Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Zum Sachverhalt:
Ihr neuer Hausbesitzer hat Ihnen Ende 2022 mündlich mitgeteilt, dass er das Haus "verschönern" möchte und Sie als Mieter nicht mehr behalten will.
Es wurde nichts Schriftliches festgehalten oder unterzeichnet.
Er hat Ihnen das Kautionssparbuch übergeben mit der Aussage, in "Ihrer Zeit" nichts mehr in das Haus zu investieren.
In Ihrer Stadt gibt es einen 8- oder 9-jährigen Mietendeckel. Sie sind seit April 2002 Mieter.
Der Vermieter erwähnte, dass nach dem Auszug des ersten Mieters die Zeit abläuft und er Ihnen bei der Suche nach einer neuen Wohnung behilflich sein wird.
Einige Mieter sind bereits ausgezogen, und neue Mieter zahlen offenbar das Doppelte an Miete.
Rechtliche Bewertung
Formvorschriften für Kündigungen
Nach § 568 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bedarf die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum zwingend der Schriftform. Eine mündliche oder lediglich konkludente Kündigung ist unwirksam.
§ 568 BGB – Form und Inhalt der Kündigung durch den Vermieter oder Mieter
"(1) Die Kündigung des Mietverhältnisses bedarf der schriftlichen Form."
Das bedeutet, dass die mündlichen Äußerungen Ihres Vermieters bezüglich einer Kündigung rechtlich unverbindlich sind. Ohne schriftliche Kündigung besteht das Mietverhältnis fort.
Kündigungsfristen und -gründe:
Ordentliche Kündigung
Der Vermieter kann ein unbefristetes Mietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat (§ 573 BGB). Zulässige Gründe sind beispielsweise Eigenbedarf oder schuldhafte erhebliche Verletzungen der vertraglichen Pflichten durch den Mieter.
§ 573 BGB – Ordentliche Kündigung des Vermieters
"(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat."
In Ihrem Fall hat der Vermieter scheinbar kein berechtigtes Interesse vorgetragen, das eine Kündigung rechtfertigen würde. Die Absicht, eine "Verschönerung" des Hauses vorzunehmen und dafür die aktuellen Mieter zu kündigen, reicht nicht aus.
Kündigung wegen umfassender Modernisierung
Zwar kann der Vermieter unter bestimmten Umständen wegen geplanter umfassender Modernisierungsmaßnahmen kündigen (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Allerdings muss es sich dabei um solche Maßnahmen handeln, die eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar machen. Zudem sind hierbei strenge Anforderungen zu erfüllen.
Mietendeckel und Mietpreisbremse;
Der von Ihnen erwähnte Mietendeckel könnte zudem ein zeitlich befristeter Kündigungsausschluss sein oder Regelungen über Mietpreisbegrenzungen. Es ist wichtig zu klären, welche konkreten Regelungen in Ihrer Stadt gelten.
Bitte beachten Sie:
Kündigungsausschluss: Wenn vertraglich oder gesetzlich ein Kündigungsausschluss besteht, kann der Vermieter während dieser Zeit nicht ordentlich kündigen.
Mietpreisbremse: Reguliert die Mieterhöhungen, berechtigt den Vermieter aber nicht zur Kündigung.
Da Sie seit April 2002 in der Wohnung leben, greifen zudem verlängerte Kündigungsfristen zugunsten des Mieters.
§ 573c BGB – Fristen der ordentlichen Kündigung
" (1) ... beträgt die Kündigungsfrist für den Vermieter ... nach 8 Jahren 9 Monate."
Übergabe des Kautionssparbuchs;
Die Übergabe Ihres Kautionssparbuchs könnte als Hinweis gewertet werden, dass der Vermieter das Mietverhältnis beenden möchte. Allerdings ersetzt auch dies nicht die erforderliche schriftliche Kündigung.
Die Vorgehensweise des Vermieters ist rechtlich sehr zweifelhaft. Ohne schriftliche Kündigung und ohne berechtigtes Interesse kann er das Mietverhältnis nicht wirksam beenden.
Antworten auf Ihre Fragen:
Kann der Vermieter uns nach der Karenzzeit aus dem Haus "befördern", trotz fehlender schriftlicher Bestätigung?
Nein, ohne schriftliche Kündigung und berechtigtes Interesse kann der Vermieter das Mietverhältnis nicht einseitig beenden. Die mündlichen Äußerungen sind unwirksam.
Hat er eine Handhabe trotz der zweifelhaften Vorgehensweise?
Der Vermieter hat derzeit keine rechtliche Handhabe, um Sie zum Auszug zu bewegen, sofern kein berechtigtes Interesse nach § 573 BGB vorliegt und er dieses nicht schriftlich geltend macht.
Meine Empfehlungen:
Bestehen Sie auf Ihr Recht, in der Wohnung zu bleiben, solange keine wirksame Kündigung vorliegt.
Dokumentieren Sie alle weiteren Schriftwechsel und Gespräche mit dem Vermieter.
Sollten Sie eine schriftliche Kündigung erhalten, lassen Sie diese rechtlich prüfen.
Erwägen Sie, sich an einen Mieterverein oder einen Rechtsanwalt zu wenden, um individuelle Beratung und Unterstützung zu erhalten.
Fazit:
Aktuell besteht kein wirksamer Kündigungsgrund, und das Mietverhältnis läuft zu den bestehenden Bedingungen weiter. Der Vermieter kann Sie nicht ohne Weiteres zum Auszug veranlassen. Seine bisherigen Handlungen genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
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