Sehr geehrter Herr, sehr geehrte Dame,
auf Grundlage der geschilderten Details erlaube ich mir, Ihre Frage wie nachfolgend summarisch zu beantworten. Bitte beachten Sie, dass bedingungsgemäß eine Erstberatung geboten wird, die eine genaue und abschließende weiterführende Beratung nicht ersetzt!
1. Ausweislich der vorliegenden vertraglichen Vereinbarungen sehe ich keine vertragliche Grundlage für die Ableistung von Überstunden. Ohne eine vertragliche Vereinbarung aber sind Sie nicht verpflichtet, Überstunden auszuüben. On natürlich entsprechende mündliche Vereinbarungen vorliegen, entzieht sich meiner Wahrnehmung. Jedenfalls genügt die Regelung bzgl. der Bezahlung nicht, um eine Tätigkeitspflicht zu begründen.
2. Bzgl. der Sonn- und Feiertage verweise ich auf die obenstehende Lösung.
3. Auch wenn keine Überstundenvergütung geregelt ist bzw. wenn gegen das ArbeitzG verstoßen wird, kann eine anteilige Vergütung verlangt werden. Die vorhandene Regelung ist keine konkrete Regelung. Daher kann nachfolgende Rspr. greifen (5. Senat BAG):
„die streitgegenständliche Mehrarbeit war nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten. Die Beklagte musste davon ausgehen, dass der Kläger die Arbeit nur gegen eine Vergütung leisten werde. Zwar hätte sie die auf Grund des Beschäftigungsverbots des § 3 ArbZG
unzulässige Arbeitsleistung weder anordnen noch entgegennehmen dürfen. Gleichwohl hat der Kläger Anspruch auf Bezahlung der geleisteten Arbeit. Der Sinn des Beschäftigungsverbots besteht nur darin, die Arbeitsleistung zu verhindern, um eine Überforderung des Arbeitnehmers zu vermeiden. Eine vereinbarte Vergütung bleibt maßgebend; § 612 BGB
ist bei Fehlen einer Vergütungsabrede anwendbar (vgl. BAG 14. Dezember 1967 - 5 AZR 74/67
- AP AZO § 1 Nr. 2, zu 4 der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat unter Anwendung von § 138 ZPO
festgestellt, der Kläger habe die Überstunden auf Anordnung seines Vorgesetzten geleistet (vgl. BAG 17. April 2002 - 5 AZR 644/00
- AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40
= EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 148, zu II 3 der Gründe).
.
Zugleich ist aber auch eine Entscheidung des 6. Senats zu berücksichtigen (6 AZR 287/04
), wonach gerade keine Zahlungsansprüche gegeben sein und gerade das ArbeitszG bewusst auf eine Entschädigungsleistung verzichtet habe. Überzeugend finde ich das nicht. Auf die ausdrückliche Anordnung der Überstunden kann es außerdem bei Duldung durch den AG nicht ankommen.
4. Es besteht zwar insoweit kein Arbeitsvertrag. Allerdings könnte durch die langjährige Übung insoweit eine stillschweigende Vertragsänderung anzunehmen sein. Dabei wird es auf die genauen Umstände der Tätigkeit ankommen. Im Zweifel würde ich dies aber bejahen.
