Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. Wer als Beschuldigter Akteneinsicht in eine Strafakte beantragt, hat ein Recht darauf, die ganze Akte zu sehen (§ 147 StPO
). Einem Anwalt kann zwar (außer bei begründeter Gefährdung des Ernittlungszwecks - das gilt aber nur bis zum Abschluss der Ermittlungen) die Einsicht in die Akte gar nicht beschränkt werden, aber auch der Beschuldigte hat ein weitgehendes Einsichtsrecht. Insofern ist davon auszugehen, dass Ihre Konkurrentin sehr wohl die Anzeige sieht und Ihre Schlüsse ziehen kann.
2. Ob Ihre Konkurrentin umsatzsteuerpflichtig ist, hängt zunächst davon ab, ob sie für das laufende Jahr mehr als 22.000 € Umsatz erwartet (bis 2019 waren das 17.500 €) oder ob sie zur Umsatzsteuer optiert hat, um das Recht auf den Vorsteuerabzug zu erhalten. Und ja, sie kann auch eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgeben. Für die Abgabefrist kommt es auch darauf an, ob sie einen Steuerberater hat.
3. Das Finanzamt muss aufgrund des Legalitätsprinzips jeder Anzeige nachgehen, allerdings hat die dafür zuständige Strafsachenstelle auch ein Entschließungsermessen und würde aus Opportunitäts- und Ressourcengründen einen Fall mit erkennbar geringer steuerlicher Auswirkung oder aber schwacher Beweislage nicht bis zum letzten verfolgen oder gar der Steuerfahndung übergeben. Sicher würde ein Blick in die Steuerakte der denunzierten Person geworfen und geprüft werden, ob aufgrund der in der Anzeige erhobenen Vorwürfe Ermittlungen angebracht wären.
4. Wenn jemand einem Steuerstrafverfahren ausgesetzt wird, das ergebnislos verläuft und gem. § 170 Abs. 2 StPO
eingestellt wird, dann kann derjenige seinerseits gegen den Anzeigeerstatter vorgehen. In Betracht kommt eine Anzeige wegen Falscher Verdächtigung oder Verleumdung. Denkbar sind insofern auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, etwa für die Kosten der Verteidigung gegen die unhaltbaren Vorwürfe.
Ob ein Verfahren gegen Ihre Konkurrentin aufgrund Ihrer Vorwürfe betrieben wurde, werden Sie möglicherweise nie erfahren. Sie riskieren aber eigene Strafverfolgung. Lohnt sich das? Ihren Verdruss über fehlende Steuergerechtigkeit kann ich verstehen (andererseits ist die öffentliche Verschwendung von Steuergelder vielleicht noch gravierender zu beurteilen), aber eine Denunziation aufgrund von Spekulation und auf ungesicherter Tatsachenbasis ist nicht empfehlenswert und wird Ihnen vielleicht mehr schaden als einen wie auch immer interpretierten Nutzen bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin