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Rückzahlung von Weihnachtsgeld bei Kündigung zum 31.03. des Folgejahres

| 28. April 2020 13:26 |
Preis: 30,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Ulrike Gehrke

Zusammenfassung

Kann man mir das Weihnachtsgeld wieder wegnehmen, wenn ich kündige und ein Tarifvertrag gilt?

Wenn der Tarifvertrag uneingeschränkt durch Arbeitsvertrag in Bezug genommen wurde (oder ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag Anwendung findet) und die dort genannten Voraussetzungen für eine Rückzahlung einer Weihnachtssonderzahlung gegeben sind, dann wird man sich nicht erfolgreich dagegen wenden können.

Hallo,

ich war über 8 Jahre bei einer Firma für Arbeitnehmerüberlassung angestellt und habe nun zum 31.03. diesen Jahres gekündigt, da ich ein Übernahmeangebot angenommen habe.
Nun wurde mir das Weihnachtsgeld, welches ich im November letzten Jahres bekommen habe, mit der letzten Abrechnung wieder eingezogen. Der Betrag liegt bei 30 % eines Monatsgehalts, fällt also in die Kategorie zwischen 100 € und einem Monatsgehalt. Ich bin mir nicht sicher, ob dies so zulässig ist, aus folgenden Gründen:

1. Laut Arbeitsvertrag gibt es Weihnachtsgeld, wenn man zum Auszahlungsmonat November bereits mindestens 11 Monate im Unternehmen beschäftigt ist. Das suggeriert mir, dass das Weihnachtsgeld eine freiwillige Honorierung der zurückliegenden Arbeitsleistung und Firmentreue ist, nicht der kommenden. Eine Rückzahlungsklausel ist im Arbeitsvertrag nicht vorhanden. Auf Nachfrage wurde lediglich auf den Tarifvertrag verwiesen.

2. Davon abgesehen ist laut meinen Internet-Nachforschungen eine Unternehmensbindung bis 31.03. des Folgejahres bei diesem Betrag an Weihnachtsgeld durchaus üblich. Jedoch war ich ja bis einschließlich 31.03. Mitarbeiter des Unternehmens und habe die Betriebstreue in meinen Augen erfüllt. Da dies offenbar nicht anerkannt wird, fordert mein ehemaliger Arbeitgeber somit eine Unternehmensbindung bis mindestens 1. April des Folgejahres. Ist das rechtlich noch zulässig?

3. Ich kann laut Arbeitsvertrag gar nicht zum 1. April kündigen, sondern immer nur zum 15. oder Monatsende. Das wiederum käme ja dann schon einer Unternehmensbindung bis mindestens 15. April gleich.

Ist es also in meinem speziellen Fall trotzdem rechtlich in Ordnung, mir mein Weihnachtsgeld wieder wegzunehmen, oder kann ich hier auf die Auszahlung bestehen?

Vielen Dank schon mal für Ihre Antworten.

Sehr geehrter Fragesteller,

Gern beantworte ich Ihre Fragen:

1. Laut Arbeitsvertrag gibt es Weihnachtsgeld, wenn man zum Auszahlungsmonat November bereits mindestens 11 Monate im Unternehmen beschäftigt ist. Das suggeriert mir, dass das Weihnachtsgeld eine freiwillige Honorierung der zurückliegenden Arbeitsleistung und Firmentreue ist, nicht der kommenden. Eine Rückzahlungsklausel ist im Arbeitsvertrag nicht vorhanden. Auf Nachfrage wurde lediglich auf den Tarifvertrag verwiesen.

Wenn es eine Rückzahlungsverpflichtung aufgrund eines Tarifvertrages gibt (in der Zeitarbeitsbranche regelmäßig), ist zur rechtlichen Beurteilung, ob der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld zurückfordern kann maßgeblich, ob die dort geregelten Voraussetzungen vorliegen. Auch könnte man sich gegebenenfalls fragen, ob die tarifvertragliche Regelung wirksam bzw. unwirksam ist. Jedenfalls braucht man die Rechtsgrundlage auf der die Rückforderung beruht, für eine seriöse Einschätzung der Rechtslage. Im Arbeitsvertrag muss stehen, welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Gerne nehme ich noch eine konkrete Einschätzung Ihrer Frage vor, wenn Sie mir die Tarifnorm zur Verfügung stellen.