5. Ich kann dies nur bejahen! Die Ausnahmetatbestände zitiere ich sogleich.
ArbZG § 10
Sonn- und Feiertagsbeschäftigung
(1) Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können, dürfen
Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen abweichend von § 9 beschäftigt werden
1. in Not- und Rettungsdiensten sowie bei der Feuerwehr,
2. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der
Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden und für Zwecke der
Verteidigung,
3. in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und
Betreuung von Personen,
4. in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung
sowie im Haushalt,
5. bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen, Filmvorführungen,
Schaustellungen, Darbietungen und anderen ähnlichen Veranstaltungen,
6. bei nichtgewerblichen Aktionen und Veranstaltungen der Kirchen,
Religionsgesellschaften, Verbände, Vereine, Parteien und anderer ähnlicher
Vereinigungen,
7. beim Sport und in Freizeit-, Erholungs- und Vergnügungseinrichtungen, beim
Fremdenverkehr sowie in Museen und wissenschaftlichen Präsenzbibliotheken,
8. beim Rundfunk, bei der Tages- und Sportpresse, bei Nachrichtenagenturen
sowie bei den der Tagesaktualität dienenden Tätigkeiten für andere
Presseerzeugnisse einschließlich des Austragens, bei der Herstellung von
Satz, Filmen und Druckformen für tagesaktuelle Nachrichten und Bilder, bei
tagesaktuellen Aufnahmen auf Ton- und Bildträger sowie beim Transport und
Kommissionieren von Presseerzeugnissen, deren Ersterscheinungstag am
Montag oder am Tag nach einem Feiertag liegt,
9. bei Messen, Ausstellungen und Märkten im Sinne des Titels IV der
Gewerbeordnung sowie bei Volksfesten,
10. in Verkehrsbetrieben sowie beim Transport und Kommissionieren von
leichtverderblichen Waren im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 2 der
Straßenverkehrsordnung,
11. in den Energie- und Wasserversorgungsbetrieben sowie in Abfall- und
Abwasserentsorgungsbetrieben,
12. in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung sowie in Einrichtungen zur
Behandlung und Pflege von Tieren,
13. im Bewachungsgewerbe und bei der Bewachung von Betriebsanlagen,
14. bei der Reinigung und Instandhaltung von Betriebseinrichtungen, soweit
hierdurch der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebs
bedingt ist, bei der Vorbereitung der Wiederaufnahme des vollen
werktägigen Betriebs sowie bei der Aufrechterhaltung der
Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen,
15. zur Verhütung des Verderbens von Naturerzeugnissen oder Rohstoffen oder
des Mißlingens von Arbeitsergebnissen sowie bei kontinuierlich
durchzuführenden Forschungsarbeiten,
16. zur Vermeidung einer Zerstörung oder erheblichen Beschädigung der
Produktionseinrichtungen.
(2) Abweichend von § 9 dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit den
Produktionsarbeiten beschäftigt werden, wenn die infolge der Unterbrechung der
Produktion nach Absatz 1 Nr. 14 zulässigen Arbeiten den Einsatz von mehr Arbeitnehmern als bei durchgehender Produktion erfordern.
(3) Abweichend von § 9 dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Bäckereien und
Konditoreien für bis zu drei Stunden mit der Herstellung und dem Austragen oder
Ausfahren von Konditorwaren und an diesem Tag zum Verkauf kommenden Bäckerwaren
beschäftigt werden.
(4) Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können, dürfen
Arbeitnehmer zur Durchführung des Eil- und Großbetragszahlungsverkehrs und des Geld-,
Devisen-, Wertpapier- und Derivatehandels abweichend von § 9 Abs. 1 an den auf einen
Werktag fallenden Feiertagen beschäftigt werden, die nicht in allen Mitgliedstaaten
der Europäischen Union Feiertage sind.
Mir sind hier keine Ausnahmen erkennbar!
Sie sollten entsprechend einen RA Ihres Vertrauens konsultieren.
Mit freundlichen Grüßen
Hochachtungsvoll
Rechtsanwalt Hinrichs
rahinrichs@gmx.de
Noch eine Nachfrage zu Pkt. 4. Wenn ich Sie recht verstehe, könnte sich aus meiner bisherigen Teilnahme am Bereitschaftsdienst auch eine Pflicht für die Zukunft ergeben ?
Mit freundlichen Grüßen
und vielen Dank für Ihre schnelle Antwort
Danke für Ihre Nachfrage, die ich leider erst heute beantworten kann. In ihrem Fall liegt ja gerade keine arbeitsvertragliche Verpflichtung vor. Allerdings können Verträge natürlich auch geändert werden. Dazu ist erforderlich, dass beide Parteien einvernehmlich entsprechende Regelungen erlassen. Dies kann auch durch stillschweigendes, schlüssiges Verhalten geschehen. Wenn nun über Jahre hinweg entsprechende Dienste geleistet werden, ohne Einwände beziehungsweise unter Ausschluss der Anerkennung einer Rechtspflicht, meine ich jedenfalls, dass dadurch beidseitig zu erkennen gegeben wird, mit einer entsprechenden Verpflichtung einverstanden zu sein. Dementsprechend würde ich auch eine stillschweigende Vertragsänderung annehmen.
Hochachtungsvoll