Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
die von Ihnen gestellten Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung des geschilderten Sachverhaltes sowie Ihres Einsatzes wie folgt:
1) Darf die Betreuerin eine Vollmacht an eine Firma vergeben ohne das Vormundschaftsgericht anzurufen?
Die Betreuung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 1896 ff. geregelt. § 1896 BGB
bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Betreuung in Betracht kommt.
In § 1901 BGB
ist der Umfang der Betreuung geregelt. Danach umfasst die Betreuung alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen.
Die Betreuerin war daher grundsätzlich auch berechtig im Sinne des Betreuten, die Verwaltung des Grundstückes an eine Verwaltungsfirma zu übergeben. Nach § 1901 Absatz 2 BGB
hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht.
Wenn die Betreuerin hier davon ausgehen konnte, dass es für das Wohl des Betreuten besser ist, die Verwaltung des Grundstücks abzugeben, so war sie zu diesem Schritt auch berechtigt.
Das Vormundschaftsgericht musste aber dennoch nach § 1907 Absatz 3 BGB
angerufen werden. Das BGB ordnet an, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Betreuer vor einer Entscheidung das Vormundschaftsgericht um Genehmigung ersuchen muss.
Daher durfte die Betreuerin zwar eine Vollmacht an die Firma vergeben. Allerdings muss die Vollmacht entsprechende Einschränkungen enthalten und darf nur die Verwaltung, nicht aber das Kündigungsrecht enthalten.
Zu so einer umfassenden Bevollmächtigung der Firma hätte das Vormundschaftsgericht angerufen werden müssen.
2) Meines Erachtens dürfen laut BGB Mietverträge nur durch das Vormundschaftsgericht gekündigt werden, wenn der Eigentümer nicht geschäftsfähig ist.
In § 1907 BGB
ist geregelt, dass es zur Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum des Betreuten der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bedarf.
Vorliegend hat die Betreuerin aber nicht den Wohnraum des Betreuten gekündigt, sondern lediglich die Verwaltung über ein im Eigentum des Betreuten stehendes Grundstück an eine Verwaltungsfirma abgegeben.
Hier findet dann § 1907 Absatz 3 BGB
Anwendung. Entscheidungen, die der Betreuer in diesem Zusammenhang trifft, unterliegen dem Genehmigungsvorbehalt des Vormundschaftsgerichts.
Es muss sich um einen Miet- bzw. Pachtvertrag oder ein anderes Dauerschuldverhältnis handeln, das vom Betreuer in einem ihm übertragenen Aufgabenbereich für den Betreuten geschlossen wird. Unerheblich ist, auf welcher Seite des Vertragsverhältnisses der Betreute steht, ob er z.B. Mieter bzw. Pächter oder Vermieter bzw. Verpächter ist.
Daher hätte die Betreuerin das Vormundschaftsgericht anrufen müssen, wenn sie eine so weitreichende Vollmacht erteilt.
3) Kann ich die Kündigung anfechten? Wie?
Holt der Betreuer eine erforderliche Genehmigung nicht ein, so ist die von ihm abgegebene Erklärung nichtig. Ein abgeschlossener Vertrag ist jedenfalls so lange schwebend unwirksam, als die Genehmigung hierzu nicht erteilt ist.
Daher konnte nicht wirksam eine entsprechende Vollmacht an die Firma erteilt werden. Jedenfalls ist das Geschäft bis zur Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht schwebend unwirksam. Wenn das Vormundschaftsgericht nicht genehmigt, ist die Vollmachtserteilung unwirksam.
Anfechten können Sie die Kündigung durch die Verwaltungsfirma nicht. Aber Sie sollten sich umgehend an die Firma, die Betreuerin und auch das Vormundschaftsgericht wenden und die entsprechenden Einwände vortragen und auf die Nichtigkeit der Kündigung mangels wirksamer Vollmacht sowie das Fortbestehen des Pachtverhältnisses bestehen.
Antwort
vonRechtsanwalt Steffan Schwerin
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