinzip der Sozialadäqanz durch § 240 II StGB eine normative Ausprägung erhält, wonach eineTat nur dann rechtswidrig ist , wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

Dies dürfte hier nach Ihrer Schilderung nicht der Fall sein.

Das Führen des "virtuellen Kriegs" fällt hier ersichtlich nicht unter die §§ 80 ff StGB .



Frage 3:
"Ändert sich die Einschätzung zu 2, wenn Spieler A nachweisen kann, das unser alter König ihm die Kontrolle über die Allianz zugesagt hat (zum Beispiel durch eine entsprechende Zeugenaussage oder Vorlage des Screenshots besagter Zusage)?"


Nein ( siehe oben Frage 2).



Frage 4:
"Kann ich ohne rechtliche Bedenken
(a) einen Link auf ihre Antwort in das Spieler-Forum setzen (ohne Angabe von Nutzernamen)?
(b) einen Link auf ihre Antwort an ausgewählte Spieler senden, unter Nennung des Nutzernamens von Spieler A (letzteres in der Hoffnung, dass sich die Situation doch noch gütlich regeln lässt)?"


Von meiner Seite aus bestehen keine rechtliche Bedenken, wenn der Forenbetreiber dies nicht als unerlaubt (Werbung, Verstoß gegen Forenregeln, etc) ansieht, da die Antwort zum einen öffentlich einsehbar ist und durch den Link keine eigene Urheberschaft behauptet wird. Insoweit sollten Sie sich dort der guten Form halber durch Nachfrage rückversichern.


Mit freundlichen Grüßen


Raphael Fork
-Rechtsanwalt-


Rechtsanwalt Raphael Fork

ANTWORT VON

(950)

Wambeler Str. 33
44145 Dortmund
Tel: 0231 / 13 7534 22
Web: https://ra-fork.de
E-Mail:
RECHTSGEBIETE
Sozialrecht, Arbeitsrecht, Zivilrecht, Verwaltungsrecht, Miet- und Pachtrecht
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 118797 Bewertungen)
Aktuelle Bewertungen
4,8/5,0
Die Antwort wirkte umfassend und war leicht verständlich. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
TipTop Antwort mit entsprechender Vorgehensweise, vielen Dank, gerne wieder ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
RA Ahmadi antwortet sehr schnell und sehr ausführlich. Seine Erklärungen sind sehr verständlich. Gerne wieder! ...
FRAGESTELLER