Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Entscheidend ist zunächst, ob Sie den Unterhalt auf der Grundlage eines Titels zahlen, oder ob Sie bisher freiwillig gezahlt haben. Aus einem Unterhaltstitel kann jederzeit vollstreckt werden, deshalb werden Sie die Zahlungen nicht ohne vorherige Abänderung einstellen dürfen.
Zahlen Sie freiwillig, gilt das Folgende:
Der Unterhaltsanspruch kann gemäß § 1611 Abs. 1 BGB ausgeschlossen oder gekürzt werden, wenn sich der Unterhaltsberechtigte einer „schweren Verfehlung" gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat, z.B. durch schwerwiegend illoyales, feindseliges oder respektloses Verhalten.
Die Rechtsprechung, insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH), ist insoweit sehr klar: Allein die Ablehnung von Kontakt und persönlichem Austausch zwischen volljährigem Kind und barunterhaltspflichtigem Elternteil reicht NICHT aus, um den Unterhalt zu verweigern oder zu kürzen.
Das OLG Frankfurt stellte 2020 klar, dass die reine Kontaktverweigerung keine schwerwiegende Verfehlung im Sinne des § 1611 BGB ist. Ein schwerer Schuldvorwurf ist für die Verwirkung unerlässlich, und dieser liegt nur in besonders gravierenden Einzelfällen vor.
Der BGH verneint die Verwirkung ausdrücklich, wenn „nur" jegliche persönliche Kontaktsuche abgelehnt wird und keine weitere Herabwürdigung oder massive Verfehlungen gegenüber dem Unterhaltspflichtigen bestehen
Selbst Schwierigkeiten oder fehlende Kommunikation aus persönlichen (auch psychischen) Motiven stellen für sich genommen keinen Grund im Rechtssinn dar, von einer schweren Verfehlung mit der Folge der Unterhaltsverwirkung auszugehen.
Beispiele für eine tatsächliche Verwirkung des Unterhaltsanspruchs finden sich dort, wo das Kind beispielsweise den zahlenden Elternteil widerrechtlich belastet, herabwürdigt oder dessen wirtschaftliche oder persönliche Existenz gezielt beeinträchtigt.
Entsprechend § 1618a BGB besteht zwischen Eltern und volljährigen Kindern eine Pflicht zu gegenseitigem Beistand und Rücksichtnahme
Dennoch bedeutet die bloße Kontaktlosigkeit keine so schwere Pflichtverletzung, dass ein Unterhalt entfällt. Nur wenn ein Verhalten vorliegt, das über die Kontaktverweigerung hinausgeht und das wirtschaftliche oder persönliche Wohl massiv gefährdet oder in anderer Weise schwerst illoyal ist, kann der Anspruch entfallen.
Solange Ihre Tochter ihre Zweitausbildung zielstrebig weiterführt, bleibt ihr Unterhaltsanspruch grundsätzlich bestehen – selbst nach eigenverantwortlichem Abbruch der ersten Ausbildung, sofern kein planloses oder grob nachlässiges Verhalten vorliegt.
Ein Anspruchsausschluss wegen Kontaktabbruch scheidet nach der aktuellen BGH- und OLG-Rechtsprechung regelmäßig aus: Die bloße Weigerung, Kontakt zu halten, genügt nicht. Es müsste eine schwerwiegende Verfehlung hinzukommen.
Die Zahlung des Unterhalts sollte daher nicht vorschnell eingestellt werden, da andernfalls Rückstände auflaufen können. Eine Einstellung wäre nur bei Nachweis einer wirklich schweren, über die Kontaktverweigerung hinausgehenden Verfehlung (massive Beleidigungen, tätliche Angriffe, erhebliche Schädigung) ratsam.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Schwartmann
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Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Familienrecht