Guten Tag
Unter Berücksichtigung Ihrer Angaben und den denkbaren Kündigungsarten (einschließlich Verwertungskündigung und Eigenbedarf) ergibt sich folgendermaßen eine anwaltliche Einschätzung:
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1. Vertragslage
• Mietvertrag: Es liegt ein wirksam geschlossener unbefristeter Mietvertrag vor.
• Kautionsregelung: Die Klausel im Mietvertrag, wonach der Vertrag „ungültig" wird, wenn die Kaution nicht vollständig vor Mietbeginn gezahlt wird, ist unwirksam.
• § 551 Abs. 2 BGB: Die Kaution darf in drei gleichen Monatsraten gezahlt werden, beginnend mit Mietbeginn. Eine Vorauszahlung in voller Höhe ist nicht zulässig.
• § 572 BGB: Selbst wenn die Klausel eine Bedingung enthält, die unwirksam ist, bleibt der Mietvertrag dennoch wirksam. Der Vertrag ist daher nicht „nichtig" geworden.
• Instandhaltungsklausel: Die vollständige Abwälzung aller Instandhaltungspflichten auf den Mieter ist ebenfalls unwirksam. Nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB bleibt die Vermieterin für die wesentlichen Erhaltungsmaßnahmen, insbesondere Dachsanierungen, verantwortlich.
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2. Dachschaden und Pflichten der Vermieterin
Der festgestellte Dachschaden (Durchfeuchtung, Schimmelgefahr, potenzielle Einsturzgefahr) ist ein erheblicher Mangel nach § 536 BGB.
• Der Mieter könnte die Miete mindern und unter Umständen sogar fristlos kündigen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB), wenn eine konkrete Gesundheitsgefährdung vorliegt.
• Die Vermieterin kann die Sanierungspflicht nicht aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen. Das sogenannte Erhaltungsrisiko liegt allein beim Vermieter (ständige Rechtsprechung, BGH, Urteil vom 06.04.2005 – VIII ZR 192/04).
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3. Kündigungsmöglichkeiten der Vermieterin
Eine fristlose Kündigung wegen Unbewohnbarkeit durch die Vermieterin ist nicht vorgesehen. Die folgenden Kündigungsoptionen kommen in Betracht:
a) Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB)
Wenn die Vermieterin aufgrund der erforderlichen Dachsanierung und der Unwirtschaftlichkeit des Objekts gezwungen ist, die Immobilie zu verkaufen und der Mietvertrag diesem Verkauf erheblich im Weg steht, kann eine Verwertungskündigung ausgesprochen werden.
• Voraussetzung: Es muss dargelegt werden, dass ohne die Kündigung eine angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks nicht möglich ist und der Vermieter dadurch erhebliche Nachteile erleidet.
• Die Kündigung ist nur mit gesetzlicher Kündigungsfrist möglich und muss detailliert begründet werden.
• Die wirtschaftliche Belastung durch die Dachsanierung (80.000 €) ist ein starkes Argument für eine Verwertungskündigung.
b) Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB)
Eine Eigenbedarfskündigung wäre nur möglich, wenn die Vermieterin oder nahe Angehörige die Immobilie tatsächlich selbst nutzen wollen. Dies ist nach der Schilderung nicht der Fall.
c) Kautionszahlung als Druckmittel
Obwohl die Kautionsregelung zur Bedingung unwirksam ist, besteht dennoch die Pflicht zur Zahlung der vollen Kaution nach § 551 BGB.
• Die Vermieterin kann die Mieter schriftlich zur vollständigen Zahlung der Kaution mit Fristsetzung auffordern.
• Bleibt die Zahlung aus, kann eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen Verzuges mit der Sicherheitsleistung in Betracht kommen.
• Allerdings ist hier zu beachten, dass bislang bereits 2/3 der Kaution gezahlt wurden. Gerichte prüfen in solchen Fällen streng die Verhältnismäßigkeit einer fristlosen Kündigung.
d) Aufhebungsvertrag
Der praktisch sicherste Weg wäre ein Aufhebungsvertrag mit dem Mieter. Unter Hinweis auf die gravierenden Mängel und die wirtschaftliche Situation der Vermieterin könnte eine einvernehmliche Vertragsbeendigung gegen Unterstützung bei der Wohnungssuche oder Verzicht auf Ansprüche (z. B. Mietminderung) vereinbart werden.
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4. Vorgehensweise bei drohender Mietminderung
Wenn die Mieter auf Mietminderung drängen:
• Dokumentieren Sie den Zustand des Daches durch ein schriftliches Gutachten (Dachdeckerbericht).
• Informieren Sie die Mieter transparent über die Gefährdungslage und die Unmöglichkeit der kurzfristigen Sanierung.
• Unterbreiten Sie gleichzeitig einen Vorschlag zur einvernehmlichen Vertragsbeendigung, um langwierige Streitigkeiten zu vermeiden.
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5. Empfehlung
1. Schriftliche Aufforderung zur Zahlung der restlichen Kaution (§ 551 BGB) unter Fristsetzung.
2. Parallel Prüfung einer Verwertungskündigung mit fundierter Begründung durch einen Anwalt (wirtschaftliche Unzumutbarkeit wegen der Sanierungskosten).
3. Alternativ oder ergänzend Aufhebungsvertrag mit Unterstützung bei der Wohnungssuche.
4. Gutachterliche Dokumentation des Dachzustands zur Absicherung gegen Mietminderungsklagen.
5. Keine fristlose Kündigung wegen Unbewohnbarkeit – diese wäre nicht durchsetzbar.
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6. Fazit
• Der Mietvertrag bleibt trotz Kautionsklausel wirksam (§ 572 BGB).
• Eine Bedingung „ungültig bei Nichtzahlung der Kaution" verstößt gegen § 551 BGB und ist unwirksam.
• Die Vermieterin hat keine Möglichkeit zur fristlosen Kündigung wegen Unbewohnbarkeit, wohl aber zur Verwertungskündigung oder zu einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung.
• Parallel kann die ausstehende Kaution als Druckmittel eingesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
RA Wilke
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Wilke
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