Schadenersatz "Alt gegen Neu" 15%

Question

Sehr geehrte Damen und Herren,    in einer Mietwohnung, die wir vermieten hat der Mieter durch eine Unachtsamkeit eine steinerne Fensterbank kaputt gemacht, sodass sie erneuert werden muss.    Die Haftpflichtversicherung des Mieters teilt nun mit, dass sie zwar die Kosten dem Grunde nach übernehmen würde, jedoch lediglich 85 % der Gesamtkosten, da schließlich eine neue Fensterbank eingebaut würde und nur eine alte Fensterbank kaputt gemacht worden sei.    Auch wenn dies zwar auf den ersten Blick plausibel erscheint finden wir die Argumentation durchaus ein wenig frech: schließlich haben wir nicht darum gebeten, dass unsere Fensterbank kaputt gemacht wird. Dies hat der Mieter aus eigenem &lpar;unachtsamen&rpar; Antrieb getan.   Würde er noch mehr in der Wohnung zerstören und wir müssten für alles 15 % zahlen &lpar;er aber eigentlich nichts, weil die Versicherung ja seinen Anteil zahlt&rpar; wäre das aus unserer Sicht ein kostspieliger Vorgang, von dem wir faktisch nichts haben.    Daher meine Frage: ist dieses Vorgehen &lpar;15 % Abzug&rpar; o. k.? Oder können wir vom Mieter die besagten restlichen 15 % verlangen?    Besten Dank    Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt Cedric Hohnstock · Accepted Answer

