Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ihre Fragen sind absolut berechtigt, aber leider haben Sie gar nicht mitgeteilt, welche Folgen die PKV daraus ziehen will, dass Sie eine mögliche Kieferfehlstellung beim Wechsel nicht angegeben haben.
Grundsätzlich ist es so, dass es dem Versicherten zur Last gelegt wird, wenn er irgendetwas aus seiner medizinischen Vergangenheit nicht mitteilt - leider interpretieren die PKV das irgendetwas" sehr weitreichend. Aber die Folgen, die eine PKV daran knüpft, sind unterschiedlich und reichen von der Verweigerung der Kostenerstattung im konkreten Fall über Rückforderung bis hin zur Vertragskündigung.
Dabei wird zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit, vorsätzlicher Falschangabe und arglistiger Täuschung unterschieden.
Bei einfacher und grober Fahrlässigkeit findet eine Vertragsanpassung statt, sofern der Kunde bei korrekten Angaben einen anderen Vertrag bekommen hätte. Die Versicherung kann dann nachträglich (bis zu drei Jahre nach Abschluss) einen Risikozuschlag erheben oder einen Leistungsausschluss aussprechen. Leistungsausschluss bedeutet: Erstattungen für nicht übernommene Leistungen müssen zurückgezahlt werden und der Leistungsausschluss für den unkorrekt beantworteten Krankheitsbereich gilt auch zukünftig.
Wäre der Kunde sonst nicht versichert worden, kann die Versicherung im Falle einfacher Fahrlässigkeit den Vertrag binnen eines Monats kündigen. Bei grober Fahrlässigkeit darf sie vom Vertrag zurücktreten. Die gezahlten Beiträge werden dann einbehalten und unrechtmäßig beanspruchte Erstattungen sind zurückzuzahlen. Auch hier gilt die zuvor genannte Drei-Jahres-Frist für mögliche Versicherungsfolgen.
Bei vorsätzlicher Falschangabe (ohne betrügerische Absicht) kann die Versicherung bis zu zehn Jahre nach Abschluss vom Vertrag zurücktreten - mit den gleichen Konsequenzen wie bei grober Fahrlässigkeit.
Bei arglistiger Täuschung (betrügerische Absicht) besteht ebenfalls zehn Jahre lang eine Rücktrittsmöglichkeit. Hier darf die Versicherung alle bis dahin geleisteten Erstattungen zurückfordern - nicht nur die, die aufgrund der Falschangaben erfolgt sind.
Ich weiß also nicht, welche Konsequenz Ihre PKV nun ziehen will, aber ganz generell gebe ich Ihnen den Rat, sich zu wehren. Der Ombudsmann ist genau der richtige Weg, aber Sie können sich auch selbst mit einem Schreiben an die PKV wenden.
Es gibt aus jüngerer Zeit ein positives Urteil, das aber nicht auf andere Fälle übertragbar ist (keine höchstrichterliche Rechtsprechung), aus dem man aber zitieren kann:
Landgericht Dortmund, Az. 2 O 452/12
. Hier hatte ein Versicherter eine Diagnose aus Scham verschwiegen, das LG hat den Kostenerstattungsanspruch der PKV zurückgewiesen.
Wichtig ist daher zu wissen, welchen Grad an Pflicht Widrigkeiten die PKV Ihnen vorwirft. Von einem "Verschweigen" kann ja wohl keine Rede sein.
Es ist absolut nachvollziehbar, dass Sie dem damaligen Arztgespräch keine Bedeutung zugemessen haben. Ein wichtiges Argument ist hier die Tatsache, dass Sie als gesetzlich Versicherter ja gar keine schriftliche Diagnose (über die Rechnung) erhalten haben. Woher also sollten Sie wissen, was die Ärztin damals abgerechnet hat, auf welchen Diagnoseschlüssel sie sich bezogen hat?
Hier können Sie sehr wohl darauf hinweisen, dass Ihnen gar nicht klar war, ja dass Sie gar nicht wissen konnten, was die Ärztin da gesehen haben will, zumal sie nicht mit Ihnen ausführlich darüber gesprochen hat. Sie können die Ärztin als Zeugin für Ihre Darstellung benennen, denn Sie muss Ihre Patientenakte dann vorlegen, Sie haben sie von der Schweigepflicht ja bereits entbunden beim Wechsel zur PKV. Die Patientenakten sind mindestens 10 Jahre lang aufzubewahren.
Nun zu Ihren Fragen im einzelnen:
"Kann die PKV verlangen, dass ich mich 2019 an die Details einer Routineuntersuchung von 2015 hätte erinnern müssen?"
Ja, das ist üblich. Hier gilt das Prinzip der "Lebensbeichte. Die PKV verlangt komplette Angaben, die sogar bis in die Kindheit zurück reichen können bei bestimmten Vorerkrankungen. Vier Jahre sind kein langer Zeitraum. Hier kommt es aber - wie gesagt - darauf an zu argumentieren, dass Sie gar keine Kenntnis von der Gewichtung dieser Untersuchung, geschweige denn von einer Diagnose hätten.
"Kann unterstellt werden, dass diese Beratung in der Realität tatsächlich (und in ausreichender Form) stattgefunden hat? Mir wurde damals keinerlei schriftliche Dokumentation übergeben, die Beratung muss rein mündlich gewesen sein. Ich erinnere mich, dass die Ärztin damals sehr kurz angebunden war und mich eher schnell abgefertigt hat."
Das ist genau das "Einfalltor" für Ihre Argumentation: Diese ausführliche Beratung kann nicht unterstellt werden. Ihre Erinnerung kann nicht einfach als "falsch" bezeichnet werden, zumal Sie als gesetzlich Versicherter nicht wissen konnten, was die Ärztin der GKV damals zu Abrechnungszwecken mitgeteilt hat. Hier müssen Sie die Ärztin als zu befragende Zeugin benennen.
"Auch erfolgte keine Überweisungen zu einem Kieferorthopäden/-chirurgen für weitere Untersuchungen."
Das ist ein ganz starkes Argument! Hier müssen Sie ansetzen und das Gespräch mit der Ärztin wiedergeben und darauf hinweisen, dass Sie den kurzen Worten der Ärztin damals keinerlei Bedeutung zugemessen haben, zumal ja auch nichts daraus gefolgert wurde!
Ich hoffe, Ihnen einen Überblick gegeben zu haben, und wünsche Ihnen alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin
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