Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf Grundlage Ihrer Angaben wie folgt beantworte:
1. Ist eine Nutzungsgenehmigung für einen Versandhandel im allgemeinen Wohngebiet generell ausgeschlossen oder sind Ausnahmen in irgendeiner Form möglich? Die Lärm- und Emissionsbelästigung durch meinen Betrieb ist deutlich geringer als die des Metallbaubetriebs oder eines weiteren in diesem Gebiet ansässigen Sanitärinstallateurs. Zudem gibt es noch 2 Landwirte, die mit Ihren Traktoren wohl die größte „Belästigung“ darstellen. Könnten wir ein „nicht störendes Gewerbe“ sein?
Grundlage für die Art der Gewerbeausübung in einem allgemeinen Wohngebiet regelt § 4 BauNVO
. Darin ist eine Lagerhalle bzw. ein Logistikunternehmen nicht genannt. Hinsichtlich des vorherigen Betriebes ist § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO
einschlägig. Darin sind nicht störende Handwerksbetriebe zugelassen, einschließlich die Nebenanlagen, § 14 BauNVO
.
Die Art Ihres Unternehmens ist in einem Gewerbegebiet zulässig, § 8 BauNVO
. Daher ist der Versandhandel in einem allgemeinen Wohngebiet generell ausgeschlossen. Entsprechende gewerbliche Betriebe sind dann zulässig, wenn sie der Versorgung des Wohngebietes dienen. Aufgrund des Lieferverkehrs, der im Allgemeinen mit einer Lagerhalle zusammenhängt, sind diese in einem Gewerbegebiet zulässig, die dann auch mit einer entsprechenden Infrastruktur ausgestattet sind.
2. Sollte es zu einer Untersagung der Nutzung kommen:
a) Wie lange bzw. kurz wird die Frist zur Räumung der Lagerhalle sein? In unserer Gegend ist es leider sehr schwer, ein adäquates Lager zu finden.
Die Nutzungsuntersagung wird sich nach § 72 Abs. 1, Satz 2 HBO richten, da durch die Nutzung ein Verstoß gegen gesetzliche und damit im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht.
Bei vermieteten Gebäuden kann sich die Nutzungsuntersagung sowohl an den Eigentümer als auch
an den Mieter gerichtet werden (VGH Kassel DÖV 1984, 377).
Soweit die Nutzungsuntersagung an den Eigentümer richtet kann dieser die Halle nicht mehr selber nutzen oder neu vermieten. (VGH Kassel BRS 40 Nr. 229). Hiergegen können Sie als Mieter kein Rechtsmittel einlegen, da sich die Nutzungsuntersagung gegen den Eigentümer richtet.
Da Sie als Mieter aber unmittelbarer Auslöser für die widersprechende Nutzung sind, wird sich die Nutzungsuntersagung vorrangig an Sie richten.
Da für die geänderte Nutzung keine Genehmigung der Baubehörde vorliegt, ist die Nutzung nicht nur ungenehmigt, sondern unzulässig (OVG Lüneburg BRS 44 Nr. 202). Insoweit beschränkt sich die Nutzungsuntersagung nach § 72 HBO nicht darauf, die Einstellung der Nutzung aufzugeben, sondern die illegale Nutzungen wird verboten.
Die Behörde wird bei einer Nutzungsuntersagung regelmäßig den Sofortvollzug des mit der fehlenden Genehmigung begründeten Nutzungsverbots anordnen, da nur so wirksam vermieden werden kann, dass der Nutzer sich einen Vorteil vor dem gesetzestreuen Bürger verschafft (VGH Kassel ZfBR 1999, 47; NVwZ-RR 1996, 432
). Daher wird Ihnen sicherlich eine entsprechende Räumungsfrist gewährt werden, jedoch wird diese maximal einige Wochen ausmachen.
b) Kann ich den Vermieter wegen Schadenersatz für entstehende Kosten (Umzug, evtl. höhere Miete etc. ) in Anspruch nehmen, da er mir die Halle ja für diese Nutzung vermietet (und diese vorher per Makler annonciert) hat oder bin ich selbst verpflichtet, mich zu informieren?
Hier ist der Mietvertrag zu prüfen. Hat der Vermieter Ihnen diese Halle als Lager vermietet und damit auch das Vorliegen entsprechender Genehmigungen und damit die Nutzung suggeriert, ist ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter und den Makler gegeben.
Enthält der Mietvertrag hingegen Regelungen, die Ihnen die Verpflichtungen auferlegen, sich selbst um die erforderlichen Genehmigungen zu kümmern, wäre ein Schadensersatzanspruch nur schwerlich zu begründen.
3. Welche Strategie wäre denkbar, um die Räumung wenigstens in die Länge zu ziehen. Der Bau einer eigenen Lagerhalle ist für 2012 geplant, eventuell wäre dies auch schon 2011 realisierbar. Der Vermieter erwähnte, die Nutzungsänderung ggf. vor dem Verwaltungsgericht durchsetzen zu wollen. Kann eine Räumungsverfügung erlassen werden, solang ein solches Verfahren läuft?
Die Nutzungsuntersagung wird im Wege des Sofortvollzuges erlassen werden. Hierbei wäre zunächst eine Nutzungsänderung zu beantragen und gegen die Nutzungsuntersagung bzw. den Sofortvollzug vorzugehen, wobei ich angesichts der klaren Gesetzeslage wenig Aussicht auf Erfolgt sehe.
Ein Ermessen der Behörde die Nutzungsuntersagung im Wege der Sofortvollzuges auszusprechen könnte dann ermessenfehlerhaft sein, wenn die Bauaufsichtsbehörde die illegale Nutzung über
einen längeren Zeitraum bewusst und gewollt geduldet hat (VGH Kassel ESVGH 52, 172
= BauR 2003, 526
= BRS 65 Nr. 201).
Bloße Unkenntnis ist der Bauaufsichtsbehörde ist hingegen unschädlich. Als weitere Strategie bietet sich aus meiner Sicht an, dass Alternativen zu einer Lagerhalle gesucht werden, beispielsweise durch Module aus Containern im Gewerbegebiet, soweit möglich und aufgrund des Einnahmeverlustes ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter geltend und eingefordert wird, wobei hier eine genaue Dokumentation hilfreich ist.
Wegen der klaren gesetzlichen Regelung sehe ich allenfalls eine Nutzungsmöglichkeit, wenn der Handel auf ein Maß reduziert wird, dass einer Versorgung im allgemeinen Wohngebiet gerecht wird.
Die Zeit, die in einen möglichen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht investiert, der wenig Aussichten auf Erfolg bietet, sollte daher besser in Alternativmaßnahmen investiert werden. Möglicherweise ist die Gemeinde als auch die Bauaufsicht bei einer kooperativen Zusammenarbeit zu einer Unterstützung bereits.
In diesem Zusammenhang ist meines Wissens in der Nachbargemeinde (Köppern) ein neues Gewerbegebiet ausgewiesen worden. Eventuell lässt sich hier kurzfristig eine Lagermöglichkeit realisieren.
Ich hoffe Ihnen einen ersten hilfreichen Überblick gewährt zu haben, auch wenn das Ergebnis sicherlich nicht positiv ausfällt.
Im Rahmen der Nachfragefunktion stehe ich Ihnen weiterhin zur Verfügung.
Mit besten Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Marcus Schröter, MBA
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