Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Zunächst ist festzuhalten, dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter über die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag grundsätzlich zulässig ist. Problematisch ist hier allerdings die in dem Vertrag enthaltene Klausel, mit der sämtliche gegenseitigen Ansprüche – unabhängig vom Rechtsgrund – ausgeschlossen werden sollen. Eine solche Klausel stellt einen umfassenden sogenannten „Generalverzicht" dar und betrifft insbesondere auch etwaige Rückforderungsansprüche wegen überhöhter Miete.
Ein Rückforderungsanspruch wegen überhöhter Miete kann sich insbesondere aus § 556g BGB ergeben, wenn eine gegen § 556d BGB verstoßende Miethöhe vereinbart wurde. Die Vorschrift § 556d BGB regelt die sogenannte Mietpreisbremse und bestimmt, dass die Miete bei Wiedervermietung grundsätzlich maximal 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, soweit keine Ausnahme nach § 556e oder § 556f BGB vorliegt. Nach Ihrer Schilderung liegt die Miete jedoch bei einem Vielfachen (das Dreifache) der ortsüblichen Vergleichsmiete. Sollte keine der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen vorliegen (z. B. umfassende Modernisierung, Vormiete über der zulässigen Höhe, Neubau nach dem 1.10.2014), liegt sehr wahrscheinlich ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse vor.
Voraussetzung für eine Rückforderung nach § 556g BGB ist jedoch, dass der Mieter den Verstoß gegen die Mietpreisbremse in der vorgeschriebenen Weise gemäß § 556g BGB gerügt hat. Dies muss vor Einleitung der Rückforderung geschehen sein. Ist eine ordnungsgemäße Rüge erfolgt, können überzahlte Beträge grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Rüge für maximal 30 Monate rückwirkend (§ 556g BGB) zurückgefordert werden.
Zur Wirksamkeit der in dem Aufhebungsvertrag enthaltenen Verzichtsklausel ist Folgendes festzuhalten:
Ein genereller Verzicht auf Mietrückforderungen durch eine formularmäßige Klausel in einem Aufhebungsvertrag unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, wenn es sich nicht um eine individuell ausgehandelte Vereinbarung handelt. Bereits der Bundesgerichtshof (BGH) hat mehrfach entschieden, dass formularmäßige Generalverzichtsklauseln in Mietverträgen, welche wesentliche Rechte des Mieters einschränken, insbesondere im Hinblick auf gesetzlich unverzichtbare Ansprüche, unwirksam sein können. Auch der Rückforderungsanspruch wegen Verstoßes gegen § 556d BGB stellt ein zwingendes Schutzrecht des Mieters dar, welches nicht durch AGB abbedungen werden kann.
Ein solcher pauschaler Verzicht auf Rückforderungen würde – insbesondere im Kontext der Mietpreisbremse – auch eine Umgehung der zwingenden mietrechtlichen Vorschriften darstellen und könnte gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder nach § 138 BGB als sittenwidrig und damit nichtig angesehen werden. Die Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle hat klargestellt, dass Klauseln, die dem Vermieter einen rechtswidrigen Vorteil sichern oder gesetzliche Mieterschutzvorschriften aushöhlen, regelmäßig als unangemessen benachteiligend zu qualifizieren sind.
Allerdings ist zu beachten, dass bei einer individualvertraglich ausgehandelten Klausel – also bei echten Verhandlungen über Inhalt und Reichweite der Regelung – strengere Maßstäbe an die Unwirksamkeit zu stellen sind. Ob im konkreten Fall eine Individualvereinbarung vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Sollte der Vermieter jedoch lediglich ein vorformuliertes Vertragsmuster übersandt haben, spricht vieles für eine AGB-rechtliche Bewertung.
Im Ergebnis ist die Klausel daher mit hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam, soweit sie formularmäßig verwendet wurde und Rückforderungsansprüche wegen Verstößen gegen § 556d BGB betrifft. Selbst bei einer Individualvereinbarung könnte sie bei einem krassen Missverhältnis zwischen vereinbarter und ortsüblicher Miete unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) angreifbar sein.
Wirtschaftlich stellt sich die Frage, ob ein Verzicht auf etwaige Rückforderungsansprüche angesichts der zu erwartenden Höhe – mehrere tausend Euro bei einem Vielfachen der zulässigen Miete über 30 Monate – überhaupt vertretbar ist. In einem solchen Fall erscheint es aus Sicht eines wirtschaftlich vernünftigen Mieters regelmäßig geboten, den Aufhebungsvertrag nicht zu unterzeichnen, sondern die reguläre Kündigung mit dreimonatiger Frist gemäß § 573c BGB vorzunehmen. Dadurch bleibt der Rückforderungsanspruch unberührt.
Abschließend kann Ihnen daher nur geraten werden, den Vertrag in der vorliegenden Fassung nicht zu unterzeichnen, sondern entweder die Klausel streichen zu lassen oder auf eine einzelfallbezogene ausdrückliche Ausnahme der Rückforderungsansprüche wegen Verstoßes gegen § 556d BGB zu bestehen. Alternativ empfiehlt sich die ordentliche Kündigung unter gleichzeitiger Geltendmachung der Rückforderung.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Steffan Schwerin
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