Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Frage möchte ich gerne wie folgt beantworten.
grundsätzlich gilt für die Vornahme sexueller Handlungen im Rahmen von Prostitution § 1 Abs. 1 Prostitutionsgesetz:
„Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung."
Dabei bezieht sich das Prostitutionsgesetz entgegen seiner Bezeichnung nicht nur auf Prostituierte als solche, sondern auf alle Verträge, die sexuelle Handlungen zum Gegenstand haben.
Was eine Sittenwidrigkeit und den Ihrerseits angesprochenen § 138 BGB
anbelangt, so ist der auf die entgeltliche Gewährung des Geschlechtsverkehrs gerichtete Vertrag sittenwidrig, vgl. Palandt, BGB, § 138, Rn. 52. Die Prostitution als gewerbliche Tätigkeit ist zwar als solche nicht sittenwidrig (Palandt, Anhang zu § 138, Rn. 2, BGH NJW 06, 3490
), jedoch der darauf gerichtete Vertrag. Der Grund dafür ist Folgender. Ein solcher Vertrag ist „synallagmatisch", d.h. er beinhaltet eine Leistung (Vornahme sexueller Handlungen) und eine Gegenleistung (Entgelt). Eine wirksame Verpflichtung zur Erbringung der versprochenen Leistung kann die Rechtsordnung allerdings nicht anerkennen (Verstoß gegen die Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG
). Daher ist ein Prostitutionsvertrag insgesamt Sittenwidrig. Die Entgeltforderung bei bereits geleistetem Geschlechtsverkehr ist jedoch nach § 1 Abs. 1 Prostitutionsgesetz rechtmäßig. Erst wenn die versprochene Leistung erbracht worden ist, entsteht aus dem Vertrag mit Wirkung „ex nunc" (von nun an) ein Entgeltanspruch. Es handelt sich dann um einen nachträglich zum Teil wirksam werdenden Vertrag, Palandt, BGB, Anhang zu § 138, Rn. 2.
Soweit im Ergebnis ein nachträglich wirksam gewordener Vertrag vorliegt, so könnte man erwägen, dass dieser aufgrund Ihrer Paraphilie möglicherweise aufgrund Geschäftsunfähigkeit gem. §§ 105
, 104 Nr. 2 BGB
nichtig sein könnte. Ich gehe in der Annahme, dass Ihre Paraphilie ärztlich festgestellt und testiert wurde. Der Ausschluss der freien Willensbildung im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB
ist zu bejahen, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen, Palandt, BGB, § 104, Rn. 5; BGH NJW 70, 1680
; 96, 918. Allerdings besteht für einen Ausschluss der freien Willensbildung auch dann keine Vermutung, wenn der Betroffene seit längerem an geistigen Störungen leidet, Palandt, BGB, § 104, Rn. 5, BGH NJW 09, 3051
, Rn. 8. Auch Psychopathie und Rauschgiftsucht stellen in der Regel keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit dar, Schmitt in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 104, Rn. 11. Im Ergebnis dürfte Ihre Paraphilie vorliegend nicht den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB
genügen.
Eine Nichtigkeit aufgrund Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB
im Hinblick auf Ihre Paraphilie und die damit verbundene finanzielle Ausnutzung verlangt einen Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, vgl. Palandt, BGB, § 138, Rn. 2, BGH NJW, 04, 2668. Dieser Verweis auf die Sittenordnung ist immer einzelfallspezifisch zu beurteilen, so dass hier keine abschließende Wertung erfolgen kann.
Um nach alledem abschließend auf Ihre konkrete Frage einzugehen, so halte ich eine Rückforderung der geleisteten Entgelte für sehr schwierig. Insbesondere dürfte vor dem Hintergrund, dass die Gerichte hier möglicherweise nicht einheitlich urteilen, ein besonders hohes Prozessrisiko bestehen. Auch in Bezug auf den Vorsatz der finanziellen Ausnutzung stünden Sie in der vollen Darlegungs- und Beweislast, was ich als problematisch erachte.
Sollten Sie rechtliche Schritte in Erwägung ziehen, rate ich Ihnen dringend zur anwaltlichen Inanspruchnahme.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet und Ihnen weitergeholfen zu haben. Mit einem Dank für das mir entgegengebrachte Vertrauen verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Oliver Daniel Özkara
Rechtsanwalt
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