Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage, zu der ich auf der Grundlage Ihrer Schilderung und Ihres Einsatzes gerne wie folgt Stellung nehme:
I. Innerhalb einer sog. Rahmengebühr hat der Steuerberater den Rahmensatz nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei hat er "insbesondere" - aber nicht ausschließlich - die Bedeutung der Angelegenheit, den Umfang und die Schwierigkeit seiner Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. § 11 StBGebV).
Hinsichtlich der Frage, ob der Steuerberater sein Ermessen zutreffend ausgeübt hat, nimmt die Rechtsprechung vielfach die sog. Mittelgebühr zum Ausgangspunkt.
Dieser Begriff, der der StBGebV fremd ist, steht für den "Mittelsatz" einer Gebühr im Rahmen der vorgegebenen Spanne. Sie findet Anwendung, wenn die Angelegenheit keine Besonderheiten aufweist, also insbesondere von durchschnittlichem Umfang und durchschnittlicher Schwierigkeit ist.
Von diesem Standpunkt aus ist es nicht unloglisch, daß der Mandant, der eine niedrigere Gebühr als die "Mittelgebühr" für angemessen erachtet, Umstände darlegen und beweisen muß, die zu einer Senkung der vom Berater angesetzten Gebühr führen. Gleichsam spiegelbildlich muß der Steuerberater die Berechtigung seines Ansatzes darlegen, sofern er sich oberhalb der Mittelgebühr bewegt (so z. B. OLG Düsseldorf, GI 1994, 133).
II. Akzeptiert man diese Vertreilung der Darlegungs- und Beweislast, müßte Ihr bisheriger Steuerberater in einem Gebührenrechtsstreit jedenfalls darlegen, warum er bzgl. der Aufstellung des Jahresabschlusses 40/10 für angemessen erachtet.
Im übrigen läge die Darlegungs- und Beweislast indes größtenteils bei Ihnen, so daß in der Tat ein gewisses Risiko besteht. Das dürfte selbst dann gelten, wenn man sich mit dem OLG Hamm auf den Standpunkt stellt, daß der Steuerberater die Berechtigung eines jeden Ansatzes, der oberhalb der Mindestgebühr (!) liegt, darzulegen und zu beweisen hat. Denn u. U. kann der bisherige Steuerberater durchaus plausibel machen, warum er z. B. hinsichtlich der Körperschaftssteuererklärung 3/10 (und nicht lediglich 1/10 oder 2/10) angesetzt hat.
Insofern sind Sie, wenn Sie sich nur auf die Kosten für den Jahresabschluß stützen, deutlich risikoloser gestellt.
III. Abschließend sei darauf hinweisen, daß es sich für Sie möglicherweise - gerade mit Blick auf das Kostenrisiko bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung - empfiehlt, ein Vermittlungsverfahren nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 vor der zuständigen Steuerberaterkammer durchzuführen.
Ich hoffe, daß Ihnen diese Auskunft weiterhilft. Bitte machen Sie bei Bedarf von der Möglichkeit Gebrauch, eine kostenlose Nachfrage zu stellen.
Sehr geehrter Herr Trettin,
vielen Dank für Ihr ausführliche Antwort.
Wir haben die Angelegenheit mal durchgerechnet. Wenn wir nur die übersteigende Jahresgebühr einklagen würden, kämen wir schon allein auf ca. 1000 € brutto Klagebetrag - es würde aber nur die Jahresabschlussgebühr vom Gericht bzw. Sachverständigen überprüft werden.
Wenn wir die komplette Rechnungsdifferenz von 1450 € zzgl. Steuer einklagen würden, könnten wir uns auf die Überprüfung aller Rechnungspositionen stützen.
Nachdem die gleiche Arbeit ein Jahr später nachweislich deutlich weniger kostete, könnten wir damit unserer Darlegungs- und Beweislast genügen?
Oder müssen wir bei einer Klageeinreichung unterhalb der Mittelgebühr (siehe die letzten vier Rechnungspositionen) erst ein außergerichtliches, privates Gutachten auf unsere Kosten erstellen lassen, damit eine Klage unterhalb der Mittelgebühr überhaupt "genehmigt" wird?
Für Ihre Antwort vorab besten Dank!
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Pauschal die Differenz zwischen beiden Rechnungsbeträgen einzuklagen, ist m. E. problematisch. Denn Ihr neuer Steuerberater hat zwar durchweg niedrigere Rahmensätze angesetzt als Ihr vorheriger Berater, und teils liegen diese Sätze sogar unter der "Mittelgebühr". Das heißt aber nicht automatisch, daß der neue Steuerberater nicht höhere Sätze hätte abrechnen dürfen. Außerdem werden sich seine Tätigkeiten auf einen anderen Veranlagungszeitraum bezogen haben, so daß auch insoweit ein Vergleich beider Rechnungen nicht ohne weiteres möglich sein dürfte.
Aus meiner Sicht kann deshalb die Rechnung Ihres jetzigen Steuerberaters allenfalls ein Indiz dafür sein, daß Ihr vorheriger Berater unangemessen hoch abgerechnet hat.
Dennoch können Sie selbstverständlich die gesamte Rechnung "auf den Prüfstand stellen". Eines vorprozessual eingeholten Gutachtens, das Ihre Klage gleichsam plausibel macht, bedarf es dazu nicht. Allerdings werden Sie zumindest ansatzweise - und sei es unter Bezugnahme auf die neuere Abrechnung - darlegen müssen, warum die Gebühren, auch wenn sie nicht oberhalb der Mittelgebühr liegen, unangemessen sind. Der Beweis dafür wird wohl nur mit sachverständiger Hilfe zu führen sein, so daß das Gericht letztlich einen Sachverständigen hinzuziehen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Trettin
Rechtsanwalt