Meistens hat das Weihnachtsgeld eine Mischfunktion und soll vergangene Betriebstreue honorieren, gleichzeitig auch einen Anreiz schaffen im Unternehmen zu bleiben. Nach meiner Einschätzung dürfte hier, gerade durch die Stichtagsregelung 31.3., eine Mischform vorliegen.


2.
a. Davon abgesehen ist laut meinen Internet-Nachforschungen eine Unternehmensbindung bis 31.03. des Folgejahres bei diesem Betrag an Weihnachtsgeld durchaus üblich. Jedoch war ich ja bis einschließlich 31.03. Mitarbeiter des Unternehmens und habe die Betriebstreue in meinen Augen erfüllt.


Es kommt auch hier auf den genauen Wortlaut der Tarifvertragsklausel an, um eine seriöse Einschätzung machen zu können (nicht unwahrscheinlich ist, dass dort eine Rückzahlungsverpflichtung geregelt ist für den Fall, dass ein Arbeitnehmer bis zum 31.3. ausscheidet).

b. Da dies offenbar nicht anerkannt wird, fordert mein ehemaliger Arbeitgeber somit eine Unternehmensbindung bis mindestens 1. April des Folgejahres. Ist das rechtlich noch zulässig?

Nach meiner Einschätzung bietet der Arbeitgeber nicht an, den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses auf den 01.04. rückwirkend zu verlegen, damit Sie das Weihnachtsgeld behalten können. Vielmehr will er damit sagen, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.3. hinaus hätte bestehen müssen, um nicht von der Rückzahlungspflicht betroffen zu sein.

Falls er dazu aber tatsächlich bereit sein sollte, könnte man an eine Vereinbarung denken, die schlicht lautet: Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zum 01.04.2020, nicht zum 31.3.2020, endete.


3. Ich kann laut Arbeitsvertrag gar nicht zum 1. April kündigen, sondern immer nur zum 15. oder Monatsende. Das wiederum käme ja dann schon einer Unternehmensbindung bis mindestens 15. April gleich.

Eine Kündigungserklärung zielt darauf ab ein Vertragsverhältnis in der Zukunft zu beenden und kommt daher vorliegend offensichtlich nicht in Betracht; durch die oben genannte Vereinbarung wäre das Ziel erreicht.

Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten. Gern stehe ich für eine etwaige Nachfrage zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

U. Gehrke
Rechtsanwältin

Rückfrage vom Fragesteller 29. April 2020 | 07:58

Sehr geehrte Frau Gehrke,

vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort.

Im Unternehmen gibt es einen mit ver.di abgeschlossenen Haustarifvertrag. Im Abschnitt der Sonderzahlung findet sich ein Verweis auf einen Paragraphen im Manteltarifvertrag. Soweit ich weiß, wurde der Tarifvertrag während meiner Beschäftigungszeit mindestens einmal aktualisiert.

So wie ich Sie verstanden habe, ist es wohl abhängig von bestimmten Formulierungen und Klauseln im Tarifvertrag. Daher gehe ich davon aus, dass dies entsprechend so formuliert ist, dass ich das Weihnachtsgeld zurückzahlen muss. Der Tarifvertrag selbst oder dessen konkrete Bezeichnung liegt mir leider nicht vor.

Ich bin jedoch davon ausgegangen, dass es, unabhängig davon, gesetzlich geregelt ist, wie lange die Firmenbindung maximal dauern darf und dies auch nicht durch bestimmte Klauseln verlängert werden kann. In meinem Fall wäre das eben der 31. März. Dabei müsste ja entscheidend sein, wann konkret der letzte Arbeitstag im Unternehmen war.

Gemäß der Kombination aus Rückzahlungsklausel (Tarifvertrag) und Kündigungsbedingungen (Arbeitsvertrag) hätte ich, wenn ich die Gratifikation behalten will, frühestens zum 15. April kündigen können, da Kündigungen immer nur zum 15. oder Monatsende möglich sind. Dann wäre jedoch die gesetzliche Maximalbindung für diese Gratifikationskategorie (100 € bis 1 Monatsgehalt) schon um einen halben Monat überschritten.