Antwort vom Rechtsanwalt: Sehr geehrte&lpar;r&rpar; Fragesteller&lpar;in&rpar;,    ich verstehe Ihren Unmut sehr gut: Sie haben den Schaden nicht verursacht, müssen sich aber nun mit einer &#8211; aus Ihrer Sicht schlicht &#8222;frechen" &#8211; Kürzung auseinandersetzen. Juristisch stellt sich die Sache differenziert dar: Grundsätzlich ist der Mieter für von ihm verursachte Beschädigungen der Mietsache zum Schadensersatz verpflichtet; die Haftpflichtversicherung tritt lediglich an seine Stelle. Ob der von der Versicherung vorgenommene Abzug in Höhe von 15 % zulässig ist, hängt jedoch vom Grundsatz der Vorteilsausgleichung &lpar;&#8222;Neu&#8209;für&#8209;Alt"&rpar; ab &#8211; und dieser greift &lpar;zu Ihren Gunsten!&rpar; nicht automatisch, nicht pauschal und schon gar nicht ohne belastbare Darlegung zum konkreten Einzelfall.    Anspruchsgrundlagen gegen den Mieter    Der Mieter verletzt durch die Beschädigung der Mietsache seine vertraglichen Obhutspflichten &lpar;&#167; 241 Abs. 2 BGB&rpar; aus dem Mietvertrag &lpar;&#167; 535 BGB&rpar;. Daraus folgt ein Schadensersatzanspruch des Vermieters nach &#167; 280 Abs. 1 BGB.    Der Umfang des Schadensersatzes richtet sich nach &#167; 249 BGB &lpar;Naturalrestitution&rpar;. Ist eine Reparatur unmöglich oder wirtschaftlich sinnlos, dürfen die Kosten der notwendigen Wiederherstellung verlangt werden &lpar;&#167; 249 Abs. 2 Satz 1 BGB&rpar;. Umsatzsteuer ist nur zu erstatten, wenn sie tatsächlich anfällt &lpar;&#167; 249 Abs. 2 Satz 2 BGB&rpar;.    &#8222;Neu-für-Alt"-Abzug &lpar;Vorteilsausgleichung&rpar;: Grundsatz und Grenzen    Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Abzug &#8222;Neu&#8209;für&#8209;Alt" nur dann vorzunehmen, wenn der Geschädigte durch die Wiederherstellung einen messbaren und zurechenbaren Vermögensvorteil erhält &lpar;z. B. Lebensdauerverlängerung, nachhaltige Wertsteigerung&rpar;, und wenn es der Billigkeit entspricht, diesen Vorteil schadensmindernd zu berücksichtigen. Maßgeblich sind die Umstände des konkreten Einzelfalls &lpar;Alter, Abnutzung, Restnutzungsdauer, Austauschbarkeit, Marktgängigkeit des Bauteils&rpar;.    Wichtig: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein relevanter Vorteil entsteht und in welcher Höhe, trifft den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer. Ein schematischer, pauschaler Prozentsatz genügt nicht! Deshalb muss die Gegenseite &lpar;Mieter bzw. Haftpflichtversicherung&rpar; zunächst - z.B. durch eine Begutachtungen, Kostenvoranschläge, Preisübersichten o.ä. - beweisen, dass Ihnen auch tatsächlich ein "messbarer und zurechenbarer Vermögensvorteil" entstanden ist; schließlich bedeutet "neu" nicht, dass damit stets auch ein Vermögenszuwachs eintritt.    Auch die Rechtsprechung betont immer wieder, dass ein &#8222;Neu&#8209;für&#8209;Alt"-Abzug nur in Betracht kommt, wenn der Geschädigte durch die Wiederherstellung objektiv und messbar besser steht, und dass Höhe und Eintritt des Vorteils konkret festzustellen sind - es ist stets eine konkrete sowie einzelfallbezogenen Billigkeitsabwägung erforderlich; pauschale Abschläge ohne belastbare Tatsachengrundlage genügen nicht.    Konkreter Bezug zu Ihrer Fensterbank    Eine steinerne Fensterbank ist typischerweise ein langlebiges und regelmäßig nicht dem turnusmäßigen Austausch unterliegendes Bauteil. Der Ersatz durch eine neue Fensterbank führt nicht automatisch zu einem anrechenbaren Vermögensvorteil; entscheidend sind konkrete Faktoren:    - Alter und Zustand der zerstörten Fensterbank &lpar;Material, Abnutzung, Vorschäden, Risse, Abplatzungen&rpar;.    - Ob und inwieweit die Neuinstallation die Restnutzungsdauer tatsächlich signifikant verlängert oder den Verkehrswert des Objekts messbar erhöht.    - Ob ein gleichwertiger Ersatz &lpar;kein &#8222;Upgrade"&rpar; erfolgt.    Bezüglich dieser Punkte trägt die Gegenseite die volle Beweislast! Der Mieter bzw. die Haftpflichtversicherung muss erst einmal nachweisen, dass die oben genannten Punkte einen Abzug rechtfertigen. Ein pauschaler 15-%-Abzug ist ohne Darlegung dieser Punkte rechtlich abzuweisen. Die Versicherung müsste konkret erklären, worin Ihr messbarer Vorteil bestehen soll und wie er &#8211; etwa anhand einer Restnutzungsdauerbewertung &#8211; quantifiziert wurde. Gerade bei massiven, langlebigen Bauteilen fällt diese Begründung der Schädigerseite häufig schwer. Deshalb ist Ihre rechtliche Ausgangslage zum aktuellen Zeitpunkt als sehr gut zu bewerten.    Dürfen Sie die gekürzten 15 % vom Mieter verlangen?    Ja. Ihr primärer Anspruch richtet sich gegen den Mieter &lpar;&#167; 280 Abs. 1 i. V. m. &#167; 241 Abs. 2 BGB&rpar;. Die Haftpflichtversicherung reguliert lediglich im Namen des Mieters. Kürzt die Versicherung zu Unrecht, bleibt der Mieter zur Zahlung des vollen, nach &#167; 249 BGB erforderlichen Betrags verpflichtet. Der Mieter kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Versicherung weniger zahlen will; etwaige Differenzen sind ein Problem zwischen Mieter und Versicherer.    Sofern die Versicherung einen &#8222;Neu&#8209;für&#8209;Alt"-Abzug nicht substantiiert und beweist, können Sie die restlichen 15 % zusätzlich vom Mieter verlangen. Ob ein Gericht einen &lpar;geringeren oder höheren&rpar; Abzug bejaht, hängt von den oben genannten Einzelfaktoren ab.    Praktisches Vorgehen    Fordern Sie die Versicherung schriftlich zur nachvollziehbaren Begründung auf:   Konkrete Darlegung des behaupteten Vorteils &lpar;Wertsteigerung, Restnutzungsdauer, Marktwerteinschätzung&rpar;.  Grundlage der 15-%-Quote &lpar;Sachverständigengutachten? Tabellen?&rpar;.    Dokumentation Ihrerseits: Fotos der beschädigten Fensterbank, Beschreibung von Alter, Material und Zustand vor dem Schaden. Kostenvoranschlag/Rechnung für einen gleichwertigen Ersatz &lpar;kein hochwertigeres Material, keine Komfort- oder Designsteigerung&rpar;.    Ggf. &lpar;falls möglich&rpar; kurze Stellungnahme eines Handwerksbetriebs oder Sachverständigen zur typischen Lebensdauer des konkreten Materials und zum Erneuerungsbedarf.    Setzen Sie dem Mieter eine angemessene Frist &lpar;14 Tage&rpar; zur Zahlung des vollen Betrags ab Rechnungszugang; weisen Sie darauf hin, dass es nicht Ihr Problem ist, wenn die Haftpflichtversicherung des Mieters unbegründete Kürzungen vornimmt.    Nach Fristablauf befinden sich Mieter bzw. Versicherer in Verzug &lpar;&#167; 286 BGB&rpar;, Verzugszinsen nach &#167; 288 BGB können sodann geltend gemacht werden.    Wenn die Gegenseite bei der pauschalen Kürzung bleibt, empfehle ich &#8211; schon aus Signalwirkung &#8211; die Geltendmachung der Differenz gegen den Mieter. Oft führt bereits die klare Anspruchsdurchsetzung zu einer Nachregulierung durch die Versicherung.    Ergebnis in Kürze    Ein &#8222;Neu&#8209;für&#8209;Alt"-Abzug ist dem Grunde nach möglich, aber keinesfalls automatisch. Er setzt einen nachweisbaren, zurechenbaren Vorteil bei Ihnen voraus und unterliegt einer strengen Einzelfallprüfung nach &#167; 249 BGB.    Bei einer steinernen, langlebigen Fensterbank ist ein pauschaler 15-%-Abzug ohne nähere Begründung regelmäßig nicht haltbar. Die Beweislast für Vorteil und Höhe liegt bei der Schädigerseite.    Sie können die restlichen 15 % grundsätzlich vom Mieter verlangen; er bleibt Ihnen aus dem Mietvertrag schadensersatzpflichtig &lpar;&#167; 280 Abs. 1 BGB&rpar;, unabhängig von der Regulierungspraxis seiner Haftpflichtversicherung.    Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen nachvollziehbar beantworten konnte.      Mit freundlichen Grüßen    Cedric Hohnstock  Rechtsanwalt    Kanzlei Hohnstock

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Rechtsanwalt Cedric Hohnstock

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