Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihren Fragen:
1. + 3. Ist von einer dauerhaften Verwirkung des Unterhaltsanspruchs durch die 7jährige sozioökonomische Gemeinschaft (1996-2003) mit einem Partner zu dem heute noch enge (allerdings bestrittene u. quasi verdeckte) Verbindung besteht auszugehen ? Gibt es aktuelle obergerichtliche Leitlinien/Urteile als Orientierungs- bzw- Argumentationshilfe um den erhobenen Anspruch mit Erfolgsaussicht abzuwenden - ggf. welche ?
Eine (teilweise) Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Nr. 7 BGB
ist bei ehegleicher ökonomischer Solidarität mit dem neuen Partner anzunehmen, wenn der Unterhaltsberechtigte in der neuen Beziehung sein Auskommen findet (eheähnlichen bzw. eheersetzenden Gemeinschaft). Dies setzt in der Regel einen gemeinsamen Haushalt voraus und dass sich die Beziehung als dauerhaft und damit verfestigt erwiesen hat. Von einer Verfestigung in diesem Sinne wird i. d. R. erst ab einer Zeitdauer von zwei bis drei Jahren ausgegangen (vgl. hierzu Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 1121).
Als Rechtsfolge kann nach § 1579 BGB
ein Unterhaltsanspruch versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden. Die Wahl dieser Rechtsfolgen ist eine unter Billigkeitsgesichtspunkten zu treffende tatrichterliche Ermessensentscheidung, so dass allein das Vorliegen einer neuen Partnerschaft für eine vollständige Versagung des Unterhaltsanspruches grundsätzlich nicht ausreicht.
Wichtig ist dies in Ihrem Fall aus folgendem Grunde:
Zunächst setzt die Unterhaltskette voraus, dass bis zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruches immer irgendein Unterhaltsanspruch bestanden hat, ohne dass dieser geltend gemacht werden müsste. Zwar stellten Sie 1993 Unterhaltszahlungen ein, ob allerdings trotz Arbeitsaufnahme doch noch ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt bestand, ist nach Ihren Angaben nicht auszuschließen. Gleiches gilt für die Verwirkung, denn auch wenn eine neue Partnerschaft bestand, heißt dies nach o. g. Ausführungen nicht, dass der Unterhaltsanspruch per se in voller Höhe entfallen wäre. Von daher ist dass OLG wahrscheinlich davon ausgegangen, dass eine Unterbrechung der Unterhaltskette nicht erwiesen war und hat aus diesem Grunde die Sache nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
und auf Antrag an das FamG zur neuen Beweisaufnahme über das Vorliegen etwaiger ununterbrochener Unterhaltsansprüche und/oder das vollständige Entfallen eines Unterhaltsanspruches wegen Verwirkung zurückverwiesen.
Als weitere Strategie empfehle ich Ihnen, im anstehenden Verfahren vorm FamG zu behaupten und zu beweisen, dass zunächst wegen Arbeitsaufgabe Ihrer Exfrau ein fiktives Einkommen zuzurechnen war, darüber hinaus der Anspruch tatsächlich durch eine andere Beziehung verwirkt war. Die Behauptung, es wurde bereits im Blockhaus getrennt gewohnt, sollte bestritten werden.
2.Kommt dem Umstand mangelnder nachehelicher Solidarität - Ablehnung der für sie kostenneutralen Übertragung des Ausbildungsfreibetrages - hier eine ausschlaggebende Bedeutung für die Verwirkung des Anspruchs in der Gesamtbetrachtung zu ?
Nein. Der Umstand, dass Ihre Exfrau ein für sie rechtlich nicht verpflichtende Übertragung nicht vorgenommen hat, kann eine Verwirkung auch nicht im Rahmen einer Gesamtschau begründen
4.Erscheint das Anstreben der Befristung eines ggf. zuerkannten Anspruchs - nach VAHRG oder Präzedenzfall - erfolgsträchtig vorstellbar ?
