Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage wie folgt:
Ob Sie die Degradierung vom Filialleiter zum Servicemitarbeiter und daraus folgende finanzielle Nachteile hinnehmen müssen, hängt davon ab, was in Ihrem Arbeitsvertrag steht. Sind Sie ausdrücklich als Filialleiter eingestellt, haben Sie auch einen Anspruch darauf, als solcher beschäftigt zu werden. Sind Sie nur als "Angestellter" oder sonst mit einer offenen Beschreibung angestellt, könnte Ihnen eine andere zumutbare Beschäftigung zugewiesen werden.
Es ist auch möglich, dass Ihr Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel enthält. Diese ist aber nur wirksam, wenn die neue mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit inhaltlich gleichwertig ist. Eine Prüfung anhand der Vorschriften über die allgemeinen Geschäftsbedingungen könnte daher ergeben, dass die Klausel unwirksam ist und Sie die Versetzung aus diesm Grund nicht dulden müssen.
Versetzungsklauseln können auch in Tarifverträgen enthalten sein. Sie müssten also auch prüfen, ob eine tarifliche Versetzungsklausel existiert. Tarifliche Vereinbarungen sind von der AGB-Kontrolle ausgenommen, § 310 Abs. 4 S. 1 BGB
.
Sie müssten also einmal in Ihren Arbeitsvertrag und ggf. auch in den Tarifvertrag schauen, was dort genau vereinbart ist. Ggf. ist dort auch enthalten, dass Sie nur in der bisherigen Filiale eingesetzt werden dürfen. Dann wäre eine Versetzung in die andere Filiale schon aus diesem Grund nicht möglich, sondern es wäre eine Änderungskündigung erforderlich.
Soweit ein Betriebsrat vorhanden ist, müsste dieser Ihrer Versetzung gemäß § 99 BetrVG
zustimmen. Die Versetzung könnte schon mangels Zustimmung unwirksam sein.
Selbst wenn die Versetzung arbeitsvertraglich zulässig wäre, könnte sie billigem Ermessen widersprechen, § 106 GewO
. Hierfür muss der Arbeitgeber die beiderseitigen Interessen abwägen. Die Versetzung scheint Sanktion für Ihre Erkrankung sein, was hiergegen sprechen könnte. Wenn andererseits zu befürchten ist, dass Sie wiederholt erkranken, wäre dies ein Argument für die Versetzung, da ein erkrankter Filialleiter natürlich weniger leicht vertreten werden kann als ein Servicemitarbeiter.
Sollte die Versetzung unter den vorgenannten Gesichtspunkten wirksam sein, müssen Sie der Weisung Ihres Chefs Folge leisten. Anderenfalls können Sie von Ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, müssen nicht in der anderen Filiale arbeiten und bekommen trotzdem ihren Lohn. Das sollten Sie aber nur machen, wenn Sie ganz sicher sind, dass die Versetzung unwirksam ist, da Sie anderenfalls eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung riskieren.
Sie können auch unter Vorbehalt die Arbeit in der anderen Filiale als Servicekraft aufnehmen und die Versetzung gerichtlich prüfen lassen. Dann sollten Sie Ihrem Arbeitgeber aber deutlich mitteilen, dass Sie die Versetzung für unwirksam halten und nur aus Vorsorge der Weisung Folge leisten. Das Gerichtsverfahren sollte zeitnah nach der Versetzung eingeleitet werden, eine besondere Frist gibt es aber nicht.
Zu bedenken ist aber Folgendes: Sollten Sie über keinen Kündigungsschutz verfügen, könnte eine Weigerung Ihrerseits dazu führen, dass Sie gekündigt werden. Kündigungsschutz haben nur Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber in seinem Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich Auszubildende beschäftigt. Hierbei werden Teilzeitkräfte mit einem bestimmten Schlüssel bewertet, den Sie in § 23 Abs. 1 KSchG
nachlesen können.
Wenn Sie vor 2004 eingestellt wurden, haben Sie bereits dann Kündigungsschutz wenn fünf Arbeitnehmer vorhanden sind, die vor 2004 eingestellt worden sind.
Ich kann Ihrer Schilderung entnehmen, dass Ihr Arbeitgeber mehrere Filialen hat. Ob es aber so viele mit so vielen Arbeitnehmern sind, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, müsste genau geprüft werden. Wenn Ihr Arbeitgeber Sie mangels Kündigungsschutz ohne jeden Grund entlassen kann, sollten Sie sich natürlich mit ihm gut stellen, in die anderweitige Beschäftigung einwilligen und sich ggf. dann eine neue Stelle als Filialleiter suchen. Eine Stelle als Servicemitarbeiter dürfte immer noch besser sein als gar kein Arbeitsplatz.
Haben Sie dagegen Kündigungsschutz und können nicht ohne Weiteres entlassen werden, können Sie darauf beharren, dass Sie so beschäftigt werden wie im Arbeitsvertrag vereinbart. Natürlich müssen Sie dann immer noch bedenken, dass ein Prozess das Verhältnis zu Ihrem Arbeitgeber menschlich belasten könnte und eine weitere Karriere und Aufstieg in dem Unternehmen als Führungskraft schwierig sein wird.
Da Sie nach gesetzlich verankerten Argumenten fragen, folgender Hinweis: Das Arbeitsrecht in Deutschland ist leider zersplittert, ein Arbeitsgesetzbuch immer noch nicht erlassen, obwohl ein solches bereits von namhaften Arbeitsrechtlern entworfen wurde. Es fehlt am politischem Willen hierzu. Daher gibt es nur versprengte arbeitsrechtliche Einzelgesetze, der Rest ist Rechtsprechung. Ich habe Ihnen soviel Paragraphen genannt wie möglich, eine gesetzliche Regelung des "Versetzungsrechts" gibt es aber leider nicht.
Ich hoffe, ich habe Ihnen einige Anhaltspunkte geben können, mit denen Sie selbst Ihren Arbeitsvertrag, Ihren Tarifvertrag und die Arbeitnehmeranzahl in Ihrem Betrieb prüfen und sich so auf das Gespräch vorbereiten können. Sollten sich noch Rückfragen ergeben, nutzen Sie bitte die Nachfragefunktion.
Antwort
vonRechtsanwältin Dr. Elke Scheibeler
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Rechtsanwältin Dr. Elke Scheibeler
Fachanwältin für Arbeitsrecht