Sehr geehrter Ratsuchender,
unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Informationen erlaube ich mir, Ihre Frage wie folgt zu beantworten:
Insgesamt halte ich die vertragliche Vereinbarung bezüglich der Schönheitsreparaturen in der Tat für nichtig. Dies ergibt sich jedoch – entgegen Ihrer Auffassung – nicht aus einer der Klauseln alleine sondern vielmehr aus deren Zusammenspiel, die in einer insgesamt unangemessenen Benachteiligung resultieren. Dies wurde durch den BGH (VIII ZR 163/05
) in einem sehr ähnlichen Fall unter der Bezeichnung „Summierungseffekt“ festgestellt.
Für sich genommen ist jede der Klauseln wohl als angemessen und wirksam zu betrachten. Insbesondere beinhalten die Punkte 4. und 5. wohl genügend Einschränkungen um eine starre Fristenregelung zu verneinen. Auch der handschriftliche Zusatz wäre für sich alleine wohl nicht unwirksam – es ist bereits fraglich ob hierbei überhaupt von einer Formularklausel auszugehen ist (dies lässt sich jedoch erst durch Prüfung der genaueren Umstände mit Sicherheit sagen). Insgesamt sind diese wirksamen Klauseln jedoch nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen und aufgrund der übermäßigen Renovierungspflichten für den Mieter insgesamt als unwirksam anzusehen.
Folge der Gesamtunwirksamkeit der Klauseln in der Gesamtbetrachtung ist das Eingreifen der gesetzlichen Regelung bezüglich der Renovierungspflicht bzw. der Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen. Diese hat grundsätzlich der Vermieter selbst zu tragen.
Bezüglich der Kaution ist auszuführen, dass diese vom Vermieter nach Auszug des Mieters nur dann vorläufig einbehalten werden kann, wenn diese für die etwaige Verrechnung mit Ansprüchen benötigt wird, die derzeit noch nicht genau zu beziffern sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Höhe der Nebenkosten aufgrund fehlender Abrechnungen noch nicht abschließend festgestellt werden konnten. In Ihrem Fall scheint dies nicht gegeben.
Sie sollten den Vermieter auf diese Rechtslage hinweisen und ihn zur Auszahlung der Kaution unter Fristsetzung auffordern. Sollte der Vermieter darauf nicht eingehen, so empfehle ich Ihnen, auch zur Abklärung eventueller Prozessrisiken, einen Anwalt für die Durchsetzung Ihres Anspruches (möglicherweise gerichtlich) zu beauftragen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser ersten Einschätzung weitergeholfen zu haben. Für weitere Nachfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Grema
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Gema,
vielen Dank für Ihre sehr gute Antwort.
Das BGH-Urteil scheint wirklich genau zu unserem Fall zu passen.
Zu dem Punkt der handschriftlichen Klausel bleiben noch ein paar Kleinigkeiten offen:
- Wenn es sich um eine Formularklausel handelt, dann scheint die Sache klar, dass alle Klauseln wegen dem Summierungseffekt zu einer unangemessenen Benachteiligung führen.
- Wenn es sich um eine alleinstehend gültige Individualabrede handeln sollte, verstehe ich im Urteil BGH (VIII ZR 163/05
) nicht, ob der Vermieter aus der zu allgemeinen Formulierung generell keinen Schadensersatzanspruch herleiten kann oder ob es in dem verhandelten Fall nur am Verfahrensfehler des Vermieters lag, dass kein solcher Anspruch zustande kam.
Wovon hängt es ab, ob es eine Formularklausel ist, also wer hat u.U. irgendwelche Beweislasten, oder ist es in unserem Fall sowieso unerheblich, ob es sich um eine Individualabrede handelt?
Freundliche Grüße
Marko von Oppen
Sehr geehrter Fragesteller,
1. Eine der entscheidenden Feststellungen des Urteils lauten dahingehend, dass es für die Beurteilung des Summierungseffektes eben keinen Unterschied macht, ob eine der Vereinbarungen formularmäßig getroffen wurde oder nicht. In Ihrem Fall würde der Handschriftlich Zusatz – wäre er als formularmäßig einzustufen – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits für sich alleine genommen nichtig, da er eine starre Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen vorsieht.
2. Ich muss gestehen, dass ich den zweiten Teil Ihrer Frage nicht vollständig nachvollziehen kann. Vielleicht liege ich richtig wenn ich hierzu ausführe, dass es in dem geschilderten Urteil letzten Endes nicht auf die einzelne Klausel ankommt. Weder auf die AGB, noch auf die vermeintlich einzeln ausgehandelte Vereinbarung: Es ist das Zusammenspiel der insgesamt dem Mieter aufgebürdeten Verpflichtungen, das den diesbezüglichen Vertragsteil zu Fall bringt, und eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Wie sich die Situation durch Verzicht auf die eine oder andere Klausel darstellen würde steht auf einem ganz anderen Blatt und der Fall dann möglicherweise ganz anders zu entscheiden.
Eine Formularklausel ist (verkürzt dargestellt) immer dann gegeben, wenn eine bestimmte Vertragsbedingung für eine Vielzahl von Verträgen bereits vorab feststeht, quasi von der einen Vertragspartei von Beginn an vorgegeben wird. Dementsprechend handelt es sich um eine Individualabrede, wenn es zwischen den Parteien erkennbar zu Verhandlungen über den Inhalt eines Teils der Vereinbarung gekommen war. So etwa, wenn der Inhalt bereits vorher ausführlich besprochen worden war und dann entsprechend in die Vereinbarung aufgenommen wurde. Die Darlegungs- und Beweislast läge hierbei bei Ihnen, wenn Sie sich auf eine für Sie positive Wirkung des Vorliegens einer Formularklausel beriefen.
Jedoch kommt es, vorbehaltlich einer genauen Prüfung, in Ihrem Falle darauf nicht an, da die Eigenschaft als Formularklausel oder Individualvereinbarung, wie gesehen, für die Bejahung eines Summierungseffektes unerheblich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Grema
Rechtsanwalt