Grundsätzlich kann der Unterhaltsanspruch der Höhe nach und zeitlich begrenzt, bzw. befristet werden. Einzelfallgesichtspunkte spielen hier eine ganz entscheidende Rolle. War die - in Ihrem Falle nicht kurze Ehezeit - davon geprägt, dass die Frau die Kinder versorgte, während Sie arbeiteten, liegt die Vermutung sehr nahe, dass durch diese Arbeitsteilung der Frau im Hinblick auf eine spätere Erwerbstätigkeit Nachteile entstanden sind (Absehen von Aus- oder Fortbildung, fehlende Möglichkeit, im Berufsfeld Erfahrungen zu sammeln). Von daher würde eine Befristung eher unbillige Wirkung entfalten. War das Bild Ihrer Ehe in Bezug auf die Arbeitsteilung und Möglichkeit für Ihre Frau, eine Tätigkeit auszuüben aber anders, so könnten Sie eine Befristung durchaus mit Aussicht auf Erfolg anregen. Schaden, eine Befristung zu erreichen, wird es aber keinesfalls. Ist das Gericht der Ansicht, das Gründe für eine Befristung nicht vorliegen, wird es keine Aussprechen. Ein Prozess- oder Kostenrisiko ist hiermit nicht für Sie verbunden.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben. Bei Unklarheiten fragen Sie einfach nach.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Scholz, RA
Sehr geehrter Herr RA Scholz,
ich danke für Ihre Antwort und nutze die Nachfrage zwecks Klärung.
zu 2 - mit Ergänzungshinweis
Die entgegen früher gewährter Zustimmung der Exfrau dann ab 2006 ff.verweigerte Übertragung des Ausbildungsfreibetrages basierte auf einem - vom objektiven Betrachter - als Sanktionsmitteilung auzufassenden Schreiben der Exfrau. Darin bemängelte Sie die Höhe meiner Unterhaltszahlungen an den studierenden Sohn als zu gering. Die mir dadurch bewußt zugefügten Einkommensnachteile stellen eine hier nicht zumutbare mangelnde nacheheliche Solidarität dar, was in der Gesamtschau der Verwirkungsbewertung zu meinen Gunsten zu würdigen sei, so eine mir informell zugegangene Fachmeinung aus 2008. Können auch Sie unter diesem Gesichtspunkt eine entsprechende Bewertung anstellen ?
zu 1 u. 3
Nachfrage zu Zumutbarkeit - u. Billigkeitsaspekten:
Die von Ihnen vermuteten OLG-Begründungen treffen weitgehend zu.
Allerdings dürften die - gerade deshalb - von mir bewusst etwas ausführlicher genannten Zahlen und Daten für das richterliche Ermessen nach Billigkeitsaspekten von mehr oder weniger einschätzbarer Bedeutung sein. Davon asugehend bitte ich Sie ergänzend um Antwort zur Frage ob für Fallkonstellationen, die z. B. in den Zeitabläufen vergleichbar sein könnten, ein ggf. teilanwendbarer bzw. übertragbarer obergerichtlicher Tenor jüngeren Datums bekannt u. vermittelbar ist ? Unzweifelhaft wird immer einzelfallbezogen entschieden, jedoch können sich einige der im vorliegenden Fall dargelegten Eckdaten - speziell auch zur Frage der Zumutbarkeit in Leitlinien bzw. Kommentaren wiederspiegeln.
Neben der von Ihnen erwähnten Randziffer (1121) des Bezugskommentars dürfte es noch andere Interpretationen jüngeren Datums zum Komplex geben, die auch zitierfähig sind und von denen ich zumindest etwas mehr auf diesem Wege erfahren möchte.
Können Sie da bitte klärend noch ein Stück weit weiterhelfen ?
Vielen Dank !
Sehr geehrter Fragesteller,
bezugnehmend auf Ihr Fax habe ich Ihnen eine Mail mit der Beantwortung Ihrer Nachfrage zugesandt.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Scholz, RA