Dieses Verständnis habe ich aus den folgenden Wortlauten:

Quelle [1]:
"...kann eine Bindung bis maximal zum 31. März des Folgejahres vereinbart werden. Der Arbeitnehmer kann mit anderen Worten vertraglich zur Rückzahlung der Gratifikation verpflichtet werden, falls er früher als bis zum 31. März des Folgejahres kündigt. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer, der gegen Ende des Jahres eine Gratifikation von zum Beispiel einem halben Monatsgehalt erhält, so kündigen kann, dass er genau mit dem Ablauf des 31. März des Folgejahres ausscheidet, ohne damit zur Rückzahlung der Gratifikation verpflichtet zu sein"

Quelle [2]:
"...darf der Stichtag für eine Rückzahlungsverpflichtung spätestens am 31. März des Folgejahres liegen. Entscheidend ist dabei, ob der Arbeitnehmer an diesem Tag noch im Unternehmen ist"

Hätte ich mir den ganzen Ärger ersparen können, wenn ich auf die Kündigung einfach "zum 1. April" geschrieben hätte? Das hätte ja nichts an der Situation geändert. So oder so war mein letzter Arbeitstag im Unternehmen der 31. März, das lässt sich einfach anhand der Abrechnung nachvollziehen.

[1] https://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Handbuch_Rueckzahlungsklausel.html
[2] https://www.kanzlei-hasselbach.de/2015/weihnachtsgeld-kuendigung-zurueckzahlen/12/

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 29. April 2020 | 14:01

Guten Tag,

gerne beantworte ich Ihre Nachfrage.

Bei der rechtlichen Beurteilung einer Rückzahlungsverpflichtung von Weihnachtsgeld ist danach zu differenzieren, ob diese arbeitsvertraglich geregelt ist oder auf Tarifvertrag beruht.

Eine arbeitsvertraglich vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung muss sich in der Regel an den §§ 305 ff. BGB messen lassen, da es sich bei dieser in der Regel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, vgl. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB ).
Zu der Wirksamkeit von arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklauseln gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung, die hier aber nicht von Relevanz ist, weil in Ihrem Fall Rechtsgrundlage für die Rückzahlung ein Tarifvertrag ist.

Für Rückzahlungsverpflichtung nach Tarifvertrag gilt Folgendes:
Arbeitsvertraglich einschränkungslos und in ihrer Gesamtheit in Bezug genommene Tarifverträge (ob das bei Ihnen der Fall ist, müsste anhand Ihres Arbeitsvertrages geprüft werden) unterliegen keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB , es kommt nur darauf an, dass dieser nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht entschieden:
In Tarifverträgen kann der Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums im Folgejahr abhängig gemacht werden. Dies stellt keinen Verstoß gegen höherrangiges Verfassungsrecht dar (Urteil vom 27.06.2018, Az.: 10 AZR 290/17 ).
In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ging es um die tarifvertragliche Formulierung: "(...) [Arbeitnehmer] erhalten eine Weihnachtszuwendung, wenn (...) und nicht in der Zeit bis einschließlich 31.3. des folgenden Jahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis ausscheiden."

Bitte überprüfen Sie Ihre Quellen anhand der genannten Differenzierung.

Fazit: Wenn also der Tarifvertrag uneingeschränkt durch Arbeitsvertrag in Bezug genommen wurde (oder ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag Anwendung findet) und die dort genannten Voraussetzungen für eine Rückzahlung einer Weihnachtssonderzahlung gegeben sind, dann wird man sich nicht erfolgreich dagegen wenden können.

Ein Ausscheiden nach dem Stichtag wäre in Hinblick auf den Erhalt der Zahlung sinnvoll gewesen, auch wenn dies mit einer Vertragsbindung bis 15.4. verbunden gewesen wäre.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Nachfrage verständlich beantworten.

Freundliche Grüße

U. Gehrke
Rechtsanwältin






Bewertung des Fragestellers 29. April 2020 | 14:35

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